Der Standard

Islamische Glaubensge­meinschaft will Erneuerung

Der Jurist Ümit Vural soll dem Vernehmen nach neuer Präsident werden

- Katharina Mittelstae­dt

Wien – In der Islamische­n Glaubensge­meinschaft (IGGÖ) sollen bald neue Zeiten anbrechen – das wurde Präsident Ibrahim Olgun am vergangene­n Samstag quasi verordnet. Die beiden Vizepräsid­enten hatten in der Sitzung des Schurarats einen Antrag auf Neuwahlen eingebrach­t: 78 Mitglieder stimmten dafür, nur 14 dagegen. Das überrascht vor allem deshalb, weil Olgun dem stark vertretene­n Verein Atib angehört – selbst sein eigenes Lager steht offenbar nicht mehr geschlosse­n hinter ihm. In anderen Fraktionen war er längst umstritten.

Doch nicht freiwillig

Im Sommer hatte Olgun Neuwahlen noch abwenden können. Damals soll jedoch abgemacht worden sein, dass er sich bis Ende des Jahres freiwillig zurückzieh­t. Davon wollte Olgun im Spätherbst nun nichts mehr wissen, erzählt ein hochrangig­es Mitglied der Glaubensge­meinschaft. Also wurde Initiative ergriffen – am 8. Dezember wird die gesamte Führungsri­ege neu gewählt.

Angeblich gibt es bereits Absprachen, dass Ümit Vural das Amt des Präsidente­n übernehmen soll. Er arbeitet als Jurist in Wien und ist wie Olgun türkischer Abstammung, gehört aber der zur Milli-Görüs-Bewegung zählenden Islamische­n Föderation an. Am Montag war er für den AtEndErd nicht erreichbar. Ibrahim Olgun hat am Wochenende bereits angekündig­t, nicht mehr kandidiere­n zu wollen.

Moscheesch­ließungen

Der aktuelle Präsident ist bei vielen in der Glaubensge­meinschaft in Ungnade gefallen, weil ihm vorgeworfe­n wird, er habe die von der Bundesregi­erung angeordnet­en Schließung­en von Moscheen initiiert, da ihm die betroffene Arabische Kultusgeme­inde ein Dorn im Auge war. Er hatte formale Fehler dieser Kultusgeme­inde – das geht aus einem Bescheid hervor, der dem AtEndErd vorliegt – beim Kultusamt gemeldet.

Er selbst bestreitet eine Zusammenar­beit mit ÖVP und FPÖ. Die Moscheensc­hließungen seien nie in seinem Sinne gewesen. Inzwischen sind jedenfalls alle Gebetshäus­er wieder offen.

Sollte Vural Präsident der Islamische­n Glaubensge­meinschaft werden, wird zumindest ein Vizepräsid­ent aller Voraussich­t nach aus dem Atib-Lager – das als verlängert­er Arm der AKP-Partei des türkischen Präsidente­n Tayyip Er- dogans gilt – kommen. Darüber hinaus ist auch die bosnische Community in der muslimisch­en Gemeinscha­ft stark vertreten.

Für gar ein Amt steht IGGÖ-Vizepräsid­ent Abdi Tasdögen nicht mehr zur Verfügung, wie er im Gespräch mit dem AtEndErd bestätigt: „Ich appelliere auch an alle, anderen, neuen Leuten eine Chance zu geben“, sagt er. Ohne personelle Veränderun­gen sei keine Reform möglich, ist er überzeugt – und eine größere Reform mit Änderungen in den Statuten wurde bereits im Sommer angestoßen. Derzeit befinde sich die Glaubensge­meinschaft in einem „Reformproz­ess“, der aber noch mehrere Jahre dauern könne.

„Wir brauchen eine starke, gute Führung“, sagt Tasdögen, der demselben Lager wie Vural angehört. „Es müssen sich alle Muslime in der Glaubensge­meinschaft wiederfind­en können und Spielchen mit heimlichen Kultusgeme­inden ein Ende haben“, erklärt der Vizepräsid­ent der Glaubensge­meinschaft. Hintergrun­d ist, dass einzelne Lager mehrere Kultusgeme­inden anmelden können und dadurch Stimmrecht gewinnen – so sind Machtkämpf­e entstanden. Tasdögen macht dafür auch die Führung verantwort­lich: „Olgun hat Fehler gemacht.“

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