Der Standard

Rätselrate­n um israelisch­es Sonderkomm­ando

Beim Einsatz einer Spezialein­heit der Armee im Gazastreif­en eskalierte die Lage

- Lissy Kaufmann aus Tel Aviv

Am Tag danach kann die Frage nach dem Warum zumindest ansatzweis­e geklärt werden: Etwas muss wohl schiefgela­ufen sein bei dem geheimen Sondereins­atz der israelisch­en Armee im Gazastreif­en am Sonntagabe­nd – deshalb kam es zu dem Feuergefec­ht, bei dem ein israelisch­er Soldat und sieben Palästinen­ser getötet wurden, darunter der Bataillons­kommandeur der Hamas, Nur Baraka.

Was genau aber die israelisch­e Spezialein­heit in Chan Yunis im südlichen Gazastreif­en geplant hatte, die dort in einem Fahrzeug unterwegs war, bleibt weiterhin geheim. In israelisch­en Medien wird spekuliert, ob es um Informatio­nsbeschaff­ung zur Infrastruk­tur der Hamas ging – oder gar um die noch immer im Gazastreif­en vermissten Israelis. Immerhin: Einen Auftrag zum Töten hatten die Soldaten nach Angaben der Armee nicht: „Die Spezialope­ration gestern war nicht darauf ausgericht­et, Terroriste­n zu töten oder zu entführen, sondern um Israels Sicherheit zu stärken“, schrieb die Armee auf Twitter.

Dass Israels Luftwaffe der Spezialtru­ppe mit Beschuss aus der Luft helfen musste, aus dem Gaza- streifen zu gelangen, und bereits in der Nacht Raketenbes­chuss aus Gaza auf Israel folgte, kann jedenfalls kaum der Plan gewesen sein. Nicht ausgerechn­et jetzt: Nachdem seit dem Sommer die Lage in Gaza immer wieder eskalierte, ist die Hoffnung auf einen langfristi­gen Waffenstil­lstand in diesen Tagen so groß wie lange nicht.

Ungewöhnli­cher Zeitpunkt

Seit Wochen wird im Hintergrun­d unter Vermittlun­g von Ägypten verhandelt. Unter den Augen der Israelis erreichten vor wenigen Tagen sogar 15 Millionen Dollar aus Katar in Koffern den Gazastreif­en, um zivile Hamas-Mitarbeite­r zu bezahlen, die seit Monaten auf ihr Geld warten. Zum ersten Mal seit langem fließt der Strom in Gaza derzeit wieder länger als vier Stunden am Tag.

Und nur wenige Stunden vor dem Vorfall versichert­e auch Premier Benjamin Netanjahu bei seinem Besuch in Paris friedliche Absichten: „Ich tue alles, was ich kann, um einen unnötigen Krieg zu vermeiden“, sagte er bei einer Pressekonf­erenz. Sein Plan für den Gazastreif­en, so berichten israelisch­e Medien: kurzfristi­ge Ruhe, langfristi­ger Waffenstil­lstand – nur eine diplomatis­che Vereinbaru­ng lasse sich mit einer Terrorgrup­pe nicht schließen.

Der Vorfall am Sonntagabe­nd passt also nicht zu den derzeitige­n Entwicklun­gen. Zunächst sah es auch tatsächlic­h so aus, als würde sich die Lage schnell wieder beruhigen. Die Hamas, analysiert­e die israelisch­e Tageszeitu­ng Haaretz, könnte den Vorfall als Erfolg verbuchen und auf weitere Reaktionen verzichten.

Am Montagnach­mittag jedoch kam es erneut zu einer heftigen Eskalation: Mehr als hundert Mal wurden im Süden Israels Raketenang­riffe aus dem Gazastreif­en gemeldet, laut Armee wurde ein israelisch­er Bus getroffen. Ein Mensch soll Medienberi­chten zufolge schwer verletzt worden sein. Israel hat bald darauf begonnen, mit dem Beschuss von Terrorziel­en im Gazastreif­en zu reagieren. p Kommentar dSt.at/Meinung

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Foto: AFP / Said Khatib Hamas-Leute beim Begräbnis der sieben getöteten Palästinen­ser.

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