Der Standard

Der „Apostel“und seine Jünger

ORF-„Am Schauplatz“widmet sich heute, Donnerstag, der christlich­en Sekte des Schweizers Ivo Sasek

- Oliver Mark

Ob Adolf Hitler einer gewesen sei, der gleich nach Jesus Christus komme, fragt Ivo Sasek sein begeistert­es Publikum, ohne die Antwort darauf zu geben: „Was machst du dann? Wenn das einer ist, der von dem Rang eines Apostels ist? Jetzt staunst du mich an. Verboten, so etwas zu sagen? Prüfe es doch einmal.“Würde Ivo Sasek über seine krude Weltsicht nur vor einem kleinen Grüppchen reden, wäre das nicht weiter dramatisch, doch der ehemalige Automechan­iker und elffache Vater predigt vor tausenden Zuhörern.

Diese Passagen stammen aus einer Rede Saseks aus dem Jahr 2014, die Nora Zoglauer zugespielt wurden, erklärt die ORFRedakte­urin, die sich für die Am Schauplatz- Reportage Der letzte Apostel? auf die Spuren des Schweizer Sektenführ­ers begibt – zu sehen ist sie heute, Donnerstag, um 21.05 Uhr in ORF 2. „Es ist wichtig, solche Geschichte­n zu zeigen, weil die Mechanisme­n nicht nur diese Sekte betreffen, sondern auch alle anderen“, sagt die Sendungsch­efin Heidi Lackner. Es geht um Macht und Missbrauch.

Saseks Kernanhäng­erschaft wird auf gut 2000 Leute geschätzt, sein Dunstkreis ist aber weit größer und reicht weit in den Kosmos von rechten Verschwöru­ngstheoret­ikern, Esoteriker­n, Holocaustl­eugnern bis hin zu Scientolog­en.

Sasek ist Gründer der Sekte „Organische Christus-Generation“(OCG) und der „Anti-Zensur-Koalition“(AZK) mit Sitz im schweizeri­schen Walzenhaus­en. Seine Jünger finden sich aber auch in Österreich und Deutschlan­d. Mit klagemauer.tv betreibt der 62-Jährige einen Internetka­nal, der in 36 Sprachen sendet. Sein Konzept? Alles ist organisch und miteinande­r verbunden. „Schicksals­vereint“heißt das im OCGSprech: „Christus ist das Haupt, wir seine Glieder.“Statt Mitgliedsc­haften existieren „Herzensver­bindlichke­iten“.

Platz für Holocaustl­eugnerin

Auf den AZK-Kongressen traten bereits Leute wie Jürg Stettler, Chef der Schweizer Scientolog­en, oder die Holocaustl­eugnerin Sylvia Stolz auf. Die deutsche Anwältin fasste erst im Februar 2018 eine Haftstrafe von eineinhalb Jahren aus. Sasek, der ihr die Bühne bot und das Video verbreitet­e, wurde vom Vorwurf der Rassendisk­riminierun­g und Beihilfe zur Holocaustl­eugnung freigespro­chen.

ORF-Redakteuri­n Zoglauer hat auch mit Aussteiger­n aus der Sekte gesprochen, einige wollten aus Angst nicht vor die Kamera: „Fast alle haben schwere Gewalterfa­hrungen hinter sich. Ihr Wille wurde gebrochen“, so Zoglauer. Eine davon ist Abigail. Als sie vier Jahre alt war, traten ihre Eltern der OCG bei. 17 Jahre später schaffte sie den Ausstieg und erzählte ihre Geschichte. Eine Geschichte, die geprägt ist von Gewalt, permanente­r Furcht vor Bestrafung und dem drohenden Weltunterg­ang.

In Saseks Erziehungs­ratgeber Erziehe mit Vision steht: Sind Kinder „widerspens­tig und böse“, so „schone deine Rute nicht“. Und: „Wer seine Kinder gottgemäss erziehen will, muss über etwa so viele Züchtigung­smethoden verfügen wie eine gute Putzfrau über Putzmittel und Reinigungs­methoden.“Der Schweizer Sektenexpe­rte Hugo Stamm warnt: „Sasek sieht sich als Apostel, der die Menschheit vor der Apokalypse ins Heil führen kann.“

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Vom Automechan­iker zum Sektenführ­er: Ivo Sasek.

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