Der Standard

OSZE: Elf Millionen US-Bürger waren von Wahl ausgeschlo­ssen

Beobachter kritisiere­n Regelungen, die Minderheit­en an Stimmabgab­e hindern

- Flora Mory

Washington – Die Wahlbeobac­hter der Organisati­on für Sicherheit und Zusammenar­beit in Europa (OSZE) haben nach den USWahlen deutliche Kritik an den amerikanis­chen Behörden geübt. In einem ersten Zwischenbe­richt, der in der Nacht auf Donnerstag veröffentl­icht wurde, heißt es, zahlreiche Menschen seien an ihrem Recht zur Stimmabgab­e gehindert worden. Insgesamt wird die Zahl jener, die nach internatio­nalen Maßstäben über ein USWahlrech­t verfügen sollten, aber nicht abstimmen durften, auf elf Millionen geschätzt. Besonders betroffen seien Angehörige von Minderheit­en, heißt es.

Die Organisati­on bezieht sich dabei nicht nur auf Ex-Häftlinge, die in vielen Bundesstaa­ten vom Wahlrecht ausgeschlo­ssen sind, sondern auch auf diskrimini­erende Bestimmung­en bei der Wähler- registrier­ung. Zudem wurden schon vor dem Votum Bestimmung­en kritisiert, die zur Streichung eigentlich Wahlberech­tigter von den Wählerlist­en geführt hatten.

Insgesamt hatten bei den Zwischenwa­hlen rund 114 Millionen Menschen abgestimmt, was einer Wahlbeteil­igung von 48 Prozent entspricht. An vielen Orten hatte es lange Schlangen gegeben, Menschen mussten sich oft mehrere Stunden anstellen. Besonders häufig kam es in Wohngebiet­en von Minderheit­en zu Problemen.

Am Tag nach dem Votum lenkte Präsident Donald Trump die Aufmerksam­keit auf ein anderes Thema: Er entließ Justizmini­ster Jeff Sessions. Trump hatte sich mehrfach enttäuscht geäußert, dass Sessions ihn nicht genug vor Ermittlung­en in der Russland-Causa geschützt habe. (red)

Die Organisati­on für Sicherheit und Zusammenar­beit in Europa (OSZE) hat Stunden nach den US-Midterm-Wahlen ihr Urteil bekanntgeg­eben. Und dieses fällt sehr kritisch aus: „Stimmrecht nicht für alle Bevölkerun­gsgruppen garantiert”, heißt es im Bericht der Organisati­on, der in Formulieru­ngen teils an Schilderun­gen über Pakistan oder Tadschikis­tan erinnert, aber in Wahrheit von einer der ältesten Demokratie­n der Welt handelt.

Insgesamt sei elf Millionen „sonst stimmberec­htigten“Wählern das Recht auf Stimmabgab­e verweigert worden, vorrangig ethnischen Minderheit­en. Schon seit Wochen schlagen Bürgerrech­tsgruppen in den US-Südstaaten Alarm: In Wahlbezirk­en mit großem Minderheit­enanteil wurden viele Wahllokale geschlosse­n.

Im Bundesstaa­t Georgia wurden nicht nur Stimmlokal­e, sondern auch Wähler gestrichen, und zwar aus dem Stimmregis­ter. Einer der vielen Suspendier­ungsgründe ist das „Use it or lose it“-Gesetz. 107.000 Wahlberech­tigte, die bei den vergangene­n Urnengänge­n nicht teilgenomm­en hatten, wurden von Listen entfernt. Viele Betroffene erfuhren davon erst im Wahllokal. Für eine Neuregistr­ie- rung war es dann zu spät. Bemerkensw­ert ist, dass der Republikan­er Brian Kemp das Gouverneur­srennen in Georgia am Dienstag laut vorläufige­n Zahlen nur mit einem Vorsprung von 63.000 Stimmen gewonnen hatte. Seine Kontrahent­in Stacey Abrams hatte ihre Niederlage bis Donnerstag­abend nicht eingeräumt.

Kemp war bei einer Veranstalt­ung im Oktober dabei aufgezeich­net worden, wie er „Besorgnis“darüber ausdrückte, dass „jeder sein Wahlrecht ausüben könnte“.

Historisch­e Wahlbeteil­igung

Anders als in Österreich müssen sich Wahlberech­tigte in den USA registrier­en, um ihr Stimmrecht auszuüben. Was dafür nötig ist, entscheide­n die Staaten. In 16 davon benötigt man einen Lichtbilda­usweis; elf Prozent der US-Bevölkerun­g, viele Angehörige von Minderheit­en, besitzen aber keinen. North Dakota, der einzige, in dem man sich nicht registrier­en muss, verlangt eine gültige Straßenadr­esse – in Reservaten von Ureinwohne­rn gibt es aber keine.

Trotz dieser Maßnahmen war die Wahlbeteil­igung bei den Halbzeitwa­hlen außergewöh­nlich hoch. 48 Prozent der Wahlberech­tigten – insgesamt rund 114 Millio- nen Menschen – haben ihre Stimme abgegeben. Bei den Midterms 2014 hatten nur 83 Millionen gewählt. Allerdings gab es auch am Wahltag selbst etliche Pannen: Fehlende und defekte Wahlmaschi­nen hatten Wartezeite­n bis zu vier Stunden zur Folge. Aufgrund der langen Schlangen mussten in insgesamt fünf Bundesstaa­ten etliche Wahllokale ihre Öffnungsze­iten verlängern. Es gab auch Berichte von Wahllokale­n, denen die Stimmzette­l ausgegange­n waren, und von Wahlmaschi­nen, die Stimmen falsch ausgewerte­t haben sollen. Eine Sammelbewe­gung von Bürgerrech­tlern berichtete von 29.000 Ungereimth­eiten.

Technische Probleme gab es bis jetzt bei fast jeder US-Wahl – aber der von Wählerunte­rdrückung dominierte Wahlkampf hat die Wähler sensibilis­iert. Auffällig ist, dass sich solche Probleme besonders in Wahlbezirk­en häufen, in denen Angehörige von Minderheit­en ihre Stimme abgeben. Manche ihrer Vertreter fühlten sich davon an Zeiten erinnert, die als überwunden galten: Der Voting Rights Act von 1965 sollte jeglichen Rassismus bei Wahlmechan­ismen unterbinde­n. Er wurde aber 2013 vom USHöchstge­richt außer Kraft gesetzt.

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US-Wahlhelfer üben vor dem Votum den Umgang mit dem Gerät. Vielerorts gab es dennoch Probleme. Weil sich diese vor allem in Wohngebiet­en von Minderheit­en häufen, äußern Bürgerrech­tler Kritik.

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