Südkoreas Start-ups im Wettbewerb um Wien
Innovative Gründerszene aus Seoul spannt erste Netzwerke in Österreich
Seoul – Viele Südkoreaner denken bei Österreich als Erstes an den Hollywoodschinken Sound of Music. In der aktiven Start-up-Szene von Seoul hört man zur Abwechslung etwas anderes. Drei Österreicher nennt Hongil Kim, Chef des mit 600 Millionen Euro üppig dotierten Inkubators D-Camp: Der Verfechter freier Märkte, Friedrich A. Hayek, inspirierte Kim ebenso wie die Managementtheorie Peter Druckers sowie das Konzept Josef Schumpeters, dass kreative Zerstörung Innovation voranbringe. In der Theorie hinterlässt Österreich aber einen größeren Eindruck in der koreanischen Gründerszene als in der Praxis. Das soll sich nun ändern.
Bei einem Besuch von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) Anfang November wurde die Zusammenarbeit des koreanischen D-Camp mit dem österreichischen Global Incubator Network (GIN) beschlossen. Das Netzwerk organisiert den Austausch von Gründern aus beiden Nationen mit privaten Kapitalgebern und staatlichen Förderstellen.
Die Chance auf einen Österreich-Aufenthalt zieht viele Jungunternehmer an. Anfang November stellten sich fünf koreanische Gründer einem Ideenwettbewerb; der Gewinner des „Golden Ticket“darf für mehrere Wochen nach Wien reisen und sich mit anderen Start-ups und Investoren vernetzen. Margarete Schramböck unterzeichnet die nächste Absichtserklärung: Künftig haben Startups aus Österreich einen besseren Draht nach Südkorea.
Wie der Wettbewerb zeigt, ist die Vermarktung innovativer Lösungen für Kunden aus einem an- deren Kulturraum nicht leicht. Fehlende Sprachkenntnisse und fremde Vorstellungen sind große Hürden. Was will ein europäischer Kunde, was schreckt ihn ab?
Die Gründer von Onesmartdiet stellten der Jury ein fingergroßes Gerät vor, das im Nu den Körperfettanteil des Nutzers eruiert. Die Frage, ob das Gerät diese Biodaten auch irgendwo abspeichere, beantwortete der junge Erfinder auf der Bühne sofort: „Ja klar, wir wol- len sie ja auch Krankenhäusern und Versicherungen anbieten.“Der koreanische Juror nickt zufrieden. Unter Österreichern im Publikum verbreitet sich Skepsis, ob Nutzer ihre Körperdaten hergeben würden. Hier krachen Kulturen zusammen, weiß ein Kenner beider Seiten: „Die Koreaner sind anders“, erklärt der seit knapp zwei Jahrzehnten auf der Halbinsel tätige Anwalt und Berater Joachim Nowak.
Privatsphäre spiele in Südkorea eine geringe Rolle als im Westen. Sei es in der Familie, Schulklasse, Militärkohorte, Universität oder Firma, in seiner sozialen Gruppe teilen Koreaner alles. „Wenn sie eine Gewinnmarge im Internet posten, erfahren weniger Leute davon“, erklärt Nowak irritierten Geschäftsleuten aus Europa regelmäßig.
Ein Start-up, das in anderen Regionen Erfolg haben will, muss sich an kulturelle Gegebenheiten anpassen. Oder die Idee ist flexibel genug. „Wir verwenden 3DGesichtsscanner, um Nutzern perfekt passende Accessoires vorzuschlagen, wie Sonnenbrillen oder Hüte“, erklärt Amy ihr Konzept. Woher Kunden kommen, spielt keine Rolle, das Individuum ist für sie maßgebend. Sie war bereits in Wien und hatte Glück. Ein Brillenhersteller, den sie in Österreich kennenlernte, ist interessiert.
Getränkescanner
2019 dürfen sich die koreanischen Jungunternehmer von PiQuant auf einen Wien-Besuch freuen. Sie überzeugten die Jury mit einem Taschenscanner, der sofort schädliche Substanzen in Flüssigkeiten entdeckt. Auch ein Produkt, das auf Koreaner zugeschnitten ist. Vielen von ihnen sitzt der chinesische Milchpulverskandal noch in den Knochen. Verunreinigtes Babypulver aus dem Nachbarland landete 2008 in koreanischen Supermärkten.
Doch ob sich die auf ihr Trinkwasser stolzen Wiener für einen Sicherheitsscanner für ihre Getränke begeistern können, ist offen. Vielleicht finden die koreanischen Jungunternehmer bei ihrem Besuch alternative Motive, die sie ansprechen können. (slp)