Zwei Wahlen, zwei Welten
Die US-Demokraten erobern das Repräsentantenhaus, aber im Senat sind Trumps Republikaner gestärkt. Der Kampf in Washington dürfte noch härter werden.
Washington – Mittwochmorgen, nach den Teilwahlen zum USKongress (Midterm-Elections), präsentierte sich das politische Amerika verändert: Der Verlust der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus an die Demokraten bedeutet für Präsident Donald Trump, künftig mehr auf den politischen Gegner Rücksicht nehmen zu müssen. Dennoch sprach er von einem Sieg, immerhin baute die „Grand Old Party“ihre Macht im Senat aus.
Politische Analytiker sehen die USA gespaltener als bisher – Kon- senspolitik wird es im US-Kongress weiterhin nicht geben, die Gräben bleiben tief. Und auch der Wahlkampf für 2020 kündigt sich schon an. (red)
Nancy Pelosi steht an einem Rednerpult, doch bevor sie etwas sagt, führt sie ein Freudentänzchen auf, spontan und mädchenhaft ausgelassen. Es ist spät im Kapitol zu Washington, knapp eine halbe Stunde vor Mitternacht. Die 78 Jahre alte Politikerin hat zwei Enkelsöhne mitgebracht, einer reibt sich vor Müdigkeit die Augen. Ein wenig erinnert die Szene an die Wahlnacht des Novembers 2016, als Donald Trump seinen zehnjährigen Sohn Barron in einen New Yorker Hotelsaal schob, um mitten in der Nacht seinen Überraschungssieg über Hillary Clinton zu feiern.
„Speaker! Speaker! Speaker!“, skandiert die Menge, an die sich Pelosi gleich wenden wird. Ob sie es wird, Sprecherin, also Chefin des Repräsentantenhauses, darüber muss ihre Partei noch entscheiden. Und in der gibt es Stimmen, die halten die Veteranin aus Kalifornien erstens für zu alt und zweitens für zu sehr von der Westküste und zu wenig vom Rust-Belt geprägt, als dass man ihr den Posten anvertrauen sollte.
Die ausgelassene Nancy Pelosi, es ist die Szene des Abends. „Morgen bricht ein neuer Tag in Ame- rika an“, ruft sie, als sie schließlich redet. Bei dieser Wahl, sagt sie, sei es um mehr gegangen als um Demokraten oder Republikaner. Nämlich um die Wiederherstellung der „checks and balances“, um die Möglichkeit, die Regierung Donald Trumps wirksam zu kontrollieren.
„Magie aus den Ohren“
Trump hatte das zunächst noch unvollständige Resultat zu dieser Zeit schon mit einem Tweet kommentiert, wie üblich voller Selbstsicherheit. „Gewaltiger Erfolg heute Abend“, schrieb er, um am Morgen zu wiederholen, was ein konservativer Kolumnist noch großspuriger geschrieben hatte. „Herr Trump hat etwas Magisches an sich. Dem Mann kommt die Magie aus den Ohren.“Die Republikaner könnten sich glücklich schätzen, einen so erstaunlichen Wahlkämpfer in ihren Reihen zu haben.
Es ist, als wären an diesem 6. November zwei verschiedene Wahlen über die Bühne gegangen, und das stimmt in gewisser Weise ja auch. Die Demokraten haben den Republikanern die Mehrheit im Abgeordnetenhaus abgenom- men. Die Republikaner wiederum haben ihre Mehrheit im Senat nicht nur behauptet, sondern noch ausgebaut. Mike Allen, Gründer von Axios, einer für Washington-Insider unverzichtbaren Onlineplattform, bringt es auf den Punkt: Die Midterms hätten einen gespaltenen Kongress produziert, symbolisch für die Spaltung des Landes.
Die Demokraten mussten netto 23 Mandate im Abgeordnetenhaus hinzugewinnen, um die Mehrheit zu bilden. Die Hürde haben sie relativ locker genommen, vor allem weil die Frauen der Mittelschicht in Suburbia, im prosperierenden Vorortmilieu, aufbegehrten gegen einen Präsidenten, für den sie sich schämen – wegen seiner Sprache, seiner Lügen, seiner Verharmlosung sexueller Übergriffe.
„The Year of the Woman“lautet tags darauf eine oft wiederholte Medienschlagzeile. Das liegt auch an einem neuen Rekord: Wenn das Endergebnis feststeht, dürften mindestens 100 Frauen im Repräsentantenhaus mit seinen 435 Sitzen vertreten sein, darunter erstmals zwei Musliminnen, Rashida Tlaib aus Michigan und Ilhan Omar aus Minnesota.