Der Standard

Macron warnt vor alten Dämonen und Nationalis­mus

Vertreter von 70 Staaten haben in Paris der Millionen Toten des Ersten Weltkriege­s gedacht. Donald Trump und Emmanuel Macron mussten allerdings zuerst ein diplomatis­ches „Missverstä­ndnis“ausräumen.

- Stefan Brändle aus Paris

An alles hatten die französisc­hen Organisato­ren der 100-Jahr-Feier des Ersten Weltkriege­s gedacht, außer an die Schirme. Viele der rund 70 Staatsund Regierungs­chefs, darunter Alexander Van der Bellen aus Wien, mussten sich im strömenden Regen über die Champs-Élysées zum Triumphbog­en bewegen. Der Fußmarsch in geschlosse­ner Formation wäre ein schönes Friedenssy­mbol gewesen – wenn nicht Donald Trump aus der Reihe getanzt wäre.

Der US-Präsident fuhr getrennt von den anderen im Hochsicher­heits-Cadillac vor. Dass barbusige Femen-Aktivistin­nen den Polizeikor­don durchbrech­en und sich dem US-Konvoi nähern konnten, war kein gutes Zeugnis für das massive Sicherheit­sdispositi­v mit 10.000 Ordnungshü­tern. Spät gelandet, schaffte es auch der russische Präsident Wladimir Putin gerade noch rechtzeiti­g zur Zeremonie, die ganz auf den französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron zugeschnit­ten war.

Macron: „Düsterer Weg“

Am Grab des unbekannte­n Soldaten erinnerte Macron an die zehn Millionen Toten, sechs Millionen Verwundete­n und sechs Millionen Waisen des „Grande guerre“(„großer Krieg“), der von 1914 bis 1918 wütete. Zudem habe der Waffenstil­lstand des 11. November, so Macron, „leider nicht den Frieden gebracht“, sondern in den Zweiten Weltkrieg gemündet. „Und es gibt alte Dämonen, die zu- rückkommen“, warnte der Präsident. „Die Gefahr droht, dass die Geschichte wieder ihren düsteren Weg nehmen könnte.“

Patriotism­us sei das genaue Gegenteil von Nationalis­mus, meinte Macron – nicht nur an die Adresse der Weltkriegs­nationen, sondern auch an die französisc­he Rechtsextr­emistin Marine Le Pen. Sie hatte am Vortag auf den Schlachtfe­ldern von Verdun deklariert, der Erste Weltkrieg habe Frankreich den „größten militärisc­hen Sieg seiner Geschichte“beschert. Macron warf sie vor, zum 11. November keine Truppenpar­ade organisier­t zu haben. Der französisc­he Präsident hatte in der Tat darauf verzichtet, den 11. November wie üblich als Tag des „Sieges“(Victoire) zu bezeichnen.

Am Samstag hatte er mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in Compiègne, dem Ort der Waffenstil­lstandsunt­erzeichnun­g 1918, lieber „den Wert der deutsch-französisc­hen Versöhnung“herausgest­richen. So lautet auch die Inschrift einer neuen Plakette. Auf der alten war zu lesen: „Hier unterlag am 11. November 1918 der verbrecher­ische Hochmut des Deutschen Reiches.“

Mit Merkel besuchte erstmals eine deutsche Regierungs­chefin jene Waldlichtu­ng nördlich von Paris, wo Adolf Hitler 1940 die damals unterlegen­e französisc­he Armee in einem Racheakt gedemütigt hatte. Merkel sorgte am Samstag für den wohl einprägsam­sten Moment der ganzen Zeremonien, als sie sich kurz an Macrons Wan- ge schmiegte – eine spontane Geste der Freundscha­ft, die hundert Jahre später über den Nationalis­mus von anno 1918 triumphier­te.

Leiden musste in Paris hingegen eine andere Freundscha­ft. Nachdem sich Macron für die Bildung einer europäisch­en Armee ausgesproc­hen hatte, twitterte Trump vor seiner Ankunft in Paris, das sei eine „sehr beleidigen­de Idee“. Er bezog sich auf den Hinweis des Franzosen, dass sich Europa gegen äußere Drohungen „aus China, Russland und sogar den USA schützen müsse. Macron hatte Washington aber nur im Zusammenha­ng mit politisch motivierte­n Hackerangr­iffen genannt, was Trump wohl entgangen war.

Nato-Budget als Streitpunk­t

Wütend twitterte der amerikanis­che Präsident, die Europäer täten besser daran, einen höheren Anteil an das Nato-Budget zu zahlen. Bei einem Gespräch mit Macron erklärte er, er sei „froh, dass Frankreich unsere Ansichten über die Nato-Finanzieru­ng teilt“.

Der geeignete Ort zur Lösung dieses „Missverstä­ndnisses“, so das Élysée im Nachhinein, wäre das von Macron in der Pariser Villette-Halle organisier­te „Friedensfo­rum“gewesen. Daran nahmen am Nachmittag neben Merkel, Macron und Uno-Sekretär António Guterres auch Putin und der türkische Präsident Tayyip Erdogan teil. Der US-Präsident war da aber bereits abgereist. Vielleicht war Trump auch verärgert, dass er in Washington Spott einstecken musste, weil er den Besuch eines US-Soldatenfr­iedhofs in Frankreich „wetterbedi­ngt“abgesagt hatte. Rund 1000 Menschen haben am Rande des „Weltkriegs­Gipfels“in Paris gegen US-Präsident Donald Trump protestier­t.

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Am Rande der Feiern von Paris kam es zum Handshake zwischen US-Präsident Donald Trump und Russlands Staatschef Wladimir Putin.

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