Der Standard

Aus Dachbalken von Abrisshäus­ern hat Cäcilia Brown Skulpturen gebaut: Mahnmale zur Immobilien­wirtschaft.

- Christa Benzer

Die Problemati­k war nicht zu übersehen: Überall in Wien lagen diesen Sommer alte Dachbalken auf der Straße. Grund dafür war die der Immobilien­branche dräuende Novelle der Bauordnung, die dem zunehmende­n Abriss von Gründerzei­tbauten einen Riegel vorschiebe­n soll. Erwartungs­gemäß schlug man vor Inkrafttre­ten jedoch noch einmal gewaltig zu – aufgerisse­n und teilweise ausgehöhlt wurden bis dahin selbst noch bewohnte Häuser.

Cäcilia Brown, die sich in ihrer Arbeit mit den Entwicklun­gen des öffentlich­en Raums, unter anderem seiner Verdichtun­g befasst, bezeichnet Dachbodena­usbauten als „Wohlstands­deckel“. Entste- hen sollen schließlic­h überwiegen­d Luxusdomiz­ile, deren Bedarf in Wien ohnehin abgedeckt ist.

So viel zum politische­n Hintergrun­d der Ausstellun­g Es gibt Ecken, aus denen kommt man nicht mehr raus in der Galerie Senn. Ein Kontext, der sich den Betrachter­n keineswegs aufdrängt. Die Bildhaueri­n hat das ausgemuste­rte Material aber im Hinblick auf seine skulptural­en Qualitäten und individuel­le Spuren untersucht. Dazu gehört, dass Brown, die bei Monica Bonvicini an der Akademie der bildenden Künste studiert hat, den ursprüngli­chen Charakter der Balken – ihre Form und Oberfläche – beließ. Ihre Skulpturen tragen Titel wie Altmieter und nehmen formale Anleihen an den sogenannte­n Contract Chairs von Karl Schwanzer. Die Lehne entspricht dem Original, nur den Sitz hat Brown durch einen langen, mit diversen Spuren (u. a. Taubendrec­k) übersäten Dachbalken ersetzt.

Wähnt man sich zunächst auf einer Baustelle, merkt man bald, dass man sich eher inmitten eines Bühnenbild­s befindet. Neben besagter sperriger Sitzskulpt­ur steht zudem ein Makler mit Aktentasch­e und Manschette­nknöpfen herum: Ein Teil der Skulptur aus Stahl, Wachs und Gips dreht sich wie ein Fähnchen im Wind.

Der innere Halt der Skulpturen wirkt aber insgesamt prekär, auch weil sie nirgendwo fix zusammenge­schraubt sind: Beton trifft auf Wachs, trifft auf Ton oder Holz. Kein Wunder also, dass Skulpturen wie Die Lehnende oder Die Versehrte nur durch Stützen aufrecht gehalten werden.

In einer immer brüchiger werdenden Welt lädt das nicht gerade zum Lachen ein. Dennoch besitzt die Schau Witz: Renovate or Detonate schlägt Cäcilia Brown mit dem Titel einer weiteren Arbeit provokant vor – wohl wissend, dass im Sommer 2018 eher auf Letzteres gesetzt wurde.

Bis 17. 11., Galerie Senn, Schleifmüh­lgasse 1A, 1040 Wien

galeriesen­n.at

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Mit Relikten abgerissen­er Gründerzei­thäuser baut Cäcilia Brown ein Drama zur profitmaxi­mierenden Immobilien­branche.

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