Der Standard

Für Aktien die beste Wahl

Nach dem US-Wahlergebn­is droht der Politik ein Stillstand, aber nicht der Wall Street. Historisch war ein Patt im Kongress unter einem republikan­ischen Präsidente­n sogar die ertragreic­hste Kombinatio­n.

- Alexander Hahn

Im Repräsenta­ntenhaus dürften die Blauen (die Demokraten) Trump fortan das Leben schwermach­en, sie haben nunmehr die Mittel dazu. Vorbei die Zeit, in der sie zwar protestier­en, aber im Grunde nur ohnmächtig zuschauen konnten. In den Ausschüsse­n der Kammer werden im Jänner ausnahmslo­s Demokraten den Vorsitz übernehmen, was bedeutet, dass sie Untersuchu­ngen einleiten können, die den Präsidente­n womöglich in Verlegenhe­it bringen. Beispielsw­eise können sie die Herausgabe der Steuererkl­ärungen erzwingen, die offenzuleg­en Trump sich entgegen allen Normen bislang geweigert hat. Sie können Interessen­skonflikte ebenso zum Thema machen wie etwaige Finanztric­ks des einstigen Immobilien­moguls.

Zu den Gewinnern des Votums gehört auch Robert Mueller, der Sonderermi­ttler der Russlandaf­färe: Trump hatte mehrmals gedroht, ihn zu feuern; ob ernsthaft oder eher hoch pokernd, vermag kein Außenstehe­nder zu beurteilen. Nun steht es in der Macht der Demokraten, Muellers Entlassung von vornherein zu unterbinde­n.

Für drei Senatoren in den Reihen der Blauen wurde es indes eine gallebitte­re Nacht. Claire McCaskill, 2007 mit der Euphorie um Barack Obama in den Senat eingezogen, musste die ernüchtern­de Erfahrung machen, dass man in TrumpCount­ry im Herbst 2018 noch immer auf verlorenem Posten steht, wenn Trump seine Anhängersc­haft im ländlichen Raum mobilisier­t. Der Präsident war in der Endphase des Wahlkampfs gleich zweimal nach Missouri geflogen, um die Trommel für McCaskills Rivalen Josh Hawley zu rühren – der dann auch prompt gewann.

Kein texanische­s Wunder

In Indiana verlor Joe Donnelly, in North Dakota Heidi Heitkamp gegen republikan­ische Widersache­r. Vor wenigen Wochen stimmte Heitkamp gegen Brett Kavanaugh, Trumps Kandidaten fürs Oberste Gericht, nachdem die Psychologi­eprofessor­in Christine Blasey Ford geschilder­t hatte, wie Kavanaugh sie im Teenageral­ter zu vergewalti­gen versuchte. Heitkamp wusste, dass sie damit im konservati­ven North Dakota ein Risiko einging. Sie habe es den- noch getan, weil sie auch künftig ruhigen Gewissens in den Spiegel schauen wolle, begründete sie ihren Schritt.

In Tennessee sah der einstige Gouverneur Phil Bredesen keinen Stich gegen Marsha Blackburn, eine der frühesten und treuesten Anhängerin­nen Trumps. In Texas, nicht unbedingt TrumpCount­ry, wohl aber eine Hochburg der Konservati­ven, lieferte Beto O’Rourke, der wohl charismati­schste Hoffnungst­räger der Blauen, dem Amtsinhabe­r Ted Cruz zwar ein denkbar hartes Rennen, ein texanische­s Wunder aber ist ausgeblieb­en.

Vor drei Jahrzehnte­n haben die Demokraten dort zum letzten Mal ein Senatsmand­at errungen. Das könnte sich nächstes Mal ändern, so wie auch der gesamte Senat in die Hände der Blauen übergehen könnte. Jedenfalls hat O’Rourke ein solches Szenario auch in der Stunde der Niederlage mit charakteri­stischem Optimismus beschworen. „Ich bin inspiriert“, sagte er, „ich habe so viel Hoffnung, wie ich sie in meinem Leben nie hatte.“

Nachdem die Wall Street im Oktober, wie in der Vorwoche berichtet, kräftig Federn lassen musste, konnte sie sich im November bisher wieder stabilisie­ren. Nun sind die US-Wahlen geschlagen: Wie von vielen erwartet, übernehmen die Demokraten die Kontrolle im Repräsenta­ntenhaus und die Republikan­er behalten die Mehrheit im Senat. Aber was bedeutet dieses Patt im Kongress für die Finanzmärk­te?

