KOPF DES TAGES
Trump-Antipodin legt wieder ihre Ritterrüstung an
Als Donald Trump am 20. Jänner 2017 ins Weiße Haus eingezogen war, schien sich die Karriere von Nancy Pelosi erledigt zu haben. Zwar war sie nur wenige Tage zuvor erneut zur Anführerin der US-Demokraten im Repräsentantenhaus, nunmehr in der Minderheit, gewählt worden, doch die Politveteranin galt als Bestandteil des ClintonUniversums – und somit als mitverantwortlich für die Wahlniederlage.
Doch die heute 78-Jährige, die seit drei Jahrzehnten im US-Kongress sitzt und 2007 als erste Frau die Führung des Repräsentantenhauses übernommen hatte, machte unbeirrt weiter. Sie legte, wie sie gern erzählt, einmal mehr ihre „Ritterrüstung“an und machte konsequent Oppositionspolitik. Zielscheibe: der Präsident, der die USA beim Nato-Gipfel lächerlich mache, der sich von Wladimir Putin über den Tisch ziehen lasse und der in mehr als nur einem Bereich der internationalen Politik und Wirtschaft Fachkompetenz vermissen lasse.
Auch jetzt mischte die aus einer italoamerikanischen Familie stammende Politologin im Wahlkampf mit. Den demokratischen Sieg im Repräsentantenhaus darf die mehrfache Großmutter daher – zumindest ein bisschen – auch als den ihren betrachten. Pelosi weiß aber sehr gut, wie Politik gemacht wird, auch und vor allem in Washington. Da ist es nie gut, tiefe Gräben noch weiter aufzureißen. Noch in der Wahlnacht beteuerte sie, bei der Kongresswahl sei es weniger um den Kampf zwischen Republikanern und Demokraten gegangen als vielmehr um die Wiederherstellung der von der Verfassung vorgesehenen Balance der Kräfte.
Für viele Republikaner ist Pelosi eine Hassfigur, und auch nicht wenige Parteifreunde distanzierten sich im Wahlkampf von der Erzliberalen, um bei „ihren“Wählern punkten zu können. Sich selbst charakterisiert Pelosi als eine, die Schläge wegsteckt und zu ihren Überzeugungen steht. Das zeigt sie auch durch ihr Abstimmungsverhalten: für liberale Abtreibungsgesetze, für strengere Waffengesetze, für Umweltschutz, gegen den Irakkrieg, für die NSA-Überwachung. In Sachen Finanzen aber gilt sie als Freundin harter Budgetdisziplin. Mit Geld scheinen sie und ihr Ehemann Paul gut umgehen zu können: Sie gehören zum exklusiven Klub der wohlhabendsten US-Politikerehepaare.
Anfang Jänner wird Pelosi auch formal zur Sprecherin des Repräsentantenhauses gewählt. Dann ist sie offiziell höchstrangige Frau in den USA – und weiterhin erbitterte Gegnerin des Präsidenten.