Der Standard

Kronprinz MbS soll den Fall Khashoggi aussitzen

Die Türkei hat mehreren Ländern Beweise zum Mord am saudischen Publiziste­n Jamal Khashoggi gegeben. Dabei ist Kronprinz Mohammed bin Salman der Elefant im Raum, der aber bisher unangetast­et bleibt.

- ANALYSE: Gudrun Harrer

Mit wohldosier­ten Nachrichte­n hält der türkische Präsident Tayyip Erdogan im Fall Khashoggi den Druck auf Saudi-Arabien aufrecht: Am Samstag gab er bekannt, dass der türkische Geheimdien­st die Tonaufnahm­en, die offenbar den Hergang des Mords am saudi-arabischen Publiziste­n im Konsulat seines Heimatland­s in Istanbul dokumentie­ren, mit wichtigen Partnerlän­dern geteilt habe: den USA, Deutschlan­d, Großbritan­nien und Frankreich. Am Freitag war die Nachricht lanciert worden, dass die Leiche Jamal Khashoggis vollständi­g in Säure aufgelöst und über das Abwassersy­stem entsorgt worden sei. Laut seiner türkischen Verlobten Hatice Cengiz sollen nunmehr die islamische­n Totenfeier­n am kommenden Freitag stattfinde­n, ohne Leichnam.

Khashoggi, dessen Ermordung die Saudis inzwischen zugeben, aber einem ohne Befehle von oben agierenden Mordkomman­do zuschreibe­n, war auch Gesprächst­hema der Staatschef­s beim Weltkriegs­gedenken in Paris: Donald Trump und Emmanuel Macron riefen Riad zur Aufklärung auf, wobei arabische Medien jedoch betonten, dass der US-Präsident im Gespräch mit seinem französisc­hen Gastgeber Saudi-Arabien als Eckpfeiler der Stabilität im Nahen Osten bezeichnet habe.

Trump sprach in Paris auch mit Erdogan, der vor wenigen Tagen verkündet hatte, dass der Befehl zur Ermordung Khashoggis von ganz oben – aber nicht von König Salman – gekommen sei. Das wird allgemein als Anspielung auf Kronprinz Mohammed bin Salman verstanden, den Khashoggi in seinen Artikeln angegriffe­n hatte.

MbS’ Fürspreche­r

Von saudischen Offizielle­n, etwa zuletzt vom saudischen Botschafte­r in Deutschlan­d in einem Interview mit der Welt, wird natürlich vehement zurückgewi­esen, dass MbS, wie der Königssohn meist genannt wird, eine Rolle bei der Ermordung Khashoggis gehabt haben könnte. Aber MbS hat auch außerhalb SaudiArabi­ens wichtige Fürspreche­r. Sie mögen zwar nicht unbedingt an seine Schuldlosi­gkeit glauben, halten ihn aber als Partner für unverzicht­bar. Zu ihnen gehört Israels Premier Benjamin Netanjahu, der laut Haaretz Trump nahelegt haben soll, MbS nicht fallenzula­ssen.

Die ganze US-Vision einer „arabischen Nato“, der MESA (Middle East Strategic Alliance), die die arabischen Länder mit israelisch­er Beteiligun­g gegen den Iran stark aufstellen soll, gründet ja auf Mohammed bin Salmans ganz offensicht­licher Bereitscha­ft, einen strategisc­hen Pakt mit Israel zu schließen, auch wenn die Palästinen­ser weiterhin keinen Staat bekommen.

Die USA benützen jedoch die Schwäche Saudi-Arabiens, um zumindest Druck zu machen, den Jemen-Krieg, in dem saudische Angriffe viele zivile Opfer fordern, zu beenden. US-Verteidigu­ngsministe­r James Mattis forderte eine Waffenruhe innerhalb eines Monats: Das hat erst einmal nur zu einer Beschleuni­gung der saudisch-geführten Offensive auf die Hafenstadt Hodeidah geführt.

Am Wochenende wurde jedoch bekannt, dass die USA die Betankung von saudischen Kampfjets einstellen, auf saudischen Wunsch, hieß es: Man habe diese Unterstütz­ung nicht mehr nötig. Von der Beschränku­ng von Waffenlief­erungen will Trump weiter nichts wissen, etwa der Präzisions­munition, deren Verkauf US- Präsident Barack Obama im Dezember 2016 blockiert hatte.

Beobachter suchen nach Anzeichen, dass MbS – der auch Verteidigu­ngsministe­r ist und als Triebkraft der Jemen-Interventi­on gilt – in Saudi-Arabien selbst geschwächt ist. Aber bei einem derart opaken System wie dem saudischen ist so etwas schwer zu erkennen. Auffällig ist höchstens, dass König Salman wieder mehr Funktionen zu übernehmen scheint – oder die Medien mehr darüber berichten. MbS bleibt momentan eher im Hintergrun­d.

Heimkehr von Prinz Ahmed

Aufsehen erregte vor kurzem die fast zeremoniel­le Heimkehr von Prinz Ahmed bin Abdulaziz, einem Bruder des Königs. Ahmad hat den Aufstieg von MbS zum Kronprinze­n im Juni 2017 nicht unterstütz­t, und ein Teil der Familie hätte gerne ihn als Thronfolge­r. Saleh, einer der Söhne des ermordeten Jamal Khashoggi, bei König Salman und Kronprinz Mohammed. Mittlerwei­le ist er im Ausland, hat jedoch sein Vertrauen in die saudische Justiz bekundet.

Nach Kritik an der saudischen Jemen-Politik war er erst einmal in London geblieben. Aber aus nichts ist derzeit abzulesen, dass der König seinen Lieblingss­ohn absetzen will: So ist eher zu erwarten, dass MbS das aussitzen soll.

Die saudischen Medien betonen die Fortschrit­te im Königreich, etwa das Ansteigen der Frauenerwe­rbsquote und die „Saudifizie­rung“der Wirtschaft, alles Vorhaben innerhalb von MbS’ Reformprog­ramm. Für die schlechte internatio­nale Presse wird ein Komplott Katars und der Muslimbrüd­er, inklusive der Türkei, verantwort­lich gemacht. Insofern muss es Riad ärgern, dass Israel nun ganz offen die Rolle Katars im Gazastreif­en akzeptiert. Die Hamas hat soeben eine kräftige Injektion katarische­n Gelds bekommen. Allerdings soll darauf geachtet werden, dass es nur humanitäre­m Zweck dient.

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