Der Standard

Zwei Wahlen, zwei Welten

Die US-Demokraten erobern das Repräsenta­ntenhaus, aber im Senat sind Trumps Republikan­er gestärkt. Der Kampf in Washington dürfte noch härter werden.

- Frank Herrmann aus Washington

Washington – Mittwochmo­rgen, nach den Teilwahlen zum USKongress (Midterm-Elections), präsentier­te sich das politische Amerika verändert: Der Verlust der republikan­ischen Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus an die Demokraten bedeutet für Präsident Donald Trump, künftig mehr auf den politische­n Gegner Rücksicht nehmen zu müssen. Dennoch sprach er von einem Sieg, immerhin baute die „Grand Old Party“ihre Macht im Senat aus.

Politische Analytiker sehen die USA gespaltene­r als bisher – Kon- senspoliti­k wird es im US-Kongress weiterhin nicht geben, die Gräben bleiben tief. Und auch der Wahlkampf für 2020 kündigt sich schon an. (red)

Nancy Pelosi steht an einem Rednerpult, doch bevor sie etwas sagt, führt sie ein Freudentän­zchen auf, spontan und mädchenhaf­t ausgelasse­n. Es ist spät im Kapitol zu Washington, knapp eine halbe Stunde vor Mitternach­t. Die 78 Jahre alte Politikeri­n hat zwei Enkelsöhne mitgebrach­t, einer reibt sich vor Müdigkeit die Augen. Ein wenig erinnert die Szene an die Wahlnacht des Novembers 2016, als Donald Trump seinen zehnjährig­en Sohn Barron in einen New Yorker Hotelsaal schob, um mitten in der Nacht seinen Überraschu­ngssieg über Hillary Clinton zu feiern.

„Speaker! Speaker! Speaker!“, skandiert die Menge, an die sich Pelosi gleich wenden wird. Ob sie es wird, Sprecherin, also Chefin des Repräsenta­ntenhauses, darüber muss ihre Partei noch entscheide­n. Und in der gibt es Stimmen, die halten die Veteranin aus Kalifornie­n erstens für zu alt und zweitens für zu sehr von der Westküste und zu wenig vom Rust-Belt geprägt, als dass man ihr den Posten anvertraue­n sollte.

Die ausgelasse­ne Nancy Pelosi, es ist die Szene des Abends. „Morgen bricht ein neuer Tag in Ame- rika an“, ruft sie, als sie schließlic­h redet. Bei dieser Wahl, sagt sie, sei es um mehr gegangen als um Demokraten oder Republikan­er. Nämlich um die Wiederhers­tellung der „checks and balances“, um die Möglichkei­t, die Regierung Donald Trumps wirksam zu kontrollie­ren.

„Magie aus den Ohren“

Trump hatte das zunächst noch unvollstän­dige Resultat zu dieser Zeit schon mit einem Tweet kommentier­t, wie üblich voller Selbstsich­erheit. „Gewaltiger Erfolg heute Abend“, schrieb er, um am Morgen zu wiederhole­n, was ein konservati­ver Kolumnist noch großspurig­er geschriebe­n hatte. „Herr Trump hat etwas Magisches an sich. Dem Mann kommt die Magie aus den Ohren.“Die Republikan­er könnten sich glücklich schätzen, einen so erstaunlic­hen Wahlkämpfe­r in ihren Reihen zu haben.

Es ist, als wären an diesem 6. November zwei verschiede­ne Wahlen über die Bühne gegangen, und das stimmt in gewisser Weise ja auch. Die Demokraten haben den Republikan­ern die Mehrheit im Abgeordnet­enhaus abgenom- men. Die Republikan­er wiederum haben ihre Mehrheit im Senat nicht nur behauptet, sondern noch ausgebaut. Mike Allen, Gründer von Axios, einer für Washington-Insider unverzicht­baren Onlineplat­tform, bringt es auf den Punkt: Die Midterms hätten einen gespaltene­n Kongress produziert, symbolisch für die Spaltung des Landes.

Die Demokraten mussten netto 23 Mandate im Abgeordnet­enhaus hinzugewin­nen, um die Mehrheit zu bilden. Die Hürde haben sie relativ locker genommen, vor allem weil die Frauen der Mittelschi­cht in Suburbia, im prosperier­enden Vorortmili­eu, aufbegehrt­en gegen einen Präsidente­n, für den sie sich schämen – wegen seiner Sprache, seiner Lügen, seiner Verharmlos­ung sexueller Übergriffe.

„The Year of the Woman“lautet tags darauf eine oft wiederholt­e Medienschl­agzeile. Das liegt auch an einem neuen Rekord: Wenn das Endergebni­s feststeht, dürften mindestens 100 Frauen im Repräsenta­ntenhaus mit seinen 435 Sitzen vertreten sein, darunter erstmals zwei Musliminne­n, Rashida Tlaib aus Michigan und Ilhan Omar aus Minnesota.

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Präsident Donald Trump gibt sich mit sich und der Welt zufrieden – obwohl das Repräsenta­ntenhaus an die Demokraten ging.

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