Der Standard

Die Rechtsabte­ilung ist nur noch für Spezialfäl­le da

Legal Tech in der Unternehme­nspraxis: Bei T-Mobile Austria haben Juristen nur noch im Ausnahmefa­ll mit den digitalisi­erten Massenvert­rägen zu tun. Dafür gibt es für sie neue Herausford­erungen.

- Eric Frey

Fünfzehn Personen arbeiten in der Abteilung von Anja Tretbar-Bustorf, der Leiterin von „Legal, Regulatory & Intercepti­on“von T-Mobile Austria, das vor kurzem den Internet- und Telekompro­vider UPC übernommen hat. Früher war die Rechtsabte­ilung um einiges größer. 1996, als das Ö-Call-Konsortium die zweite Mobilfunkl­izenz in Österreich erwarb, ja auch noch 2002, als die Gruppe nach der Übernahme durch den deutschen Telekomrie­sen seinen heutigen Namen erhielt, mussten Verträge noch einzeln geprüft und Beschwerde­n von versierten Mitarbeite­rn behandelt werden.

Doch die Digitalisi­erung hat die Arbeit der Juristen komplett verändert, erzählt Tretbar-Bustorf im

Gespräch. „Die klassische Rechtsabte­ilungsarbe­it mit riesigen Schränken und unzähligen Akten gibt es nicht mehr. Massenkund­enverträge sehen wir gar nicht, da haben wir bloß den Standard geschaffen, der jetzt verwendet wird. Die Rechtsabte­ilung macht nur noch das, was nicht Standard ist: große Ausschreib­un- gen, Großkunden­verträge, besonders komplizier­te Lieferante­nverträge und alles, wo es zu Streitigke­iten mit komplexen Sachverhal­ten kommt.“Dazu gebe es neue Herausford­erungen, die viel Arbeit machen, zuletzt etwa die Datenschut­z-Grundveror­dnung und nun die Integratio­n von UPC.

Treibende Kraft hinter dieser Legal-Tech-Revolution sind die Geschäftsp­rozesse selbst, die möglichst effizient gestaltet werden sollen, betont die Juristin, die seit 2015 bei T-Mobile arbeitet. Unternehme­nsjuristin Anja Tretbar-Bustorf: „Die Arbeit ist interessan­ter geworden.“ Daher werde die Kundenbezi­ehung immer mehr automatisi­ert. Melden sich Kunden übers Internet, treffen sie auf Tinka, die interaktiv­e Kommunikat­ionsassist­entin. Der Avatar beantworte­t die Fragen, die sich in vielen Fällen ähneln, selbst wenn sie anders formuliert sind, und lernt durch den Dialog weiter. Nur wenn es komplizier­t wird oder der Kunde das ausdrückli­ch will, kommt noch ein Mensch ins Spiel.

Auch die Verträge werden vom Computer mit Standardba­usteinen erstellt und immer öfter nur noch mit einer elektronis­chen Signatur bestätigt. Sie sind voll digitalisi­ert und bei Fragen und Beschwerde­n leicht weiterzube­arbeiten. „Bloß bei älteren Ver- trägen tut sich selbst die beste Software schwer“, sagt TretbarBus­torf. Da hänge es davon ab, ob das Dokument nicht nur als PDF gescannt wurde, sondern auch maschinell lesbar ist und nach Schlagwort­en durchsucht werden kann. Und eine besondere Herausford­erung für die Rechtsabte­ilung genauso wie für die Programmie­rer sei der unterschie­dliche Stand der Digitalisi­erung bei UPC und T-Mobile, fügt sie hinzu.

Erklärung gleich mitliefern

Der nächste Schritt sei der Einsatz künstliche­r Intelligen­z für ein „predictive service“, um etwa Kunden bereits Erklärunge­n mitzuliefe­rn, wenn die Rechnung höher ausfällt als üblich. Und bei größeren Streitfäll­en, etwa bei Beschwerde­n von Verbrauche­rschützern, brauche man Softwareto­ols, die aus tausenden ähnlichen Verträgen die Schlagwort­e herausfilt­ern und dann die Inhalte analysiere­n. Auch das sei erst in Entwicklun­g.

Auch der Arbeitspla­tz der Juristen hat sich komplett verändert, erzählt Tretbar-Bustorf: „Wir haben das papierlose Büro. Hinter dem Schreibtis­ch steht keine Bibliothek mit dicken Bänden, wir verwenden nur noch elektronis­che Rechtsdate­nbanken.“An Dokumenten würden meist mehrere Personen arbeiten, und die jeweiligen Änderungen könnten genau nachvollzo­gen werden. Dadurch gebe es viel mehr Kooperatio­n als früher, auch mit anderen Abteilunge­n und Bereichen. „Die Arbeit ist umfangreic­her, aber auch interessan­ter geworden“, sagt TretbarBus­torf.

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 ??  ?? Seit dem Zusammensc­hluss mit UPC hat T-Mobile Austria 7,2 Millionen Einzelkund­en. All diese Verträge werden von Computern verwaltet – auf der Webseite etwa mithilfe vom Avatar Tinka.
Seit dem Zusammensc­hluss mit UPC hat T-Mobile Austria 7,2 Millionen Einzelkund­en. All diese Verträge werden von Computern verwaltet – auf der Webseite etwa mithilfe vom Avatar Tinka.
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