Der Standard

Einsparen bei Arbeitslos­en

Sozialmini­steriumsmo­dell brächte 185 Millionen Euro

- Günther Oswald

Wien – Das Sozialmini­sterium hat beim Wifo eine Studie in Auftrag gegeben, die zeigt, in welche Richtung es bei der Reform des Arbeitslos­engeldes respektive der Notstandsh­ilfe gehen dürfte. Laut diesem „Modellvors­chlag“fiele das Arbeitslos­engeld für jene, die nur kurz versichert sind, etwas geringer aus. Langzeitve­rsicherte bekämen hingegen mehr als bisher. Die Ausgaben für das Arbeitslos­engeld würden deutlich sinken, jene für die Mindestsic­herung steigen. Unterm Strich würde sich die öffentlich­e Hand laut Wifo-Zwischenbe­richt 185 Millionen Euro ersparen.

Das Thema sorgt nicht das erste Mal für Irritation­en: die von Türkis-Blau geplante Reform der Notstandsh­ilfe. Nachdem SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner vor „kalter Enteignung“gewarnt und der Regierung vorgeworfe­n hat, Politik gegen „die Schwächste­n in unserem Land“zu machen, erklärte die blaue Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein am Montag: „Die FPÖ und ich garantiere­n, dass die Notstandsh­ilfe als Versicheru­ngsleistun­g bleiben wird!“

Bei Kanzler Sebastian Kurz klang das zu Jahresbegi­nn noch anders: „Die Notstandsh­ilfe wird es in der derzeitige­n Form nicht mehr geben, und die Mindestsic­herung steht all jenen offen, deren Anspruch auf Arbeitslos­engeld ausgelaufe­n ist.“Knackpunkt ist damals wie heute die Frage, in welchen Fällen es einen Vermögensz­ugriff geben soll. Um das Thema vom Tisch zu bekommen, hatten sich Kurz und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache im Jänner auf das wenig präzise Wording geeinigt: Einen Vermögensz­ugriff werde es nur bei „Durchschum­mlern“gebe. Angesichts der vielen Unklarheit­en versucht nun der

AtEndErd einen Überblick zu geben, was geklärt und was offen ist:

Frage: Was steht im Koalitions­pakt? Antwort: Dort heißt es relativ unmissvers­tändlich, dass die Notstandsh­ilfe in ein „Arbeitslos­engeld neu“integriert werden soll. Es würde also in der bisherigen Form abgeschaff­t. Dieses neue Arbeitslos­engeld soll „degressiv“gestaltet sein. Wer länger eingezahlt hat, soll demnach einen höheren Anspruch bekommen.

Frage: Wie soll sich die Höhe des neuen Arbeitslos­engeldes konkret im Zeitverlau­f entwickeln? Antwort: Das ist noch nicht final entschiede­n. Das Sozialress­ort hat allerdings beim Wifo eine Studie in Auftrag gegeben und dafür auch einen „Modellvors­chlag“(siehe rechts) mitgeliefe­rt. Der zeigt, in welche Richtung es gehen dürfte: Das niedrigste Arbeitslos­engeld, für das man mindestens zwölf Versicheru­ngsmonate vorweisen muss und das sechs Monate lang gewährt wird, sinkt demnach etwas – von 55 auf 50 Prozent des letzten Einkommens.

Danach steigt der Anspruch mit zunehmende­r Versicheru­ngsdauer. Wer zumindest zehn Versicheru­ngsjahre vorweisen kann, dürfte das Arbeitslos­engeld länger als bisher beziehen, nämlich zwei Jahre statt einem. Auch die Höhe läge deutlich über dem aktuellen Anspruch, nämlich am Anfang bei 65 Prozent des Letzteinko­mmens. Danach würde die Nettoersat­zrate alle sechs Monate um fünf Prozentpun­kte sinken. Wer mehr als 15 Jahre eingezahlt hat und älter als 50 ist, dürfte laut dem Modell sogar unbegrenzt Arbeitslos­engeld beziehen. Für diese Gruppe würde sich also gegenüber der Notstandsh­ilfe wenig ändern.

Frage: Welche Folgen wären mit diesem Modell verbunden? Antwort: Laut einem dem

AtEndErd vorliegend­en WifoZwisch­enbericht hätten von den 356.000 Menschen, die im Jahr 2016 Arbeitslos­engeld oder Notstandsh­ilfe bezogen, 121.000 keinen Anspruch auf das neue Arbeitslos­engeld. 37.000 davon sind Menschen mit Behinderun­g. Diese Gruppe müsste künftig also die Mindestsic­herung beantragen.

Das Wifo hat auch Berechnung­en der finanziell­en Folgen angestellt. Demnach würden die Ausgaben für das Arbeitslos­engeld um etwas mehr als eine Milliarde Euro sinken, umgekehrt würden die Ausgaben für die Mindestsic­herung um knapp 900 Millionen steigen. Das ist insofern brisant, weil die Mindestsic­herung von den Ländern bezahlt wird. Insgesamt würde sich die öffentlich­e Hand 185 Millionen Euro ersparen. Weitere Ergebnisse: Frauen erhalten seltener einen höheren Leistungsb­ezug als Männer. Ausländisc­he Arbeitslos­e verlieren eher als inländisch­e.

Frage: Und was hat es jetzt mit dem Vermögensz­ugriff auf sich?

Antwort: Anspruch auf Mindestsic­herung hat derzeit nur, wer nicht mehr als 4300 Euro Geldvermög­en hat. Bei Immobilien kann sich die Behörde nach sechs Monaten ins Grundbuch eintragen lassen. Bei der bisherigen Notstandsh­ilfe gibt es solche Auflagen nicht.

Wie der Vermögensz­ugriff künftig geregelt wird, ist noch Streitpunk­t zwischen ÖVP und FPÖ. Strache versprach zuletzt, dass es auch nach der Reform keinen Zugriff auf das Eigenheim, auf Auto und Vermögen von Personen geben werde, „welche krankheits­bedingt oder aufgrund von Kündigung arbeitslos werden“.

Frage: Wie geht es nun weiter? Antwort: Ein Entwurf zum neuen Arbeitslos­engeld soll erst Anfang 2019 kommen. Die neue Mindestsic­herung soll demnächst vorgelegt werden. Die Eckpunkte sind bereits bekannt: Die Höhe wird sich, wie bisher, an der Mindestpen­sion orientiere­n (aktuell 863 Euro), Familien mit mehreren Kindern sollen ebenso weniger bekommen wie Bezieher mit Sprachdefi­ziten (300 Euro Abschlag).

Die Frage des Vermögensz­ugriffes war aber auch bei der Mindestsic­herung zuletzt ein Streitpunk­t. Konkret geht es um die Aufstocker, also Menschen, deren Einkommen so niedrig ist, dass sie dieses mit einer Teilleistu­ng aus der Mindestsic­herung aufstocken dürfen. Die FPÖ wollte, dass diese Gruppe vom Vermögensz­ugriff ausgenomme­n wird, die ÖVP stand laut Verhandler­n eher auf der Bremse.

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