Entscheidende Runde
Kommt es am Donnerstag nicht zu einer Einigung in der Metallerlohnrunde, sind Streiks programmiert. Die Gewerkschaft geht es langsam an, das Szenario sieht Warnstreiks und Verhandlungen am Montag vor.
Die Metaller gehen heute, Donnerstag, in die entscheidende Lohnverhandlungsrunde.
Das Ambiente der Zusammenkunft ist nobel, das Thema eher erdig, jedenfalls aber stahlhart: Im Hilton Danube am Wiener Handelskai geht die Lohnrunde für die rund 130.000 Beschäftigten der Unternehmen der metalltechnischen Industrie Donnerstagmittag in die alles entscheidende Runde.
Ob der Ort außerhalb der Wirtschaftskammer den Verhandlungserfolg begünstigen wird, bleibt abzuwarten. Fest stand vor Beginn nur, dass die Verhandlungen „sicher sehr lang, wahrscheinlich bis weit nach Mitternacht“dauern werden. „Egal welches Ergebnis herauskommt.“Davon gingen beide Verhandlungspartner am Mittwochnachmittag aus. Alles andere wäre unglaubwürdig, setzt ein Gewerkschafter nach.
Dass bereits am darauffolgenden Freitag gestreikt wird und das auch noch unbefristet, davon geht selbst in kampfeslustigen ÖGBund Betriebsratskreisen betroffener Metallverarbeitungsbetriebe niemand aus.
Es ist eine Art Zwischending, das gemäß gewerkschaftlicher Eskalationsmaschinerie angeworfen wird: der Warnstreik. Um Warnstreiks mit der notwendigen betrieblichen Basis durchführen zu können, müssen die in den vergangenen drei Tagen unterbrochenen mehr als 350 Betriebsversammlungen wieder aufgenommen und die Kampfmaßnahmen in Angriff genommen werden. Die Arbeit werde dann stundenweise niedergelegt, erklärt ein ÖGB-Funktionär das Prozedere. Bestreikt würden in einem ersten Schritt jedenfalls nur Metallverarbeitungs- und Maschinenbaubetriebe, weiß ein anderer.
Denn parallel dazu kommt es zu einem Unikum: Die Spitzen von Produktions- und Privatangestelltengewerkschaft verhandeln weiter mit den Arbeitgebern. Mit der Fahrzeugindustrie wurde für Montag, 10 Uhr, eine weitere Verhandlungsrunde anberaumt, Dienstagmittag sind wieder Eisenund Stahlerzeuger an der Reihe. Abschlüsse in einzelnen Teilbranchen der in Summe 192.000 Metallarbeiter und Industrieangestellte umfassenden Metallindustrie seien nicht ausgeschlossen, heißt es. Dahinter steckt Kalkül: Mit den Teilverhandlungen wird der Druck auf den mit Abstand größten Fachverband Metallverarbeiter erhöht.
Die pochte am Mittwoch einmal mehr auf ihre Eigenständigkeit: Die Globalrunde genannte Tarifgemeinschaft sei Geschichte, weil die Metallbranche nicht gleich Metallbranche sei. Das sehe man auch am Personalaufwand: In der Fahrzeugindustrie liege dieser bei zehn Prozent, in der Metallver- arbeitung bei 25. Und: Man nehme die anderen Metallbranchen keineswegs in Geiselhaft mit den langwierigen Verhandlungen, betonte Fachverbandsobmann Christian Knill via Aussendung.
Davon rückt offenbar auch die Gewerkschaft nach und nach ab: In einem ersten Schritt sollen beispielsweise nur jene Teilbetriebe der Voestalpine bestreikt werden, die dem Metallverarbeitungs-KV unterliegen. „Schwerpunktstreiks“nennt das Arbeitsrechtsprofessor Martin Risak von der Universität Wien.
Wiewohl Industrie und Wirtschaftskammer stets ins Treffen führen, dass Streiks im österreichischen Recht nicht geregelt sind: Rechtlich zulässig sind sie längst. Das gilt auch für Sympathie- und Solidarstreiks zur Unterstützung anderer Unternehmen oder Branchen, sagt Risak mit Verweis auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte: „Es gibt ein Recht auf Streik.“Da Österreich keine gesetzliche Regelung für Streik habe, könnten Sympathiestreiks auch nicht eingeschränkt werden.
Bleibt die Frage nach der Entgeltfortzahlung im Streikfall. Gewerkschaftsmitglieder haben Anspruch auf Geld aus dem ominösen Streikfonds, alle anderen Arbeitnehmer nicht – auch nicht jene, die arbeiten wollen, aber nicht können. Typischerweise kommt in Österreich beides nicht zum Einsatz. Bei den größeren Streiks in der jüngeren Geschichte – 2003 gegen Pensions- und ÖBB-Reform, 2011 um einen Metaller-Abschluss – wurde das Problem typisch österreichisch geregelt: In den darauffolgenden Einigungen wurde auf Sideletters festgehalten, dass die Betroffenen Arbeitnehmer schadlos gehalten werden. Die Unternehmen zahlten Löhne und Gehälter also.
Besserung ist nicht in Sicht. „Wir sehen uns genötigt, die Ergebniserwartung für das Gesamtjahr zu korrigieren“, sagte Voestalpine-Chef Wolfgang Eder am Mittwoch. Nach vier eher starken Jahren kommt die europäische Autoindustrie langsamer voran, und das spürt die Voest. „Die Abkühlung des Automobilsektors wird sich über das zweite Halbjahr hinziehen“, erwartet der Konzern- chef. Die restlichen Zutaten für die Gewinnwarnung: der Stau beim neuen Abgastest WLTP, in dem tausende Neuwagen stecken, der Handelsstreit der USA mit China sowie Probleme beim Hochfahren von Werken im Automotivebereich in den USA. Auch die erst vor zwei Jahren errichtete HBIAnlage in Texas bekommt die Unbilden des Klimawandels voll zu spüren. Das Eisenschwammwerk stand im September und Oktober je zwei Wochen still, einmal wegen Hochwassers und Hurrikans, dann wegen eines Brandes infolge einer defekten Gasleitung.
Nicht zu vergessen: die 160-Millionen-Investition beim Hochofen in Linz, die zu 100 Tagen Zwangspause geführt habe. Die Zustellung selbst sei nicht das Problem – sie zählt strategisch-technologisch zu den Highlights –, wohl aber die Erwartungen des Managements, was die Möglichkeiten zur Kom- pensation durch andere Konzernsparten betrifft. Diese Einschätzung sei klar zu optimistisch gewesen, die Kompensation gelang nicht – auch aufgrund der Verwerfungen durch den internationalen Handelskrieg.
Im Gesamtjahr, das Ende März 2019 endet, rechnet Eder mit einem operativen Ergebnis (Ebitda) von „knapp 1,8 Milliarden Euro“und einem Betriebsergebnis (Ebit) von „etwas unter einer Milliarde Euro“. „Wir verlieren da voraussichtlich rund 200 Millionen zum Vorjahr“, sagte Eder mit Verweis auf das bisher prognostizierte Ebitda von 1,95 Milliarden und das Ebit von 1,18 Milliarden Euro.
Sorgen machen muss man sich um den Linzer Stahl- und Verarbeitungskonzern trotzdem nicht: Der mit 52.000 Beschäftigten weltweit erwirtschaftete Umsatz war im ersten Halbjahr mit 6,7 Milliarden Rekord. (ung)