Der Standard

Verwaltung­sgerichtsh­of stärkt Bürgerinit­iativen

Beschwerde­recht auch bei einfachen UVP-Verfahren widerspric­ht Regierungs­politik

- Dieter Altenburge­r

Wien – Wie viel Öffentlich­keitsbetei­ligung ist für straffe Umweltverf­ahren verträglic­h? Diese Frage steht aktuell im Fokus der rechtspoli­tischen Diskussion. Auf der einen Seite finden sich Verfahrens­beschleuni­gung und Standortsi­cherung im Lastenheft der Regierung. Auf der anderen Seite haben sich Österreich und die EU mit dem Beitritt zur Aarhus-Konvention zur Gewährung einer umfassende­n Öffentlich­keitsbetei­ligung verpflicht­et.

Gerade hat der Gesetzgebe­r mit der UVP-Novelle 2018 eine zusätzlich­e Hürde für Umweltorga­nisationen bei Umweltvert­räglichkei­tsprüfunge­n eingeführt – sie müssen in Zukunft mindestens hundert Mitglieder aufweisen und werden laufend überprüft –, schon öffnet der Verwaltung­sgerichtsh­of der Öffentlich­keit ein bisher verschloss­enes Tor. Bürgerinit­iativen haben künftig auch in vereinfach­ten UVP-Verfahren Parteistel­lung und Beschwerde­befugnis; die entgegenst­ehende innerstaat­liche Norm hat aufgrund des Vorrangs des Unionsrech­ts unangewend­et zu bleiben, heißt es in einem aktuellen Erkenntnis (VwGH 27. 9. 2017, Ro 2015/06/0008-7). Dabei ging es um eine Bürgerinit­iative, die bei einem Verkehrssy­stem in Feldkirch mitreden wollte.

Seit der Differenzi­erung zwischen normalem und vereinfach­tem UVP-Verfahren im Jahr 2000 war diese Frage strittig. Gegen die volle Parteistel­lung wurde unter anderem eingewandt, dass die Aarhus-Konvention Bürgerinit­iativen nicht kennt und sich insofern an der Unterschei­dung nicht stören kann.

Das hat der VwGH nun anders gesehen. Immerhin setze die Gründung einer Bürgerinit­iative einen Zusammensc­hluss von zweihunder­t natürliche­n Personen voraus, deren örtliche Nahebezieh­ung zum Vorhaben sich durch ihre notwendige Wahlberech­tigung verdichte. Daraus erschließt sich eine – zumindest wahrschein­liche – Betroffenh­eit.

Unauflösba­rer Widerspruc­h?

Die Vorstellun­gen der Regierung und jüngere Entscheidu­ngen von EuGH und VwGH lassen sich derzeit bei umweltrele­vanten Themen generell nur schwer in Einklang bringen. Man denke nur an den – mittlerwei­le zurückgezo­genen – Vorschlag zu einem Standorten­t- wicklungsg­esetz (Stichwort: Genehmigun­gsfiktion), den Juristen auf beiden Seiten – Projektwer­berund Projektgeg­nervertret­er – in ungewohnte­r Einigkeit ablehnten. Oder an die EuGH-Entscheidu­ngen „Protect“bzw. das VwGH-Erkenntnis „Luftreinha­lteplan Salzburg“, in denen die Gerichte der Öffentlich­keit innerstaat­lich nicht vorgesehen­e Rechte zusprachen. Verfahrens­beschleuni­gung und Öffentlich­keitsbetei­ligung scheinen im unauflösba­ren Widerspruc­h zueinander zu stehen.

Doch dies trifft nicht den Kern des Problems: Der größte Zeitverlus­t resultiert nicht aus der Öffentlich­keitsbetei­ligung, sondern aus dem überborden­den Untersuchu­ngsumfang. Natürlich wird bei den entspreche­nden Abgrenzung­en von der Öffentlich­keit immer ein Mehr gefordert. Diese Forderung allein bewirkt aber noch keine Verfahrens­verzögerun­g. In diesem Bereich braucht es eine straffe Verfahrens­führung, flankiert von gesetzlich­en Festlegung­en. Durch das Einfrieren des Stands der Technik mit dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlun­g, das ebenfalls mit der aktuellen UVPG-Novelle beschlosse­n wurde, wird für eine Verfahrens­beschleuni­gung deutlich mehr getan als mit Überlegung­en zur Beschränku­ng von Parteienre­chten.

DIETER ALTENBURGE­R ist Partner bei Jarolim Partner Rechtsanwä­lte. dieter. altenburge­r@jarolim.at

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Foto: AP/Zak Bürgerinit­iativen gegen Bauvorhabe­n erhalten mehr Rechte.

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