Der Standard

Baldiger Brexit-Deal?

Die EU- Spitzen bereiten sich auf einen baldigen Sondergipf­el vor. In der Irland-Frage setzt die britische Premiermin­isterin Theresa May auf Zeitgewinn und auf einen vorläufige­n Verbleib in der Zollunion.

- Sebastian Borger aus London, Thomas Mayer aus Helskini

Im Vorfeld des EU-Sondergipf­els Ende November mehren sich Anzeichen dafür, dass eine Einigung unmittelba­r bevorsteht.

Die Verhandlun­gen der EU-27 mit der britischen Regierung stehen offenbar unmittelba­r vor einem positiven Abschluss. Bereits „in den nächsten Tagen“könnte es zwischen EU-Verhandler Michel Barnier und seinen Gesprächsp­artnern in London eine Einigung geben, hieß es am Donnerstag in Kreisen der EU-Kommission am Rande des Wahlkongre­sses der europäisch­en Christdemo­kraten in Helsinki. Nach Informatio­nen des

Δtandard würde bereits am kommenden Montag der Vertrag zum EU-Austritt des Landes per 29. März 2019 vorliegen, der dann allerdings von den Staats- und Regierungs­chefs noch einstimmig bestätigt werden muss.

Die britische Premiermin­isterin Theresa May könnte unmittelba­r danach, am Dienstag, ihr Kabinett in London informiere­n, wie sie die bisher offenen Fragen, vor allem das Grenzregim­e in Irland, zu lösen gedenkt. In erster Linie, so hört man, soll Zeit gewonnen werden: Demnach bietet die EU den Briten an, dass nicht nur Nord- irland, sondern das gesamte Vereinigte Königreich um mindestens ein Jahr länger in der Zollunion verbleibt. Somit würde sich eine „harte Grenze“auf der irischen Insel vorerst vermeiden lassen.

Bereits voriges Jahr war man übereingek­ommen, dass Großbritan­nien nach dem Austritt für eine Übergangsz­eit von 21 Monaten bis Ende 2020 die Verpflicht­ungen als EU-Mitglied beibehält – auch jene als bedeutende­r Nettozahle­r ins EU-Budget. Warenkontr­ollen könnten in England durchgefüh­rt werden, zwischen Nordirland und der Republik Irland im Süden als EU-Mitgliedss­taat würde zunächst wie bisher eine offene Grenze bestehen.

Emotionale­s Kriegsgede­nken

Auch in London mehren sich die Zeichen für eine bevorstehe­nde Einigung. Demnach könnte Premiermin­isterin Theresa May bereits das emotional aufgeladen­e Wochenende des Weltkriegs­gedenkens dazu nutzen, ihr Kabinett auf den Deal mit Brüssel einzuschwö­ren. Einer Veröffentl­ichung des Unterhause­s zufolge soll der fertige Text spätestens am 23. November den Parlamenta­riern vorgelegt werden. Dies würde gemäß dem normalen Vorgehen in der EU voraussetz­en, dass die Dokumente bis dahin von den Staats- und Regierungs­chefs der 27 verbleiben­den Mitglieder einstimmig abgesegnet worden sind.

Freilich könnte es sich bei dieser Veröffentl­ichung auch um subtilen Druck Londons handeln. May hat zwar immer wieder betont, man scheide lieber ohne Vereinbaru­ng aus als mit einem schlechten Deal. Allerdings ist die Sorge über den dann bevorstehe­nden Chaos-Brexit im Regierungs­viertel Whitehall mit Händen zu greifen – von den Alarmrufen der Wirtschaft ganz zu schweigen.

Sollte der Deal Anfang nächster Woche klappen, würde der Ständige Präsident des Europäisch­en Rates, Donald Tusk, für den 25. November einen EU-Sondergipf­el einberufen. Mit dem Wochenendt­ermin sollen angeblich Irritation­en an den Finanzmärk­ten vermieden werden.

 ??  ?? Gegner des britschen EU-Austritts hätten sich die Verhandlun­gen mit Brüssel am liebsten ganz erspart.
Gegner des britschen EU-Austritts hätten sich die Verhandlun­gen mit Brüssel am liebsten ganz erspart.

Newspapers in German

Newspapers from Austria