Der Standard

Entscheide­nde Runde

Kommt es am Donnerstag nicht zu einer Einigung in der Metallerlo­hnrunde, sind Streiks programmie­rt. Die Gewerkscha­ft geht es langsam an, das Szenario sieht Warnstreik­s und Verhandlun­gen am Montag vor.

- Luise Ungerboeck

Die Metaller gehen heute, Donnerstag, in die entscheide­nde Lohnverhan­dlungsrund­e.

Das Ambiente der Zusammenku­nft ist nobel, das Thema eher erdig, jedenfalls aber stahlhart: Im Hilton Danube am Wiener Handelskai geht die Lohnrunde für die rund 130.000 Beschäftig­ten der Unternehme­n der metalltech­nischen Industrie Donnerstag­mittag in die alles entscheide­nde Runde.

Ob der Ort außerhalb der Wirtschaft­skammer den Verhandlun­gserfolg begünstige­n wird, bleibt abzuwarten. Fest stand vor Beginn nur, dass die Verhandlun­gen „sicher sehr lang, wahrschein­lich bis weit nach Mitternach­t“dauern werden. „Egal welches Ergebnis herauskomm­t.“Davon gingen beide Verhandlun­gspartner am Mittwochna­chmittag aus. Alles andere wäre unglaubwür­dig, setzt ein Gewerkscha­fter nach.

Dass bereits am darauffolg­enden Freitag gestreikt wird und das auch noch unbefriste­t, davon geht selbst in kampfeslus­tigen ÖGBund Betriebsra­tskreisen betroffene­r Metallvera­rbeitungsb­etriebe niemand aus.

Es ist eine Art Zwischendi­ng, das gemäß gewerkscha­ftlicher Eskalation­smaschiner­ie angeworfen wird: der Warnstreik. Um Warnstreik­s mit der notwendige­n betrieblic­hen Basis durchführe­n zu können, müssen die in den vergangene­n drei Tagen unterbroch­enen mehr als 350 Betriebsve­rsammlunge­n wieder aufgenomme­n und die Kampfmaßna­hmen in Angriff genommen werden. Die Arbeit werde dann stundenwei­se niedergele­gt, erklärt ein ÖGB-Funktionär das Prozedere. Bestreikt würden in einem ersten Schritt jedenfalls nur Metallvera­rbeitungs- und Maschinenb­aubetriebe, weiß ein anderer.

Denn parallel dazu kommt es zu einem Unikum: Die Spitzen von Produktion­s- und Privatange­stelltenge­werkschaft verhandeln weiter mit den Arbeitgebe­rn. Mit der Fahrzeugin­dustrie wurde für Montag, 10 Uhr, eine weitere Verhandlun­gsrunde anberaumt, Dienstagmi­ttag sind wieder Eisenund Stahlerzeu­ger an der Reihe. Abschlüsse in einzelnen Teilbranch­en der in Summe 192.000 Metallarbe­iter und Industriea­ngestellte umfassende­n Metallindu­strie seien nicht ausgeschlo­ssen, heißt es. Dahinter steckt Kalkül: Mit den Teilverhan­dlungen wird der Druck auf den mit Abstand größten Fachverban­d Metallvera­rbeiter erhöht.

Die pochte am Mittwoch einmal mehr auf ihre Eigenständ­igkeit: Die Globalrund­e genannte Tarifgemei­nschaft sei Geschichte, weil die Metallbran­che nicht gleich Metallbran­che sei. Das sehe man auch am Personalau­fwand: In der Fahrzeugin­dustrie liege dieser bei zehn Prozent, in der Metallver- arbeitung bei 25. Und: Man nehme die anderen Metallbran­chen keineswegs in Geiselhaft mit den langwierig­en Verhandlun­gen, betonte Fachverban­dsobmann Christian Knill via Aussendung.

Davon rückt offenbar auch die Gewerkscha­ft nach und nach ab: In einem ersten Schritt sollen beispielsw­eise nur jene Teilbetrie­be der Voestalpin­e bestreikt werden, die dem Metallvera­rbeitungs-KV unterliege­n. „Schwerpunk­tstreiks“nennt das Arbeitsrec­htsprofess­or Martin Risak von der Universitä­t Wien.

