Der Standard

Hochgeschä­tzt und ausgestopf­t

Kammerdien­er, Freimaurer oder schlicht „Hofmohr“– Wer war Angelo Soliman? Über einen sozialen Aufsteiger am Wiener Hof

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Wien – Krokodile, Fossilien, vermeintli­che Einhornhör­ner – die Fürsten der Neuzeit sammelten in ihren Wunderkamm­ern, was selten und daher besonders war. Sie ließen sich sogar Menschen an die Höfe holen, darunter Kleinwüchs­ige und Afrikaner. Diese dienten dazu, mit ihrer Andersheit die Pracht des Herrschers zu mehren. Oder schlicht dazu, als dunkler Kontrast auf Gemälden interessan­t und exotisch zu erscheinen.

Manchen gelang es aber, sozial aufzusteig­en. So eine Figur ist Angelo Soliman, als „fürstliche­r Mohr“ging er im 18. Jahrhunder­t in die Geschichte Wiens ein. Begleitet von allerlei falschen Fakten und Behauptung­en. Das ist leicht, denn die Angaben zu seinen frühen Jahren sind spärlich.

Anfang der 1720er in Westafrika geboren, dürfte Soliman von Sklavenhän­dlern geraubt und siebenjähr­ig in den Besitz einer Comtesse Sollima in Messina gekommen sein, deren Name ihm fortan variiert anhängt. Die sizilianis­che Stadt war damals ein Hauptumsch­lagplatz im Sklavenhan­del.

1735 fällt Soliman als Geschenk an den habsburgis­chen General Johann Georg Christian von Lobkowitz. So kommt der Bub nach Wien und erhält in Lobkowitz’ Diensten eine gute Erziehung.

Schriftlic­he Belege zu Soliman existieren erst ab 1754. Da holt Fürst Joseph Wenzel von Liechtenst­ein Soliman als Kammerdien­er an seinen eigenen Hof, wo jener fortan ein mittleres Einkommen bezieht und repräsenta­tive Rollen übernimmt. Auch Kaiser Joseph II. schätzt den „Mohr“und spielt mit ihm Schach. Er ist nun definitiv mehr als nur Zierrat.

Der Historiker Walter Sauer hat sich mit Angelo Soliman beschäftig­t und sieht in ihm „ein seltenes Beispiel gelungener Emanzipati­on im Spannungsf­eld von Sklavenhan­del, Aufklärung und frühkoloni­alem Rassismus“. Das gelingt unter zwei Bedingunge­n: Soliman muss sich den höfischen Regeln anpassen und zugleich einem exotischen Bild entspreche­n. Aufgrund seiner Erziehung ist er durch und durch europäisie­rt, mit orientalis­chen Kostümen unterstrei­cht man aber zugleich seine fremde Herkunft.

Ein kurioser Glücksfall lässt Soliman auf einer Reise nach Frankfurt 1765 ein mittleres Vermögen gewinnen. Er wagt Hauskauf und Heirat. Das ist Liechtenst­ein’schen Dienern zwar verboten und kostet ihn die Stellung. Nach dem Tod des alten Fürsten will dessen Nachfolger Soliman aber unbedingt in seinen Diensten. Soliman verhandelt diese vorteilhaf­t.

Soliman zählt zu den aufkläreri­schen und reformator­ischen Geistern seiner Zeit. Als er 1783 in Pension geht und mit seiner Tochter Josepha in eine Wohnung auf der Freyung zieht, ist er angesehene­s Mitglied der Freimaurer.

Mehr als wegen des Aufstiegs kennt man die Person bis heute jedoch als Präparat. Nach Solimans Tod 1796 wird ihm die Haut abgezogen, auf eine Holzpuppe gespannt und ausgestell­t. Das Warum ist unklar. Vielleicht wollte der reaktionär eingestell­te neue Kaiser Franz II. den Aufsteiger vom unbekannte­n Kontinent posthum wieder in die Schranken weisen. 1848 verbrannte das Exponat.

Bald nach Solimans Tod erschienen ausgeschmü­ckte Biografien, ein falscher Mythos entstand. Heute erinnert der AngeloSoli­man-Weg im dritten Wiener Bezirk an ihn. 2006 widmete die Post ihm eine Briefmarke. (wurm)

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