Der Standard

Nadelstich­e im Dieselland

- Regina Bruckner

Es mutet fast absurd an. Ein Gericht in Wien spricht einer VW-Käuferin eine Summe zu, die den Betrag, den sie für den Kauf des Autos vor Jahren ausgegeben hat, noch übertrifft. Grund ist die eingebaute Schummelso­ftware. Hält das Urteil in letzter Instanz, muss der VW-Händler den Diesel-Golf zurücknehm­en und der Käuferin 29.000 Euro erstatten. Gezahlt hat sie einst 26.500 Euro. Tun manche Richter des Guten zu viel?

Was übertriebe­n scheint, lässt sich juristisch durchaus rechtferti­gen. In der Sache folgt das Gericht der Argumentat­ion der Klägerin. Sie habe das Auto kaum genutzt. Mit einem Golf könne man 250.000 Kilometer fahren, sie sei nur auf 25.000 Kilometer gekommen, damit betrage der Restwert 90 Prozent des Kaufpreise­s. Zuzüglich Zinsen wäre das der genannte Betrag. Grundlage des Urteils ist, dass das Gericht die Abschaltei­nrichtung für unzulässig erachtet. Dies steht für die Justiz inzwischen außer Zweifel.

Dennoch muss sich Volkswagen in diesen Verfahren nur mit Nadelstich­en herumschla­gen. Drei Jahre nach Auffliegen des Dieselskan­dals versuchen Einzelkämp­fer vor Gericht recht zu bekommen oder schließen sich einer Sammelklag­e an. Die Autobauer putzen sich immer noch ab. Hierzuland­e wird über eine Hardwarena­chrüstung gar nicht diskutiert. In Deutschlan­d ist die Frage, wer sie bezahlen muss, immer noch ungeklärt – angesichts der ganz realen Fahrverbot­e für Dieselfahr­er ein Hohn.

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