Kraulen lernen, Würste machen
Momentan gibt es in der sozialen Blase zwei Trends. Sie machen einen bezüglich eventuell gemeinsam geplanter Freizeitgestaltung nicht unbedingt froh. Eine Hälfte des Freundeskreises ist endgültig aus den Wäldern zurückgekehrt, weil man außer vielleicht noch ein, zwei Kilo Totentrompeten den armen Rehlein längst schon alle Schwammerl weggestohlen und diese für den Winter getrocknet, eingekocht oder schockgefrostet hat.
Achtung, eine wichtige Durchsage: Beim Designermesserhändler gleich in der Nähe des Bobobäckers gibt es derzeit die obligaten Pilzmesser der französischen Firma Laguiole im Sonderangebot! Sie sind definitiv für den Kampfeinsatz in sozialen Brennpunkten der Stadt aufgrund ihrer gebogenen Klingenform nicht geeignet. Schwammerlsucher kommen in Frieden! Allerdings sind Laguioles ein ideales Weihnachtsgeschenk für Innenstadtbewohner, die wie zärtliche Holzfäller aussehen, also den Bart fassonieren lassen und das Haupthaar fesch gescheitelt tragen. Ich bin mir sicher, wir alle kennen davon einige Exemplare.
Nach den Schwammerln ist nun also die stillste Zeit des Jahres angebrochen. Man bäckt daheim ehrliches Bauernbrot aus Sauerteig (der Bobobäcker ist grad ein bisschen out). Würste und Pasteten aus Rotwild werden produziert, Weidenkörbe geflochten und Besen gebunden. Gute alte, im Freilichtmuseum im Workshop gelernte Handwerkskunst. Ja, warum denn am Wochenende draußen auf dem Land auf dem Bauernmarkt sinnlos Geld für Produkte aus Billiglohnländern hinauswerfen?!
Die andere Hälfte der Blase ist zwar beim Schwammerlsuchen auch gern dabei. Immerhin stehen am Waldrand gern Ausflugsgasthäuser herum. Und auch zum gemeinsamen Ganslessen in der Stadt braucht man keine übertriebene Überredungskunst aufbieten.
Anstatt wie früher die Mühsal des Tages in einer innerstädtischen Selchkammer abbeizen zu lassen oder zumindest gemütlich in der Sauna abzuhängen, finden sich in den sozialen Medien allerdings immer mehr Selfies gehetzt wirkender Best-Agers, die ihre Grenzen beim Sport ausloten. Immerhin erreichen einen noch manchmal Hilferufe via SMS: „Kraulkurs vorbei, bin in der Bar, mir tut alles weh. Bitte, komm!“