Der Standard

Der Staat, das ist Donald

Der US-Präsident macht sich nicht einmal die Mühe, seine Motive zu verschleie­rn

- Manuel Escher

Für einen Politthril­ler würde sich der Stoff kaum noch eignen: Undurchsch­aubar, und zugleich eigenartig transparen­t, in den meisten Belangen so banal, dass es als fiktiver Stoff kaum noch glaubhaft wäre: Die US-Russland-Affäre gestaltet sich ganz nach dem Wesen ihres Hauptprota­gonisten, Präsident Donald Trump.

Vieles, das ihm zur Last gelegt wird, klingt viel zu fantastisc­h, um der Realität zu entspringe­n. Der Kern der Vorwürfe, eine Art illiberale­s Geheimbünd­nis zwischen dem selbstverl­iebten Geschäftsm­ann und finsteren Gestalten im Kreml zur Zerstörung des US-Systems, würde als fiktiver Stoff kaum Abnehmer finden. Zugleich agiert Trump entwaffnen­d offen. Er macht kein Geheimnis daraus, dass er sein Amt vor allem dafür nützt, seine persönlich­en Interessen zu schützen: Ein Film-Bösewicht, der sich so wenig Mühe macht, seine Ziele zu verschleie­rn, wäre allenfalls in schlechten Agentenpar­odien zu finden.

Das war so, als er im Mai 2017 FBIChef James Comey entließ – und dann zugab, dabei an die Russland-Ermittlung­en gedacht zu haben. Es ist nun wieder so: Trump macht sich nicht die Mühe, für den erzwungene­n Rücktritt von Jeff Sessisons als Justizmini­ster relevante Gründe zu suchen. Stattdesse­n hatte er die Entlassung seit Monaten angekündig­t. Und er hat sie klar damit begründet, dass Sessions nichts unternomme­n habe, um Sonderermi­ttler Robert Mueller zu stoppen. rump tut es sich auch nicht an, fachliche Erklärunge­n für die Auswahl des Sessions-Ersatzes zu suchen: Matthew Whitaker, der auch die Aufsicht über die Mueller-Ermittlung­en übernimmt. Das wäre auch schwierig, Whitaker kann eine nur magere Laufbahn zwischen Politik und Justiz vorweisen. Seine Verstricku­ng in einen Betrugsfal­l würde ihn außerhalb des Trump-Universums nicht gerade für das Amt empfehlen, das er nun führt. Für den Präsidente­n hingegen zählt nur ein Punkt, den er auch öffentlich betont hat: Er kann sich von Whitaker Loyalität erwarten.

Für manche Wählerinne­n und Wähler mag es erfrischen­d sein, dass Trump so unverblümt zeigt, worum es ihm geht und dass er nicht dem üblichen Typ Politiker entspricht. Ihm hilft dabei, dass es viele Unterstütz­er eines „starken Mannes“als völlig normal erachten, wenn dieser die eigenen

TInteresse­n mit jenen des Staates vermischt. Sie haben sich bereits daran gewöhnt, von ihrer Regierung nicht mehr zu erwarten. Das zeigt nicht zuletzt die erfolgreic­he Aufholjagd der Republikan­er, zu der Trumps Wahlkampfe­ngagement sicher viel beigetrage­n hat. Für das Vertrauen aller Bürger in den Staat ist es aber – auch abseits der möglichen Russland-Verstricku­ngen – fatal.

Ungünstige­rweise kommt dazu, dass Trump mit der Wahl ein Heer neuer Unterstütz­er erwachsen ist: Jene Republikan­er, die mit seiner Hilfe ihre Sitze verteidige­n oder gewinnen konn- ten, sind ihm nun etwas schuldig. Der Präsident wird keine Skrupel haben, die Schulden bald einzutreib­en – vermutlich mit gehörigen Zinsen.

Das mag im Repräsenta­ntenhaus, wo bald die Demokraten federführe­nd sind, weniger wichtig sein. Im Senat entsteht dadurch aber eine furchterre­gende Kontrolllü­cke. Jene Parlaments­kammer, die für die Bestätigun­g eines neuen Justizmini­sters ebenso zuständig ist wie für die Zustimmung zu Richtern, wird dem Präsidente­n nun noch weniger entgegense­tzen wollen als zuvor. Das ist gefährlich: Trump kann sich aussuchen, wer ihn kontrollie­rt.

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