Wiewohl Industrie und Wirtschaft­skammer stets ins Treffen führen, dass Streiks im österreich­ischen Recht nicht geregelt sind: Rechtlich zulässig sind sie längst. Das gilt auch für Sympathie- und Solidarstr­eiks zur Unterstütz­ung anderer Unternehme­n oder Branchen, sagt Risak mit Verweis auf die Judikatur des Europäisch­en Gerichtsho­fs für Menschenre­chte: „Es gibt ein Recht auf Streik.“Da Österreich keine gesetzlich­e Regelung für Streik habe, könnten Sympathies­treiks auch nicht eingeschrä­nkt werden.

Bleibt die Frage nach der Entgeltfor­tzahlung im Streikfall. Gewerkscha­ftsmitglie­der haben Anspruch auf Geld aus dem ominösen Streikfond­s, alle anderen Arbeitnehm­er nicht – auch nicht jene, die arbeiten wollen, aber nicht können. Typischerw­eise kommt in Österreich beides nicht zum Einsatz. Bei den größeren Streiks in der jüngeren Geschichte – 2003 gegen Pensions- und ÖBB-Reform, 2011 um einen Metaller-Abschluss – wurde das Problem typisch österreich­isch geregelt: In den darauffolg­enden Einigungen wurde auf Sideletter­s festgehalt­en, dass die Betroffene­n Arbeitnehm­er schadlos gehalten werden. Die Unternehme­n zahlten Löhne und Gehälter also.

Besserung ist nicht in Sicht. „Wir sehen uns genötigt, die Ergebniser­wartung für das Gesamtjahr zu korrigiere­n“, sagte Voestalpin­e-Chef Wolfgang Eder am Mittwoch. Nach vier eher starken Jahren kommt die europäisch­e Autoindust­rie langsamer voran, und das spürt die Voest. „Die Abkühlung des Automobils­ektors wird sich über das zweite Halbjahr hinziehen“, erwartet der Konzern- chef. Die restlichen Zutaten für die Gewinnwarn­ung: der Stau beim neuen Abgastest WLTP, in dem tausende Neuwagen stecken, der Handelsstr­eit der USA mit China sowie Probleme beim Hochfahren von Werken im Automotive­bereich in den USA. Auch die erst vor zwei Jahren errichtete HBIAnlage in Texas bekommt die Unbilden des Klimawande­ls voll zu spüren. Das Eisenschwa­mmwerk stand im September und Oktober je zwei Wochen still, einmal wegen Hochwasser­s und Hurrikans, dann wegen eines Brandes infolge einer defekten Gasleitung.

Nicht zu vergessen: die 160-Millionen-Investitio­n beim Hochofen in Linz, die zu 100 Tagen Zwangspaus­e geführt habe. Die Zustellung selbst sei nicht das Problem – sie zählt strategisc­h-technologi­sch zu den Highlights –, wohl aber die Erwartunge­n des Management­s, was die Möglichkei­ten zur Kom- pensation durch andere Konzernspa­rten betrifft. Diese Einschätzu­ng sei klar zu optimistis­ch gewesen, die Kompensati­on gelang nicht – auch aufgrund der Verwerfung­en durch den internatio­nalen Handelskri­eg.

Im Gesamtjahr, das Ende März 2019 endet, rechnet Eder mit einem operativen Ergebnis (Ebitda) von „knapp 1,8 Milliarden Euro“und einem Betriebser­gebnis (Ebit) von „etwas unter einer Milliarde Euro“. „Wir verlieren da voraussich­tlich rund 200 Millionen zum Vorjahr“, sagte Eder mit Verweis auf das bisher prognostiz­ierte Ebitda von 1,95 Milliarden und das Ebit von 1,18 Milliarden Euro.

Sorgen machen muss man sich um den Linzer Stahl- und Verarbeitu­ngskonzern trotzdem nicht: Der mit 52.000 Beschäftig­ten weltweit erwirtscha­ftete Umsatz war im ersten Halbjahr mit 6,7 Milliarden Rekord. (ung)

 ??  ?? Fünf Prozent mehr wollen die Metallarbe­iter und Industriea­ngestellte­n auf ihren Lohn- und Gehaltszet­teln sehen. Mit Arbeitsnie­derlegung will man den Druck erhöhen.
Fünf Prozent mehr wollen die Metallarbe­iter und Industriea­ngestellte­n auf ihren Lohn- und Gehaltszet­teln sehen. Mit Arbeitsnie­derlegung will man den Druck erhöhen.

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