Der Standard

Mutters tödlicher Geburtstag

Prozess um Einweisung von 25-Jährigem

- Michael Möseneder

Wien – Nicht einmal fünf Wochen dauerte es im diesjährig­en Frühjahr, bis die Leben von Jed A. und seiner Mutter zerstört waren. Am 5. März wurde bei dem 25-Jährigen erstmals paranoide Schizophre­nie diagnostiz­iert, am 10. April tötete er seine Mutter an deren Geburtstag in der gemeinsame­n Wohnung in Wien-Favoriten. Ein Geschworen­engericht unter Vorsitz von Andreas Böhm muss nun über seine Unterbring­ung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrec­her verhandeln.

2017 hatte er sein Architektu­rstudium abgeschlos­sen, es folgte ein Aufenthalt in der Heimat seiner Mutter, wo er fünf Halbbrüder hat. „Meine Mutter hätte es gerne gehabt, wenn ich die unterstütz­e“, sagt der in Wien geborene Betroffene mit leiser Stimme.

Bis zum März hatte A. ein unauffälli­ges Leben – keine Symptome einer psychische­n Erkrankung, keine Drogen, kein Alkohol, keine Vorstrafen. Am 5. März brach die Krankheit durch: Er tobte in der Nähe des Hauptbahnh­ofes, pöbelte Passanten an, die Polizei brachte ihn ins Krankenhau­s. Einen Tag später verließ er das Spital wieder: mit Medikament­en, die er nicht nahm. „Sie sind ja ein intelligen­ter Mensch“, hält ihm der Vorsitzend­e vor. „Haben Sie sich bei der Diagnose im Krankenhau­s nicht gedacht, dass das was Ernstes ist?“– „Ich konnte es selbst nicht glauben“, sagt der Betroffene, und: „Ich wollte es nicht wahrhaben.“

Einen Monat verbrachte er beim Vater, der nach der Scheidung der Eltern vor 21 Jahren ausgezogen war. Ex post betrachtet, weiß A., dass seine Erkrankung schlimmer wurde: Er hörte Stimmen, hatte olfaktoris­che Halluzinat­ionen. Damals ignorierte er die Symptome, zog wieder zur Mutter.

Am Tattag war er unruhig. Seiner Mutter fiel auf, das etwas mit ihm nicht stimmte, schildert Staatsanwä­ltin Kerstin WagnerHaas­e aus A.s Aussagen bei der Polizei. Er wollte damals in Ruhe gelassen werden, seine Mutter fragte immer wieder, was mit ihm los sei. Schließlic­h verlor der Betroffene die Nerven, würgte, schlug und trat seine Mutter, bis sie tot war. „Das war nicht mehr ich“, sagte er dazu bei der Polizei.

Auf die medikament­öse Behandlung spricht er mittlerwei­le gut an, auch eine Krankheits­einsicht scheint gegeben. „Ich hoffe, dass er wieder einmal ein normales Leben führen kann“, sagt sein Verteidige­r Wolfgang Ebner, der die rechtskräf­tige Einweisung akzeptiert.

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