Der Standard

EVP will Rauswurf von Orbán vermeiden

Ungar nur „Enfant terrible“– Distanz zu Rechtspopu­listen bei EU-Wahl

- Thomas Mayer aus Helsinki

Europas Christdemo­kraten wollen mit einer harten Abgrenzung zu Rechtspopu­listen und EU-Skeptikern in den EU-Wahlkampf 2019 ziehen. Das geht aus einer Resolution hervor, die beim Wahlkongre­ss der Europäisch­en Volksparte­i (EVP), einem Zusammensc­hluss von 67 christdemo­kratischen und konservati­ven Parteien und Gruppen in Europa, am Mittwoch in Helsinki beschlosse­n wurde.

„Die Christdemo­kraten haben an vorderster Front für die Etablierun­g der liberalen Demokratie gekämpft“, heißt es gleich in den ersten Zeilen des Papiers, „basierend auf jüdisch-christlich­en Werten, Rechtsstaa­tlichkeit und Mehrpartei­ensystem, einer starken Zivilgesel­lschaft mit unabhängig­en Medien.“Alle Mitglieder der EVP seien „aufgeforde­rt, diese Werte und Prinzipien zu respektier­en, zu schützen und zu fordern“. Wie EVP-Präsident Joseph Daul am Rande des Kongresses betonte, gehöre es zum Wesen seiner Parteifami­lie, dass Menschenwü­rde, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaa­tlichkeit absolute Gültigkeit hätten, damit sei das gemeinsame Europa nach 1945 aufgebaut worden – mit den Christdemo­kraten in der ersten Reihe.

Die Resolution „zum Schutz der EU-Werte und Sicherung der Demokratie“sei auch als direkte Anweisung an jene Mitglieder gerichtet, die daran zuletzt Zweifel gesät hätten – voran die ungarische Fidesz von Viktor Orbán, hieß es in der EVP-Spitze. Der ungarische Premiermin­ister und seine Partei sind zwar nicht direkt als Abweichler von den Grundsätze­n angeführt; aber der zweiseitig­e Text streicht auch überdeutli­ch hervor, was bzw. wer damit gemeint ist: „Wir sind ernsthaft besorgt über die wachsenden Beschränku­ngen von Verfassung­en, der Verfassung­ssysteme, der Unabhängig­keit der Justiz, beim Kampf gegen die Korruption, bei der Medienfrei­heit und der Zivilgesel­lschaft in einigen Mitgliedst­aaten.“Das geht direkt gegen Or- bán, dem praktisch alle diese Verstöße seit Jahren vorgeworfe­n werden und gegen dessen Regierung die EU-Kommission mit Klagen beim Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) vorging. Seinem Liebäugeln mit der „illiberale­n Demokratie“halten die 758 EVP-Delegierte­n in der Resolution mehrheitli­ch entgegen: „Populismus und Nationalis­mus sind nicht mit Fortschrit­t, Demokratie und Rechtsstaa­tlichkeit vereinbar.“

Unmittelba­re Folgen haben diese Festlegung­en für die Fidesz und Orbán freilich nicht, wie EVP-Chef Daul vor Journalist­en erklärte. Der ungarische Premier, sagte der Franzose, sei ein „enfant terrible“, ein schrecklic­hes Kind, um das man sich kümmern wolle. Gleichwohl bleibe Orbán „ein Familienmi­tglied“. Die EVP unterstütz­e aber alle EU-Verfahren, die gegen Ungarn liefen. Innerhalb der EVP gibt es dazu eine starke Debatte, weil einige Parteien bereits nach Konsequenz­en rufen.

Weber als Juncker-Nachfolger

So sagte ein finnischer Christdemo­krat, mit Orbán habe jetzt „ein Dialog“begonnen. Sollte Orbán keine Einsicht zeigen, müsse es „Entscheidu­ngen“geben. Die Belastung durch Orbán störte die zur Schau gestellte Wahl eines gemeinsame­n Spitzenkan­didaten für die EU-Wahl im Mai 2019.

Es gab mit EVP-Fraktionsc­hef Manfred Weber und dem finnischen Ex-Premier Alexander Stubb zwei Kandidaten, die sich einer Debatte auf offener Bühne stellten. In geheimer Wahl werden die Delegierte­n Donnerstag­mittag entscheide­n, wen sie ins Rennen schicken. Wie berichtet, deutete alles darauf hin, dass Weber mit den Stimmen von etwa zwei Dritteln der Delegierte­n rechnen konnte. Sollte die EVP die Wahl gewinnen und wie bisher im EU-Parlament die deutlich stärkste Fraktion bleiben, werde man für Weber den Anspruch stellen, Nachfolger von Kommission­schef Jean-Claude Juncker zu werden, hielt Daul fest – auch wenn Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron das nicht akzeptiere­n wolle.

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Foto: AP / J.-F. Badias Viktor Orbán, das Schmuddelk­ind der Christdemo­kraten.

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