„Das Gerangel hat bereits begonnen“
Mark Hallerberg, Professor an der Hertie School of Governance, interpretiert das Wahlergebnis und wagt einen Blick auf die Präsidentschaftswahl 2020.
INTERVIEW:
Nach der Wahl ist vor der Wahl, meint der US-Amerikaner Mark Hallerberg, Professor an der Hertie School of Governance in Berlin. In den nächsten beiden Jahren müsse sich für die Demokraten entscheiden, in welche Richtung sie sich als Partei entwickeln. Die Republikaner jedenfalls würden sich nun stärker um ihren Präsidenten scharen, denn die Moderaten und Skeptiker sind abgewählt.
„Tremendous success tonight. Thank you to all!“So feierte Donald Trump in einem Tweet den republikanischen Wahlerfolg. Wer hat mehr Grund zum Feiern: Republikaner oder Demokraten? Hallerberg: Beide. Aber natürlich ist es eine große Sache für die Demokraten, dass sie jetzt die Mehrheit im Repräsentantenhaus haben. Für mich war es über- raschend, dass die Demokraten angesichts der starken Wirtschaft und der niedrigen Arbeitslosigkeit so stark zugelegt haben. Wie auch immer: Alle republikanischen Kandidaten für den Senat, die Trump in den letzten beiden Wochen im Wahlkampf unterstützt hat, haben gewonnen: Rick Scott in Florida, Kevin Cramer gegen Heidi Heitkamp in North Dakota, Missouri ging an Josh Hawley. Von diesen Senatoren kann er jetzt auch einiges an Loyalität einfordern. Das ist ein Erfolg für ihn.
Welche republikanischen Kandidaten sind es, die im Repräsentantenhaus ihre Sitze abgeben müssen? Hallerberg: Viele von ihnen sind Moderate. Zum Beispiel diejenigen, die Obamacare unterstützt haben. Obwohl jetzt also weniger Re- publikaner im Repräsentantenhaus sitzen, wird die Loyalität dem Präsidenten gegenüber stärker sein.
In der Außen- und Handelspolitik ist allerdings der Senat federführend. Hallerberg: Donald Trump ist ein Präsident, der vieles per Präsidialdekret durchsetzt. Da der Senat nun gestärkt ist, hat Trump hier jetzt ziemlich freie Hand. Umso wichtiger ist es – auch aus europäischer Sicht –, dass das Repräsentantenhaus ihn stärker kontrollieren kann.
Es heißt, am Tag nach der Halbzeitwahl startet der Präsidentschaftswahlkampf. Was bedeutet das für die Demokraten, die derzeit zwischen Moderaten und Linksprogressiven zerrissen sind? Hallerberg: In welche Richtung die Partei sich entwickelt, hängt stark davon ab, welche Kandidaten jetzt aus der Deckung kommen und wer sich durchsetzt. Es könnten bis zu 20 Bewerber werden. Das erinnert ein bisschen an die Situation der Republikaner vor drei Jahren: Donald Trump schaffte es damals als sehr ungewöhnlicher Kandidat, aus der Masse als Sieger hervorzugehen. Ähnliches könnte bei den Demokraten passieren. Das Gerangel um die Kandidatur hat jedenfalls schon begonnen.
Wer beteiligt sich? Hallerberg: Bernie Sanders wird vermutlich wieder antreten, vielleicht auch die kalifornische Senatorin Kamala Harris. Auch Beto O’Rourke würde ich nicht unterschätzen, er hat eine sehr starke finanzielle Basis. Aber auch Kirsten Gillibrand aus New York wird genannt oder Amy Klobuchar, die sich in Minnesota extrem gut geschlagen hat. Auch die Bürgermeisterin von New Orleans, LaToya Cantrell, ist im Gespräch. Auffällig ist, dass die Demokratische Partei immer vielfältiger und bunter wird, genauso wie die Republikaner immer stärker von weißen Männern dominiert und gewählt werden.
MARK HALLERBERG ist US-Amerikaner und lehrt Public Management und Political Economy an der Hertie School of Governance in Berlin.