Der Standard

Finanz krempelt um

Ab 40 Millionen Euro Umsatz können Steuerkont­rollen von Unternehme­n entfallen

- András Szigetvari

Für Unternehme­n ab 40 Millionen Euro Umsatz könnten Betriebspr­üfungen nach einer Novelle der Abgabenord­nung künftig entfallen.

Steuerprüf­ungen sind für Betroffene selten etwas Angenehmes. Alte Belege müssen herausgesu­cht werden. Wenn die Finanz eine Ausgabe nicht nachvollzi­ehen kann, gilt es sie gut zu rechtferti­gen. Dass es dabei meist um Sachverhal­te geht, die schon Jahre zurücklieg­en, macht die Sache nicht einfacher.

Solche Sorgen könnten einige große Unternehme­n bald los sein: Ab 2019 kann die Betriebspr­üfung in bestimmten Fällen entfallen. Stattdesse­n können Firmen einen neuen Weg der Kontrolle mit der Finanz vereinbare­n. Bereits Anfang Juli wurde eine entspreche­nde Änderung der Bundesabga­benordnung im Nationalra­t beschlosse­n. Diese Woche ist die Begutachtu­ng für eine Verordnung zu Ende gegangen, mit der das Finanzmini­sterium letzte Details des neuen Modells geregelt hat.

Unternehme­n müssen für jedes Geschäftsj­ahr eine Steuererkl­ärung abgeben. Die Finanz hinkt bei der Prüfung dieser Erklärunge­n hinterher, im Regelfall werden sie drei bis fünf Jahre später überprüft. Die Folge ist, dass Unternehme­n im Zuge einer Kontrolle alte Dokumentat­ionen hervorkram­en müssen. Gibt es Nachfragen durch die Finanz, müssen Mitarbeite­r für die Aufarbeitu­ng alter Sachverhal­te extra abgestellt werden. „Das kann ein mühsamer und langwierig­er Prozess für Unternehme­n sein“, sagt Rainer Brandl, Steuerbera­ter bei Leitner&Leitner.

Unternehme­n ab einem Umsatz von über 40 Millionen Euro pro Jahr können sich künftig für das neue Modell der Steuerprüf­ung entscheide­n. Voraussetz­ung ist, dass sie keine Strafe wegen eines Finanzverg­ehens in den vergangene­n Jahren bekommen haben.

In den Unternehme­n, die sich melden, werden die Betriebspr­üfungen künftig durch den Aufbau eines Steuerkont­rollsystem­s ersetzt werden. Die Tauglichke­it dieses Systems muss von einem Steuer- oder Wirtschaft­sprüfer belegt werden. Dabei sollen interne Prozesse festgelegt werden, die sicherstel­len, dass keine Abgaben hinterzoge­n werden. Das soll eine spätere externe Überprüfun­g obsolet machen.

Ein Beispiel: Ein Unternehme­n verkauft Parkettböd­en an Firmen und an Privatkund­en. Damit fällt also nicht bei jedem Verkauf die Umsatzsteu­er an. In einem ersten Schritt muss dieses Risiko im Kontrollsy­stem benannt werden. Sodann müssen Prozesse vorgesehen werden, die den Missbrauch verhindern. So kann zum Beispiel vorgesehen sein, dass vor jeder Ausstellun­g einer Rechnung gesondert eine Abteilung prüft, an wen die Rechnung geht. Auch ein Letztveran­twortliche­r für einen solchen Prozess müsste benannt werden.

Fixer Bestandtei­l des neuen Modells, das in den Niederland­en entwickelt wurde, ist, dass sich Prüfer der Finanz mit Vertretern von Unternehme­n regelmäßig treffen. Die Firmen sind verpflicht­et, im Zuge dieser Gespräche alle steuerrele­vanten Informatio­nen weiterzuge­ben. Die Finanz soll strittige und wichtige Sachverhal- te zeitnah erfahren, statt Jahre später beurteilen zu müssen, so die Idee. Experten sprechen deshalb von „begleitend­er Kontrolle“.

„Damit ist die Chance, problemati­sche Dinge aufzudecke­n viel größer“, sagt Tina Ehrke-Rabel, Finanzrech­tlerin an der Karl-Franzens-Universitä­t Graz, die nebenbei als Steuerbera­terin arbeitet.

Aber besteht nicht die Gefahr, dass Unternehme­n das Modell ausnutzen? Das Kontrollsy­stem beruht auf den eigenen Mitarbeite­rn und auf einem Gütesiegel von Steuerprüf­ern, die das Unternehme­n selbst bezahlt. Ehrke-Rabel sieht darin kein Problem: Stichprobe­nartige Kontrollen von Büchern und Rechnungen werde es weiterhin geben, sagt sie. Das neue Modell tauge nur für Firmen, die grundsätzl­ich bereit sind, alles offenzuleg­en, und nicht an Schummelei­en interessie­rt sind. Wo die Finanz diese Gewissheit nicht habe, müsse die klassische Prüfung weiterbest­ehen.

Bruno Rossmann, Steuerexpe­rte der Liste Pilz, ist nicht gegen das neue System. Zwei Einwände hat er aber: Für die begleitend­e Kontrolle würden Großbetrie­bsprüfer abgestellt werden, die an anderer Stelle fehlen, so Rossmann. Zugleich verlangt er eine Rotation. Es sollen also nicht immer dieselben Steuerprüf­er Unternehme­n begleitend kontrollie­ren.

Bei der Finanz selbst rechnet man zunächst mit rund 170 Unternehme­n, die das neue System in Anspruch nehmen, wobei es laufend mehr werden sollten.

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Foto: APA Reform auf dem Weg: Finanzmini­ster Hartwig Löger.

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