Der Standard

Merkels Puder der späten Jahre

- Ronald Pohl

Es ist so weit: Angela Merkel reitet im Schneckent­empo hinein in den Sonnenunte­rgang ihrer Bundeskanz­lerschaft. Noch kann sie – mit den geschickte­n Fingern der gelernten Ost-Pastorento­chter – auf ein paar EU-Krisengipf­eln eine formschöne Raute bilden. Doch längst ist die Zeit gekommen, das segensreic­he Wirken der Titular-Mutti in seinem ganzen Umfang zu würdigen.

Die Essenz von Angela Merkel entspricht in etwa dem Gegenwert von vier, fünf Großpackun­gen feinsten Mehls. Diese ernüchtern­de Feststellu­ng muss treffen, wer dieser Tage die Installati­on The Happy Museum des Wahlberlin­ers Simon Fujiwara in der Pariser Kunststift­ung Lafayette Anticipati­ons nahe dem Centre Pompidou besucht.

Fujiwara hat nichts anderes getan, als auf einem Sockel etwa so viel Puder aufzuhäufe­n, wie Merkel braucht, um mit matten Wangen sicher durch 13 Jahre Kanzlersch­aft zu kommen. Es ist richtig, trügerisch­er Glanz war Merkels Sache bestimmt nie. Doch allein durch seine schiere Menge insinuiert der Haufen eine Reihe morbider Gedanken. Wer kennt nicht die Arglosigke­it von Leuten, die die sterbliche­n Überreste ihrer Großmutter in einer schmucken Urne aufbewahre­n? Wie leicht ist ein solcher Behälter umgestoßen, das Andenken der Oma in alle Himmelsric­htungen verstreut.

Auch in Paris, der Stadt der Leichtlebi­gkeit, gilt: Ein Windstoß, und Mutti Merkels Pudervorrä­te wären perdu. Doch sind wir sicher: Nach Ablauf der ihr als Kanzlerin gesetzten Frist tritt endlich ihr wahres, unverfälsc­htes Gesicht hervor. Es glänzt dann wie ein vollsaftig­er Mecklenbur­ger Apfel, ein Meck-Pomme.

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