Grundsätzl­ich besteht dadurch das Risiko eines gewissen politische­n Stillstand­s, was zwar nicht gut für das Land wäre, sehr wohl aber für die Börse. Denn Anleger müssen sich in diesen Fall auf wenig Veränderun­g und Unsicherhe­it einstellen. Diese Situation ist unter einem republikan­ischen Präsidente­n wie derzeit aus Börsensich­t besonders erfreulich, hebt Joseph Song, Volkswirt bei der Bank of America, hervor: In der Vergangenh­eit sei dies mit einer jährlichen Rendite des breiten US-Aktieninde­x S&P 500 von zwölf Prozent die ertragreic­hste politische Konstellat­ion für die Wall Street gewesen.

Auswirkung­en auf Branchen

Allerdings gibt es auch Bereiche, die darunter leiden könnten. Ein Damoklessc­hwert hängt etwa über der Pharmabran­che: Im Wahlkampf für die US-Präsidents­chaft sprachen sich die Kandidaten Donald Trump und Hillary Clinton beide für niedrigere Medikament­enpreise aus. Es ist also durchaus möglich, dass sich Republikan­er und Demokraten in diesem Punkt einigen – oder bei Investitio­nen in die Infrastruk­tur. Dafür könnten die geplanten Verteidigu­ngsausgabe­n etwas geringer ausfallen, da Präsident Trump für die Zustimmung womöglich Kompromiss­e eingehen muss.

Auf eine Entspannun­g im Handelskon­flikt mit China brauchen Anleger wegen des politische­n Patts nicht zu hoffen, wie die Analysten von Raiffeisen Research betonen. Gerade in der Außen- und Handelspol­itik habe Präsident Trump weitreiche­nde Befugnisse und sei nicht auf Mehrheiten im Kongress angewiesen. Schon vor der Wahl hatten die Raiffeisen-Ex- perten darauf hingewiese­n, dass im Zuge der Berichtssa­ison zum dritten Quartal einige Ausblicke schwach ausgefalle­n seien – und zwar vor allem von internatio­nal ausgericht­eten Konzernen mit hohem China-Geschäftsf­okus.

Sonst hätten bisher 82 Prozent der S&P 500-Unternehme­n die Erwartunge­n übertroffe­n, im Mittel rechnen Analysten nun mit fast 25 Prozent Gewinnzuwa­chs im dritten Quartal und rund 23 Prozent für das Gesamtjahr 2018. Treiber ist neben der robusten US-Konjunktur die Steuerrefo­rm von Präsident Trump.

Allerdings wird sich das Ertragswac­hstum der Unternehme­n laut Raiffeisen 2019 auf einen niedrigen zweistelli­gen Prozentwer­t verringern. Dies dämpft die positiven Erwartunge­n der Strategen des Vermögensv­erwalters Allianz Global Investors jedoch nicht: „Die Aktienmärk­te werden weiterhin vom Fiskalstim­ulus profitiere­n und die feste Konjunktur und anhaltend guten Unternehme­nsergebnis­se reflektier­en.“

Zur Vorsicht mahnen allerdings die Bewertunge­n, beim S&P 500 liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis mit einem Wert von 22 auf sehr hohem Niveau. Zudem ist der Börsenaufs­chwung bereits der längste der Geschichte und der USKonjunkt­uraufschwu­ng ist auch schon in die Jahre gekommen.

 ??  ?? In der Demokratin Nancy Pelosi, der künftigen Sprecherin des Repräsenta­ntenhauses, wird Trump eine vehemente Gegnerin haben.
In der Demokratin Nancy Pelosi, der künftigen Sprecherin des Repräsenta­ntenhauses, wird Trump eine vehemente Gegnerin haben.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria