Für Aktien die beste Wahl
Nach dem US-Wahlergebnis droht der Politik ein Stillstand, aber nicht der Wall Street. Historisch war ein Patt im Kongress unter einem republikanischen Präsidenten sogar die ertragreichste Kombination.
Im Repräsentantenhaus dürften die Blauen (die Demokraten) Trump fortan das Leben schwermachen, sie haben nunmehr die Mittel dazu. Vorbei die Zeit, in der sie zwar protestieren, aber im Grunde nur ohnmächtig zuschauen konnten. In den Ausschüssen der Kammer werden im Jänner ausnahmslos Demokraten den Vorsitz übernehmen, was bedeutet, dass sie Untersuchungen einleiten können, die den Präsidenten womöglich in Verlegenheit bringen. Beispielsweise können sie die Herausgabe der Steuererklärungen erzwingen, die offenzulegen Trump sich entgegen allen Normen bislang geweigert hat. Sie können Interessenskonflikte ebenso zum Thema machen wie etwaige Finanztricks des einstigen Immobilienmoguls.
Zu den Gewinnern des Votums gehört auch Robert Mueller, der Sonderermittler der Russlandaffäre: Trump hatte mehrmals gedroht, ihn zu feuern; ob ernsthaft oder eher hoch pokernd, vermag kein Außenstehender zu beurteilen. Nun steht es in der Macht der Demokraten, Muellers Entlassung von vornherein zu unterbinden.
Für drei Senatoren in den Reihen der Blauen wurde es indes eine gallebittere Nacht. Claire McCaskill, 2007 mit der Euphorie um Barack Obama in den Senat eingezogen, musste die ernüchternde Erfahrung machen, dass man in TrumpCountry im Herbst 2018 noch immer auf verlorenem Posten steht, wenn Trump seine Anhängerschaft im ländlichen Raum mobilisiert. Der Präsident war in der Endphase des Wahlkampfs gleich zweimal nach Missouri geflogen, um die Trommel für McCaskills Rivalen Josh Hawley zu rühren – der dann auch prompt gewann.
Kein texanisches Wunder
In Indiana verlor Joe Donnelly, in North Dakota Heidi Heitkamp gegen republikanische Widersacher. Vor wenigen Wochen stimmte Heitkamp gegen Brett Kavanaugh, Trumps Kandidaten fürs Oberste Gericht, nachdem die Psychologieprofessorin Christine Blasey Ford geschildert hatte, wie Kavanaugh sie im Teenageralter zu vergewaltigen versuchte. Heitkamp wusste, dass sie damit im konservativen North Dakota ein Risiko einging. Sie habe es den- noch getan, weil sie auch künftig ruhigen Gewissens in den Spiegel schauen wolle, begründete sie ihren Schritt.
In Tennessee sah der einstige Gouverneur Phil Bredesen keinen Stich gegen Marsha Blackburn, eine der frühesten und treuesten Anhängerinnen Trumps. In Texas, nicht unbedingt TrumpCountry, wohl aber eine Hochburg der Konservativen, lieferte Beto O’Rourke, der wohl charismatischste Hoffnungsträger der Blauen, dem Amtsinhaber Ted Cruz zwar ein denkbar hartes Rennen, ein texanisches Wunder aber ist ausgeblieben.
Vor drei Jahrzehnten haben die Demokraten dort zum letzten Mal ein Senatsmandat errungen. Das könnte sich nächstes Mal ändern, so wie auch der gesamte Senat in die Hände der Blauen übergehen könnte. Jedenfalls hat O’Rourke ein solches Szenario auch in der Stunde der Niederlage mit charakteristischem Optimismus beschworen. „Ich bin inspiriert“, sagte er, „ich habe so viel Hoffnung, wie ich sie in meinem Leben nie hatte.“
Nachdem die Wall Street im Oktober, wie in der Vorwoche berichtet, kräftig Federn lassen musste, konnte sie sich im November bisher wieder stabilisieren. Nun sind die US-Wahlen geschlagen: Wie von vielen erwartet, übernehmen die Demokraten die Kontrolle im Repräsentantenhaus und die Republikaner behalten die Mehrheit im Senat. Aber was bedeutet dieses Patt im Kongress für die Finanzmärkte?
Grundsätzlich besteht dadurch das Risiko eines gewissen politischen Stillstands, was zwar nicht gut für das Land wäre, sehr wohl aber für die Börse. Denn Anleger müssen sich in diesen Fall auf wenig Veränderung und Unsicherheit einstellen. Diese Situation ist unter einem republikanischen Präsidenten wie derzeit aus Börsensicht besonders erfreulich, hebt Joseph Song, Volkswirt bei der Bank of America, hervor: In der Vergangenheit sei dies mit einer jährlichen Rendite des breiten US-Aktienindex S&P 500 von zwölf Prozent die ertragreichste politische Konstellation für die Wall Street gewesen.
Auswirkungen auf Branchen
Allerdings gibt es auch Bereiche, die darunter leiden könnten. Ein Damoklesschwert hängt etwa über der Pharmabranche: Im Wahlkampf für die US-Präsidentschaft sprachen sich die Kandidaten Donald Trump und Hillary Clinton beide für niedrigere Medikamentenpreise aus. Es ist also durchaus möglich, dass sich Republikaner und Demokraten in diesem Punkt einigen – oder bei Investitionen in die Infrastruktur. Dafür könnten die geplanten Verteidigungsausgaben etwas geringer ausfallen, da Präsident Trump für die Zustimmung womöglich Kompromisse eingehen muss.
Auf eine Entspannung im Handelskonflikt mit China brauchen Anleger wegen des politischen Patts nicht zu hoffen, wie die Analysten von Raiffeisen Research betonen. Gerade in der Außen- und Handelspolitik habe Präsident Trump weitreichende Befugnisse und sei nicht auf Mehrheiten im Kongress angewiesen. Schon vor der Wahl hatten die Raiffeisen-Ex- perten darauf hingewiesen, dass im Zuge der Berichtssaison zum dritten Quartal einige Ausblicke schwach ausgefallen seien – und zwar vor allem von international ausgerichteten Konzernen mit hohem China-Geschäftsfokus.
Sonst hätten bisher 82 Prozent der S&P 500-Unternehmen die Erwartungen übertroffen, im Mittel rechnen Analysten nun mit fast 25 Prozent Gewinnzuwachs im dritten Quartal und rund 23 Prozent für das Gesamtjahr 2018. Treiber ist neben der robusten US-Konjunktur die Steuerreform von Präsident Trump.
Allerdings wird sich das Ertragswachstum der Unternehmen laut Raiffeisen 2019 auf einen niedrigen zweistelligen Prozentwert verringern. Dies dämpft die positiven Erwartungen der Strategen des Vermögensverwalters Allianz Global Investors jedoch nicht: „Die Aktienmärkte werden weiterhin vom Fiskalstimulus profitieren und die feste Konjunktur und anhaltend guten Unternehmensergebnisse reflektieren.“
Zur Vorsicht mahnen allerdings die Bewertungen, beim S&P 500 liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis mit einem Wert von 22 auf sehr hohem Niveau. Zudem ist der Börsenaufschwung bereits der längste der Geschichte und der USKonjunkturaufschwung ist auch schon in die Jahre gekommen.