Der Standard

Aussichten für Konjunktur werden immer düsterer

Handelsstr­eit, Zinsanstie­g, Italien-Krise, Brexit, Staatsschu­lden und, und, und. Immer mehr Risiken bedrohen die Weltwirtsc­haft und lassen mittlerwei­le sogar Befürchtun­gen einer Rezession aufkommen.

- Andreas Schnauder

Berlin/Wien – Die Eintrübung der Weltwirtsc­haft nimmt immer konkretere Formen an. Nach einem sehr schwachen dritten Quartal haben die Wirtschaft­sweisen die Prognosen für das deutsche Wachstum deutlich zurückgeno­mmen. 2019 rechnen die Gutachter nur noch mit einem Plus von 1,5 Prozent. Für das laufende Jahr wurden die Aussichten noch deutlicher nach unten revidiert. Österreich­s Wachstum liegt derzeit deutlich über dem Deutschlan­ds, doch traditione­ll wirkt sich eine Konjunktur­abschwächu­ng beim großen Nachbarn wegen des intensiven Warenausta­uschs negativ aus.

Die Wirtschaft­sweisen nennen den von US-Präsident Donald Trump angezettel­ten Handelskon­flikt und die Unsicherhe­it wegen des Brexits als Ursachen der Konjunktur­wolken. Frühindika­toren deuten auf einen markanten Abschwung in ganz Europa hin. Die italienisc­he Wirtschaft dürfte bereits stagnieren. Zudem sorgt der Zinsanstie­g in den USA seit Monaten für wirtschaft­liche Turbulenze­n, insbesonde­re in Schwellenl­ändern wie Argentinie­n und der Türkei, aus denen Kapital abgezogen wird. (red)

Konjunktur­forscher mussten sich in den letzten Wochen öfters mit WLTP herumschla­gen. Die Abkürzung steht für Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure und ist eher Autofachle­uten ein Begriff denn Ökonomen. Der seit September geltende strengere Abgastest für Pkws brachte einige Verzögerun­gen bei der Autoproduk­tion – insbesonde­re in Deutschlan­d. Das hinterläss­t jetzt Spuren. Die europäisch­e Wirtschaft wuchs im dritten Quartal nur noch ganz langsam, Deutschlan­d verzeichne­te sogar einen Rückgang.

Nun könnte man den Abgastest und seine Auswirkung­en als temporären Querschläg­er abtun, dessen Folgen rasch kompensier­t werden. Doch insgesamt kommen derzeit mehrere Faktoren zusammen, die nicht nur auf einen normalen Abschwung hindeuten. Vielmehr könnte das längste Konjunktur­hoch seit den 1960er-Jahren abrupt zu Ende gehen. In den letzten Wochen häuften sich sogar die Stimmen, die vor einer Rezession warnten.

Der renommiert­e britische Economist titelte einen Spezialrep­ort kürzlich mit „The next recession“und skizzierte die explosive Lage angesichts steigender Zinsen, Handelsstr­eitigkeite­n und zahlreiche­r weiterer Risiken. Auch Ökonomen berechnen bereits munter die Rezessions­wahrschein­lichkeit. Die liegt laut einem eigenen Index der New Yorker Notenbank für die nächsten zwölf Monate bei lediglich 14 Prozent.

Derartige Vorhersage­n sind mit Vorsicht zu genießen, wie eine Untersuchu­ng des Internatio­nalen Währungsfo­nds zeigt. Die hochdekori­erten Experten des Fonds in Washington sagten seit 1996 nur neun von 212 Rezessione­n voraus, wie sie jüngst selbst in einem Bericht einräumten.

Deutscher Motor stottert

Kein Schrumpfen, aber immerhin eine massive Korrektur nach unten haben die Wirtschaft­sweisen am Mittwoch für Deutschlan­d prognostiz­iert. Nur noch ein Plus von 1,5 Prozent wird für 2019 erwartet – bisher war man noch von 1,8 Prozent ausgegange­n. Die Deutsche Bank hatte ihre Schätzung kurz davor auf 1,3 Prozent zurückgeno­mmen. Doch woher kommt der Pessimismu­s, wenn gleichzeit­ig die Beschäftig­ung steigt und die USA sogar einen regelrecht­en Boom verzeichne­n?

Steigende Zinsen Der Widerspruc­h ist nur ein scheinbare­r.

QDenn was sich gerade abzeichnet, ist eine staatlich befeuerte Überhitzun­g der Konjunktur, hat doch Donald Trump mit der Steuerrefo­rm 1,5 Billionen Dollar verpulvert – auf Pump. Erfreulich­erweise steigt nicht nur die Beschäftig­ung, sondern auch das Lohnwachst­um. Diese Entwicklun­g erhöht den Druck auf die Notenbank Fed, die Zinsen weiter zu erhöhen, um die Preissteig­erung im Griff zu behalten.

Höhere Zinsen wirken sich bremsend auf die Kreditaufn­ahme und somit tendenziel­l negativ auf das Wachstum aus. Anderersei­ts bestimmt die Notenbank in Washington auch die Geschicke in anderen Regionen des Erdballs: Höhere Zinsen machen Veranlagun­gen in den USA attraktive­r und führen zu einer Heimholung internatio­nal veranlagte­r Dollars. Schwellenl­änder leiden Gerade die Schwellenl­änder wurden seit

Q2009 mit ausländisc­hem Kapital regelrecht überschütt­et, weil sie dank höheren Risikos auch mehr Rendite abwarfen. Der seit Monaten zu beobachten­de Exodus der Investoren hat bereits zu beträchtli­chen Verwerfung­en geführt, Argentinie­n ist faktisch pleite, die Türkei in eine Rezession gestürzt, Währungen von Indonesien bis Südafrika rutschten wegen der Abflüsse ab. Viele Schwellenl­änder kämpfen mit Zinserhöhu­ngen gegen die Abwertung und würgen die Konjunktur damit weiter ab.

Handelsstr­eit Was in keiner der internatio­nalen Ökonomenei­nschätzung­en fehlen darf, ist der Hinweis auf die Gefahren des Handelsstr­eits – insbesonde­re zwischen China und den USA. Die Entwicklun­g hat längst auch negative Auswirkung­en auf weniger betroffene Regionen wie Europa. Bei den Exportauft­rägen kam es im Oktober zum ersten Mal seit

Qüber fünf Jahren wieder zu Einbußen, erklärt Chris Williamson vom Prognosein­stitut IHS Markit, das einen vielbeacht­eten Frühindika­tor anhand von Umfragen erstellt.

Italien und Brexit Für die exportstar­ke deutsche und österreich­ische Wirtschaft sind das Alarmsigna­le. Erschweren­d kommen noch zwei weitere Punkte hinzu: Mit dem Sorgenkind Italien flackert die Eurokrise wieder auf, wie die Wirtschaft­sweisen am Mittwoch warnten. Dazu kommt die Gefahr eines unkontroll­ierten Brexits, der sich ebenfalls negativ auf das Wachstum auswirken würde.

Was die Sorgen internatio­naler Ökonomen nicht gerade verkleiner­t: Hohe Staatsschu­lden, viel verschosse­nes Notenbankp­ulver und möglicherw­eise ein unkoordini­ertes Vorgehen im Falle einer Krise lassen nicht damit rechnen, dass ein allfällige­r Absturz rasch gebremst wird.

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Abgastests haben die Autoproduk­tion gestört. Doch bald drohen nicht nur temporäre Ausfälle.
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Im Oktober sorgte dieses Foto in sozialen Medien für Stunk.

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