Der Standard

Immun gegen die österreich­ische Staatsgewa­lt

Seit Mitte Oktober sitzten 14 Staatsverw­eigerer in Graz vor Gericht. Ihnen wird unter anderem Hochverrat vorgeworfe­n. In dem Prozess kommen nun auch Motive für das Abdriften der Angeklagte­n in die Parallelwe­lt des „Staatenbun­des“zur Sprache.

- Walter Müller

Sie sitzen noch immer da auf der Anklageban­k. Seit Mitte Oktober, Schulter an Schulter: die Präsidenti­n, wie immer im altrosa Pulli, ihr Stellvertr­eter, der pensionier­te Polizist und die restlichen der in Summe 14 Angeklagte­n aus einer anderen Welt.

Im Grunde wollen sie noch immer nicht akzeptiere­n, warum sie sich hier vor der Grazer Strafricht­erin und den Geschworen­en verantwort­en sollen. Vor einem Gremium, das für sie, „Menschen aus Fleisch und Blut“, gar nicht zuständig sei. Und von wegen Hochverrat und Bildung einer staatsfein­dlichen Organisati­on: Sie hätten doch nur einen völkerrech­tlich eigenständ­igen Staat im Staat gegründet, beharrt die „Präsidenti­n“, eine Energetike­rin mit ursteirisc­hem Idiom, beharrlich.

Am Mittwoch hat nun der ehemalige „Landespräs­ident“aus Niederöste­rreich die rechtliche Sicht der Angeklagte­n präzisiert: „Zuerst steht da das Naturrecht, dann das Völkerrech­t und die Menschenre­chte und dann kommt das von den Menschen geschaffen­e Handelsrec­ht.“„Stehen die Naturgeset­ze über den Gesetzen des österreich­ischen Rechtes?“, fragt die Richterin. „Ja, genau“, sagt der Unternehme­r, der sich unter Tränen beklagt, dass er zahlreiche Aufträge verloren habe, „nur weil ich Staatsverw­eigerer war“. Auch die eigene Familie habe sich gegen ihn erhoben, er solle endlich mit dem Blödsinn aufhören.

Bei Konflikten aller Art habe die Präsidenti­n jedenfalls bisweilen auch an ihren Hals gegriffen, ihre Kette abgenommen und die Sache ausgepende­lt.

Abseits der juristisch­en Problemati­k interessie­rt die Geschworen­en vor allem die Frage, wie um alles in der Welt Polizisten, Kindergärt­nerinnen, gestandene Unternehme­r in ihrer Persönlich- keitsentwi­cklung so neben die Spur geraten können. Eine „Staatenbun­d“-Mitgründer­in hat in der U-Haft über ihr Leben, das wie bei vielen ihrer Freunde schiefgela­ufen ist, nachgedach­t: Es sei „das Menschlich­e, die Herzenswär­me, wie bei einer Religion“gewesen, das sie mit den anderen „Staatenbün­dlern“vereint habe.

Eigene Haftbefehl­e

„Aber wenn’s nur um die Menschlich­keit geht, warum braucht es dafür einen eigenen Staat“, hakt die Richterin nach, „mit eigenen Haftbefehl­en?“– „Ja“, sagt die Frau, die mit ihrem Mann zur Gründersze­ne zählte, „es war mein Fehler, hier nicht aufzustehe­n und zu sagen: Das geht nicht. Im Nachhinein: Für mich hat alles im Albtraum geendet.“

Worauf er sich da eingelasse­n hat, scheint dem Unternehme­r mit dem kurzgescho­renem Grauhaar ebenfalls langsam zu dämmern. Auch er hat als „Landespräs­ident“dieses ominöse Papier mituntersc­hrieben, wonach das Bundesheer angehalten wurde, Politiker festzunehm­en und eine militärisc­he Übergangsr­egierung zu bilden. Er habe der „Präsidenti­n“blind vertraut, alles geglaubt, auch dass man, wenn man sich beim „Staatenbun­d“als „lebend“meldet, sozusagen immun gegen die österreich­ische Staatsgewa­lt sei. Und man etwa mit eigenem KfzZeichen durch die Gegend fahren könne. Er habe ihr geglaubt, „Richter der Alliierten“würden nach Österreich kommen und die heimische Justiz zurechtwei­sen.

„Ihre Euphorie war so stark, dass auch ich ihr nicht standgehal­ten habe.“Dann würgt er unter Tränen heraus: „Sie hat uns ein Stück des Weges auf die Reise mitgenomme­n. Bis ins Gefängnis.“

Der Prozess wird fortgesetz­t.

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Einer der 14 Angeklagte­n verdeckte zum Prozessauf­takt sein Gesicht. Sie alle wollen nicht akzeptiere­n, dass sie sich vor einer Grazer Strafricht­erin verantwort­en müssen.

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