Finanz krempelt um
Ab 40 Millionen Euro Umsatz können Steuerkontrollen von Unternehmen entfallen
Für Unternehmen ab 40 Millionen Euro Umsatz könnten Betriebsprüfungen nach einer Novelle der Abgabenordnung künftig entfallen.
Steuerprüfungen sind für Betroffene selten etwas Angenehmes. Alte Belege müssen herausgesucht werden. Wenn die Finanz eine Ausgabe nicht nachvollziehen kann, gilt es sie gut zu rechtfertigen. Dass es dabei meist um Sachverhalte geht, die schon Jahre zurückliegen, macht die Sache nicht einfacher.
Solche Sorgen könnten einige große Unternehmen bald los sein: Ab 2019 kann die Betriebsprüfung in bestimmten Fällen entfallen. Stattdessen können Firmen einen neuen Weg der Kontrolle mit der Finanz vereinbaren. Bereits Anfang Juli wurde eine entsprechende Änderung der Bundesabgabenordnung im Nationalrat beschlossen. Diese Woche ist die Begutachtung für eine Verordnung zu Ende gegangen, mit der das Finanzministerium letzte Details des neuen Modells geregelt hat.
Unternehmen müssen für jedes Geschäftsjahr eine Steuererklärung abgeben. Die Finanz hinkt bei der Prüfung dieser Erklärungen hinterher, im Regelfall werden sie drei bis fünf Jahre später überprüft. Die Folge ist, dass Unternehmen im Zuge einer Kontrolle alte Dokumentationen hervorkramen müssen. Gibt es Nachfragen durch die Finanz, müssen Mitarbeiter für die Aufarbeitung alter Sachverhalte extra abgestellt werden. „Das kann ein mühsamer und langwieriger Prozess für Unternehmen sein“, sagt Rainer Brandl, Steuerberater bei Leitner&Leitner.
Unternehmen ab einem Umsatz von über 40 Millionen Euro pro Jahr können sich künftig für das neue Modell der Steuerprüfung entscheiden. Voraussetzung ist, dass sie keine Strafe wegen eines Finanzvergehens in den vergangenen Jahren bekommen haben.
In den Unternehmen, die sich melden, werden die Betriebsprüfungen künftig durch den Aufbau eines Steuerkontrollsystems ersetzt werden. Die Tauglichkeit dieses Systems muss von einem Steuer- oder Wirtschaftsprüfer belegt werden. Dabei sollen interne Prozesse festgelegt werden, die sicherstellen, dass keine Abgaben hinterzogen werden. Das soll eine spätere externe Überprüfung obsolet machen.
Ein Beispiel: Ein Unternehmen verkauft Parkettböden an Firmen und an Privatkunden. Damit fällt also nicht bei jedem Verkauf die Umsatzsteuer an. In einem ersten Schritt muss dieses Risiko im Kontrollsystem benannt werden. Sodann müssen Prozesse vorgesehen werden, die den Missbrauch verhindern. So kann zum Beispiel vorgesehen sein, dass vor jeder Ausstellung einer Rechnung gesondert eine Abteilung prüft, an wen die Rechnung geht. Auch ein Letztverantwortlicher für einen solchen Prozess müsste benannt werden.
Fixer Bestandteil des neuen Modells, das in den Niederlanden entwickelt wurde, ist, dass sich Prüfer der Finanz mit Vertretern von Unternehmen regelmäßig treffen. Die Firmen sind verpflichtet, im Zuge dieser Gespräche alle steuerrelevanten Informationen weiterzugeben. Die Finanz soll strittige und wichtige Sachverhal- te zeitnah erfahren, statt Jahre später beurteilen zu müssen, so die Idee. Experten sprechen deshalb von „begleitender Kontrolle“.
„Damit ist die Chance, problematische Dinge aufzudecken viel größer“, sagt Tina Ehrke-Rabel, Finanzrechtlerin an der Karl-Franzens-Universität Graz, die nebenbei als Steuerberaterin arbeitet.
Aber besteht nicht die Gefahr, dass Unternehmen das Modell ausnutzen? Das Kontrollsystem beruht auf den eigenen Mitarbeitern und auf einem Gütesiegel von Steuerprüfern, die das Unternehmen selbst bezahlt. Ehrke-Rabel sieht darin kein Problem: Stichprobenartige Kontrollen von Büchern und Rechnungen werde es weiterhin geben, sagt sie. Das neue Modell tauge nur für Firmen, die grundsätzlich bereit sind, alles offenzulegen, und nicht an Schummeleien interessiert sind. Wo die Finanz diese Gewissheit nicht habe, müsse die klassische Prüfung weiterbestehen.
Bruno Rossmann, Steuerexperte der Liste Pilz, ist nicht gegen das neue System. Zwei Einwände hat er aber: Für die begleitende Kontrolle würden Großbetriebsprüfer abgestellt werden, die an anderer Stelle fehlen, so Rossmann. Zugleich verlangt er eine Rotation. Es sollen also nicht immer dieselben Steuerprüfer Unternehmen begleitend kontrollieren.
Bei der Finanz selbst rechnet man zunächst mit rund 170 Unternehmen, die das neue System in Anspruch nehmen, wobei es laufend mehr werden sollten.