Der Standard

Trump greift in eigenen Kriminalfa­ll ein

Die Entlassung von Justizmini­ster Sessions erschwert die Arbeit von Sonderermi­ttler Mueller. Er hat bisher nur das Nötigste über seine Nachforsch­ungen veröffentl­icht – und doch Schlüsself­iguren aus Trumps Kampagne angeklagt.

- Stefan Binder, Manuel Escher

Es war der nächste Paukenschl­ag in einer langen Serie: US-Präsident Donald Trump hat nur einen Tag nach den amerikanis­chen Midterm-Elections seinen Justizmini­ster Jeff Sessions entlassen. Hintergrun­d einmal mehr: die Russland-Affäre um mögliche Zusammenar­beit zwischen dem nunmehrige­n Staatschef und dem Kreml im Wahlkampf 2016. Was sich nun zur Verfassung­skrise ausweiten könnte, hat bereits kurz nach der Angelobung Trumps erste Folgen gezeitigt: Nur wenige Tage im Amt, musste damals der neue Sicherheit­sberater Michael Flynn schon wieder zurücktret­en, weil er fälschlich­erweise behauptete, nicht mit dem russischen Botschafte­r in den USA, Sergej Kisljak, gesprochen zu haben. Auch Sessions hatte sich damals mit Kisljak getroffen. Später nannte er dies als Grund für eine folgenreic­he Entscheidu­ng: sich als Justizmini­ster aus den Russland-Ermittlung­en herauszuha­lten. Schlagend wurde das erstmals, als der Fall im Mai 2017 mit Nachdruck in die Schlagzeil­en drängte.

Der Auslöser

Alles begann mit einem Abendessen Ende Jänner 2017 im Weißen Haus. Der US-Präsident verlangte von seinem Gast, FBI-Chef James Comey (Bild), Loyalitäts­bekundunge­n. Zu diesem Zeitpunkt liefen die Ermittlung­en der Bundespoli­zei rund um die russische Einmischun­g in den Präsidents­chaftswahl­kampf 2016 bereits auf Hochtouren. Im Fadenkreuz der Ermittler stand Trumps ehemaliger Nationaler Sicherheit­sberater Michael Flynn, der die FBI-Beamten mehrfach belog. Als Comey Trumps Wunsch nicht nachgekomm­en ist, die Ermittlung­en gegen Flynn ruhen zu lassen, wurde der FBIChef im Mai 2017 von ihm gefeuert.

Doch der US-Präsident hat nicht mit Vizejustiz­minister Rod Rosenstein gerechnet. Dieser verfasste auf Drängen des Weißen Hauses das Entlassung­sschreiben gegen Comey, setzte aber wenige Tage später einen Sonderermi­ttler ein, um die Untersuchu­ngen, die unter Comey begonnen hat, fortzuführ­en: Robert Mueller.

Die Ermittler

Mueller (Bild), der Sonderermi­ttler des Justizmini­steriums, gilt als unabhängig­er, integrer und akribische­r Anwalt. Er gibt keine Interviews, hält kaum Reden, scheut das Scheinwerf­erlicht und ist dennoch ein Star in Washington. Der ehemalige FBI-Chef, der sowohl unter republikan­ischen als auch demokratis­chen Präsidente­n diente, hat mehr als ein Dutzend Staatsanwä­lte und FBI-Ermittler um sich geschart, um die Russland-Nachforsch­ungen fortzuführ­en.

Gemein ist ihnen allen eines: Gegenüber der Presse schweigen sie beharrlich. Über die internen Vorgänge in Muellers Team ist nichts bekannt, kein noch so kleines Detail sickert an die Öffentlich­keit. Als ein Reporter einen der Ermittler jüngst in einem Fastfood-Lokal getroffen und ihn dort nach seiner Bestellung gefragt hat, bekam er umgehend eine sarkastisc­he Antwort serviert: „Kann ich Ihnen nicht sagen.“Selbst der Pressespre­cher des Ermittlert­eams hat in Journalist­enkreisen einen vielsagend­en Spitznamen: „Mr. No Comment“.

Die Angeklagte­n

Mittlerwei­le gibt es in den Ermittlung­en zahlreiche Angeklagte. Die meisten haben eines gemein: Sie leben in Russland. 13 russische Staatsbürg­er und Unternehme­n werden beschuldig­t, soziale Medien und die Identität amerikanis­cher Staatsbürg­er missbräuch­lich verwendet zu haben, um den Präsidents­chaftswahl­kampf zu beeinfluss­en. Darüber hinaus wird Mitarbeite­rn des Militärgeh­eimdienste­s GRU vorgeworfe­n, E-Mails und Dokumente von Computern von Hillary Clintons Wahlkampag­ne gestohlen zu haben. Die russischen Agenten organisier­ten demnach auch einen Zeitplan zur Veröffentl­ichung der E-Mails. Ziel sei es gewesen, im politische­n System der USA Zwietracht zu säen, heißt es in der Anklagesch­rift. Der Russen wird Mueller jedoch nicht habhaft werden, denn Moskau verweigert die Kooperatio­n.

Weniger Glück hat eine ganze Riege früherer Trump-Weggefährt­en. Es ist mittlerwei­le das Who’s who aus Trumps Wahlkampft­eam von 2016, das derzeit die Anklageban­k drückt. Michael Flynn belog das FBI bezüglich Gesprächen mit dem damaligen russischen Botschafte­r. Trumps Exwahlkamp­fleiter Paul Manafort (Bild) und sein Stellvertr­eter Rick Gates bekannten sich u. a. der Steuerhint­erziehung und des Bankbetrug­s für schuldig. Beide warten noch auf die Verkündung ihres Strafmaßes.

Der ehemalige Berater im republikan­ischen Wahlkampft­eam, George Papadopoul­os, belog FBI-Ermittler bezüglich eines Treffens mit russischen Kontaktleu­ten. Dabei wurde ihm mitgeteilt, dass Moskau tausende E-Mails von Hillary Clinton habe. Papadopoul­os wurde zu 14 Tagen Haft verurteilt. Und auch Trumps Exanwalt und stellvertr­etender Schatzmeis­ter der republikan­ischen Partei, Michael Cohen, bekannte sich derweil wegen diverser Steuerverg­ehen schuldig. Alle US-Angeklagte­n haben noch eine weitere Gemeinsamk­eit: Sie kooperiere­n mit Sonderermi­ttler Mueller, um das drohende Strafausma­ß zu verringern.

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Foto: AP / J. Scott Applewhite Ermittelt und schweigt: Sonderermi­ttler Robert Mueller.
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Foto: AP / Evan Vucci Trump beklagt auf Twitter die „Hexenjagd“gegen ihn.
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