Eine IT-Lösung, die Scheinselbstständigkeit erkennt
Wien – Wenn Anwaltskanzleien für neue Mandate „pitchen“, wie das auf Neudeutsch heißt, müssen sie ihre Referenzen vorweisen: Welche ähnlichen Leistungen haben sie bisher für welche Klienten erbracht? Dieselbe Information wird für die Berücksichtigung in den immer wichtigeren internationalen Rankings benötigt. Da mag es überraschen, dass diese Fakten in vielen Kanzleien nicht immer so leicht verfügbar sind. Einzelne Partner sitzen oft darauf oder haben die Infos auf einzelnen Excel-Sheets geparkt. Diese zu verknüpfen ist bekanntlich ein technischer Albtraum.
Auch dieses Problem kann Legal Tech lösen, sagt Gina Tondolo, die jahrelang im Marketing in und für Kanzleien gearbeitet hat. Sie hat ein Tool namens Lawrence entwickeln lassen, das alle Leistungen einer Kanzlei zusammenfasst, die dann leicht gefunden, abgerufen und präsentiert werden können. Tondolo wurde dabei von den Kanzleien Schönherr und Binder Grösswang mit Entwicklungsbeiträgen und Input unterstützt, das technische Know-how lieferte die A1-Tochter world-direct eBusiness Solutions in Innsbruck.
Ab eine Kanzleigröße von 20 Juristen kann der Einsatz von Lawrence sinnvoll sein, sagt Tondolo. Die Software wird geleast, der zukünftige Preis richtet sich nach der Zahl der Nutzer. Das System ist derzeit in der Pre-Release-Phase und soll in Kürze auf den Markt kommen.
Anwälte sind gefordert
Damit Lawrence funktioniert, braucht es Daten. Das System verlangt daher eine neue Vorgangsweise der Anwälte, sagt Tondolo: „Jeder Fall muss hinein, verbunden mit dem Team, dem Fachbereich und allen Leistungen, die erbracht wurden. Die Anwälte müssen dabei lernen, ihre Produkte besser zu beschreiben.“
Mittelfristig könnte sich dadurch auch die Struktur der Kanzleien ändern, glaubt Tondolo: „Viele Kanzleien sind immer noch diese zusammengewürfelten Inselgruppen, die wenig miteinander kommunizieren. Das muss sich ändern, und dafür braucht man auch Technologie.“(ef) Wien/Berlin – Werkvertrag oder freier Dienstvertrag? Diese Frage bereitet vielen Unternehmern Kopf- und Bauchschmerzen. Denn kommt die Sozialversicherung zu dem Schluss, dass ein selbstständiger Dienstleister wie ein Angestellter hätte angemeldet werden müssen, werden hohe Nachzahlungen oder auch Verwaltungsstrafen fällig. Doch manchmal ist die Entscheidung nicht so leicht zu fällen.
Das Problem der richtigen Einstufung von Fremdpersonal gibt es auch in Deutschland. Dort hat die Wirtschaftskanzlei CMS, die auch in Österreich vertreten ist, das ITProdukt FPE (Fremdpersonaleinsatz) auf den Markt gebracht, das Unternehmen die Einzelfallprüfung erleichtern soll. Ein digitaler Fragebogen wird ausgefüllt und spuckt nach einigen Minuten eine Antwort aus: Bei Grün ist die Selbstständigkeit gesichert, bei Gelb müssen einzelne Punkte geklärt werden, bei Rot handelt es sich um Scheinselbstständigkeit.
Tausende empirische Daten
Das System basiert auf tausenden empirischen Daten und ist viel genauer als ein einfacher Fragebogen – und günstiger als die Beiziehung eines Arbeitsrechtlers, sagt Tobias Heining, Leiter von Business Development und Kommunikation bei CMS Deutschland. 200 Euro kostet die erste Prüfung, bei mehr Fällen sinkt der Preis. Die Antwort von FPE entspricht einer Rechtsauskunft und ist von der Haftpflichtversicherung von CMS umfasst, sagt Heining.
FPE wurde 2015 auf den Markt gebracht, hat im Vorjahr seine Entwicklungskosten eingespielt und bringt seither der Kanzlei einige Hunderttausend Euro Umsatz im Jahr. „Und wir haben zusätzlich großvolumige Mandate rund um das Thema gewonnen, weil wir das Tool haben“, sagt Heining.
Eine Einführung außerhalb von Deutschland wird überlegt, ist aber aufwendig, weil die Rechtslagen anders sind, sagt Heining „Wir müssen sicherstellen, dass die Antworten wasserdicht sind. Dafür braucht man eine entsprechende Menge von Fällen.“In einem kleinen Markt wie Österreich ist dies eine Herausforderung. (ef)