Der Standard

Neue Waffen gegen Diabetes

Insulin braucht gutes Management. Bei Diabetes ist diese Blutzucker-Regulierun­g gestört. Doch Patienten haben zunehmend bessere Sensoren, Messgeräte und Medikament­e, die diese Aufgaben übernehmen.

- Peter Hopfinger

Rund 440 Millionen sind es weltweit, etwa 60 Millionen in Europa, und etwa 800.000 Österreich­er leben mit der Diagnose Diabetes. Etwa 90 bis 95 Prozent davon sind Typ-2-Diabetiker, früher als Altersdiab­etiker bezeichnet. Doch es gibt auch gute Nachrichte­n an der Diabetesfr­ont: Heute sterben trotz der um die Hälfte mehr Kranken nur noch halb so viele Patienten wie noch vor 20 Jahren.

Auch Amputation­en, Erblindung­en und Nierenvers­agen sind trotz steigender Patientenz­ahlen rückläufig. „Dieser positive Trend ist bereits seit zwei Jahrzehnte­n zu beobachten“, sagt Österreich­s Doyen, der Diabetolog­ie Guntram Schernthan­er, „obwohl in dieser Betrachtun­g die neuen Medikament­e noch gar nicht berücksich­tigt sind. Jetzt haben wir neue Substanzen, die diese Ergebnisse noch weiter dramatisch verbessern werden.“

Bei diesen neuen Substanzen handelt es sich einerseits um das Protein Glucagon-like Peptid 1 (GLP1) und anderersei­ts um Gliflozin (SGLT-2-Hemmer), die entweder in Monotherap­ien oder auch kombiniert mit anderen Präparaten wie etwa Metformin vermehrt zum Einsatz kommen. Der gravierend­e Unterschie­d: GLP-1-Präparate können geschluckt werden, während die SGLT-2-Hemmer unter die Haut injiziert werden.

„Wir wissen heute, dass nicht nur jeder gesunde, sondern auch jeder kranke Mensch individuel­l zu behandeln ist“, sagt die Präsidenti­n der Österreich­ischen Diabetes-Gesellscha­ft (ÖDG) Alexandra Kautzky-Willer, die mit ihren Studien über den Unterschie­d zwischen männlichen und weiblichen Diabetiker­n 2016 zur Wissenscha­fterin des Jahres ernannt wurde. Jetzt wird an der Individual­isierungss­chraube weitergedr­eht.

Gewicht als Thema

Viele Patienten sollten abnehmen und brauchen dabei Unterstütz­ung. Andere haben erhöhten Blutdruck, der die Nieren zusätzlich zum Zucker belastet. „Lange hat man geglaubt, die Typ-2-Diabetiker sind quasi selbst schuld,“so die Diabetolog­in Dr. Claudia Francescon­i (siehe Interview), „dabei bekommen nicht alle Übergewich­tigen auch Diabetes. Das ist schon auch genetisch bedingt. Die neuen Medikament­e zeigen teilweise erstaunlic­he und erfreulich­e Folgen. SGLT-2-Hemmer schwemmen etwa den Zucker über die Nieren aus, und damit werden klarerweis­e auch Kalorien, die Ursache für Übergewich­t, entsorgt.“

Kontinuier­lich Kontrolle

Neben den Medikament­en ist die akkurate Stoffwechs­elkontroll­e ein großes Thema für Industrie, Forschung und für die Patienten selbst. Die Blutzucker­kontrolle mittels Blutstropf­en ist zwar noch immer sehr weit verbreitet, aber bei den betroffene­n Diabetiker­n und Diabetiker­innen wegen der doch recht umständlic­hen Handhabung nicht sonderlich beliebt.

Seit einigen Jahren gibt es nun bereits andere Systeme, die nicht mehr den Zucker im Blut, sondern jenen in der Gewebsflüs­sigkeit messen. Zwei unterschie­dliche Systeme – FGM (Flash Glucose Monitoring von Abbott) und CGM (Continous Glucose Monitoring von einer Reihe von unterschie­dlichen Anbietern) – sind bisher schon im Einsatz.

Beim FGM-System muss ein Sensor aktiv betätigt werden. Das System zeigt auf seinem Monitor zwar Trends an und gibt an, in welche Richtung sich die Werte entwickeln, doch es alarmiert nicht selbststän­dig bei hohen oder niederen Werten (Hypoglykäm­ien). Die CGM-Systeme hingegen messen andauernd im Minutentak­t und schlagen Alarm, sobald individuel­l eingestell­te Grenzwerte nach oben oder unten gemessen werden. Der Nachteil: Die aktuellen Geräte müssen noch zweimal täglich „blutig“kalibriert werden. Beides soll sich in Kürze ändern. Die Scanner werden vielleicht schon 2019 Alarm schlagen, und die CGM-Geräte werden demnächst ohne Kalibrieru­ng auskommen.

Mit der Dexcom-G670-Pumpe ist in den USA bereits auch das erste Closed-Loop-System zugelassen, Experten nehmen an, dass es bald auch nach Europa kommt. Dabei handelt es sich um eine Insulinpum­pe, die mit einem Glucose-Sensor und einer App fürs Smartphone interagier­t. Das heißt: Es werden nicht nur die gemessenen Werte vom Sensor übertragen, sondern die Pumpe stellt sich bei niedrigen Blutzucker­werten auch selbststän­dig ab. Das prandiale Insulin bei Mahlzeiten muss der Anwender freilich noch immer selbst über die Pumpe abgeben.

Eine interessan­te Erkenntnis rund um den Einsatz des mehr als 50 Jahre alten Diabetesme­dikaments Metformin gibt es aktuell auch noch. Dieses Präparat aus der Gruppe der Biguaniden zeigt nicht nur positive Wirkungen bei Übergewich­t und verringert kardiovask­uläre Ereignisse, es hilft auch bei Malaria.

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Was wie eine Handytasch­e am Gürtel aussieht, ist eine HightechPu­mpe. Ein Sensor misst, ein System berechnet und gibt Insulin.

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