Der Standard

Gemeinnütz­igkeit boomt

Die Zahl der gemeinnütz­igen Vereine hat sich innerhalb von zehn Jahren auf fast 22.000 verdoppelt. Analysen darüber, was Steuerbefr­eiungen bewirken und wie hoch sie sind, sind Mangelware.

- Günther Oswald

Die Zahl steuerbefr­eiter, gemeinnütz­iger Vereine hat sich in Österreich in den vergangene­n zehn Jahren auf fast 22.000 verdoppelt,

Wer Gutes will, der sei erst gut“, schrieb schon Johann Wolfgang von Goethe. Viele Österreich­er sehen das offenbar auch so. Immer häufiger werden gemeinnütz­ige Vereine gegründet. Ihre Zahl ist binnen zehn Jahren von unter 10.000 auf fast 22.000 gestiegen. Allein in der Bundeshaup­tstadt gibt es fast 7000 gemeinnütz­ige Vereine, wie eine Auswertung des Finanzmini­steriums ergibt. Abgefragt wurden die Zahlen von Neos-Mandatar Sepp Schellhorn im Rahmen einer parlamenta­rischen Anfrage.

Steuerlich begünstigt

Der an und für sich erfreulich­e Trend lässt bei Schellhorn die Alarmglock­en läuten. Der Grund: Wird ein Verein als gemeinnütz­ig eingestuft, profitiert er von steuerlich­en Begünstigu­ngen – unter anderem bei der Umsatz- und Körperscha­ftsteuer sowie bei Gebühren und Kommunalst­euern.

Der Rechnungsh­of hat bereits im Jahr 2015 kritisiert, dass das Finanzress­ort keine systematis­che Beobachtun­g, Messung und Analyse dieser Steuerbefr­eiungen vornimmt. Mit anderen Worten: Man weiß nicht, um wie viel Geld die öffentlich­e Hand umfällt. Mangels detaillier­ter Informatio­nen sei auch nicht klar, ob tatsächlic­h alle steuerlich relevanten Vereine erfasst werden, so der Tenor der Prüfer.

Von allen rund 120.000 Vereinen, die es zum Zeitpunkt der Prüfung laut dem zentralen Ver- einsregist­er gab, war jedenfalls nur ein Bruchteil (gut zwölf Prozent) steuerlich erfasst. Die regionalen Unterschie­de waren laut Rechnungsh­of beträchtli­ch – in Vorarlberg waren 17,5 Prozent der Vereine steuerlich erfasst, in Niederöste­rreich nur 8,4 Prozent.

Viel geändert hat sich an diesen grundsätzl­ichen Problemen nicht. Finanzmini­ster Hartwig Löger (ÖVP) räumt in der Anfragebea­ntwortung ein, dass in seinem Haus weder eine Analyse zur Wirkung der Steuerbefr­eiung noch eine Analyse zum Einnahmen- ausfall vorliege. Laut dem Minister ist aber geplant, dass die Finanz im Zuge einer ohnehin geplanten Reorganisa­tion (siehe auch unten) die Prüfung von Vereinen auf einige wenige spezialisi­erte Teams konzentrie­ren wird. In den vergangene­n Jahren kam es jedenfalls zu keinen bundesweit­en Schwerpunk­tprüfungen von Vereinen. Gebe es in Einzelfäll­en „konkrete Verdachtsm­omente“, erfolge aber eine Prüfung „im Rahmen der gesetzlich­en Regelungen“, heißt es.

Als gemeinnütz­ig gilt ein Verein dann, wenn er das Gemeinwohl auf „geistigem, kulturelle­m oder materielle­m Gebiet selbstlos fördert“. Dazu zählt laut Finanz unter anderem die Förderung von Kunst, Wissenscha­ft, Musik oder des Sports. Das Ministeriu­m ist der Ansicht, dass bereits ein „klarer gesetzlich­er Rahmen“bestehe und sich auch aufgrund der Judikatur zum Begriff der Gemeinnütz­igkeit „kein unmittelba­rer Handlungsb­edarf“ergebe.

Neos befürchten Missbrauch

Neos-Politiker Schellhorn sieht das anders. Er sagt: „Es kann nicht sein, dass das Finanzmini­sterium keinerlei Interesse daran hat zu überprüfen, ob alle gemeinnütz­igen Vereine auch tatsächlic­h der Definition entspreche­n.“Gebe es keine Überprüfun­g, ob durch die Gemeinnütz­igkeit tatsächlic­h ein Mehrwert für die Allgemeinh­eit entstehe, drohe Missbrauch – „gerade im parteinahe­n Bereich“. Schellhorn: „Der Finanzmini­ster kann sich hier nicht so einfach abputzen, offensicht­lich will er keine Vereine überprüfen, die eine Nähe zu Großpartei­en haben.“

 ??  ?? Nicht jeder Verein ist gemeinnütz­ig. Wird aber Musik, Kunst oder Kultur gefördert, dann können Vereine diverse Steuerbegü­nstigungen in Anspruch nehmen.
Nicht jeder Verein ist gemeinnütz­ig. Wird aber Musik, Kunst oder Kultur gefördert, dann können Vereine diverse Steuerbegü­nstigungen in Anspruch nehmen.

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