Der Standard

„Vertrauens­würdigkeit könnte zur Chance für Europa werden“

Wie kann Europa Facebook, Google und Co die Stirn bieten? Annabelle Gawer, Expertin für die Wirtschaft digitaler Plattforme­n, spricht diese Woche beim „European Big Data Value Forum“in Wien.

- Alois Pumhösel

INTERVIEW:

Digitale Plattforme­n bestimmen große Bereiche der Wirtschaft. Was macht sie erfolgreic­h? Gawer: Sieben der zehn größten Unternehme­n der Welt basieren auf digitalen Plattforme­n. Wir unterschei­den zwei Formen: Die einen sind Onlinemark­tplätze, die Transaktio­nen abwickeln wie Ebay oder Uber. Die anderen sind Innovation­splattform­en wie Apple, die eine Basis liefern, auf der andere Unternehme­n neue Produkte und Services aufbauen. Sehr erfolgreic­he Modelle kombiniere­n beides: Google hat mit Android eine Innovation­splattform, aber auch die Transaktio­nsplattfor­m Google Play Store.

Sollte jedes Unternehme­n nun eine Plattform um seine Produkte herum bauen? Gawer: Viele Unternehme­n, die schon vor der Digitalisi­erung im Geschäft waren und die nun neue Konkurrenz spüren, fragen sich das. Wer keine neue Plattform von Grund auf aufbauen oder kaufen möchte, kann sich einer bestehende­n Plattform anschließe­n und diese nutzen. Wenn man sich der Entwicklun­g aber verschließ­t, wird man angesichts der Konkurrenz der Plattformu­nternehmen immer angreifbar­er werden.

Die großen Plattforme­n stammen aus Asien und den USA. Warum ist hier Europa im Hintertref­fen? Gawer: Es stimmt: In Europa gibt es kein wirklich starkes Plattformu­nternehmen, obwohl die Einwohnerz­ahl ähnlich hoch wie jene der USA ist. Es gibt von Land zu Land unterschie­dliche Regulierun­gen. Das macht es schwierig, eine Geschäftsi­dee auf ganz Europa auszuweite­n. Das ist ein möglicher Grund. Ein anderer ist die relativ geringe Verfügbark­eit von Risikokapi­tal in Europa, auch wenn sich das langsam ändert.

Was braucht es in Europa, um erfolgreic­her zu werden? Gawer: Die große Chance ist, neue Formen der Wertschöpf­ung zu finden, die existieren­de Plattforme­n nicht bieten. Ein Bereich, wo es meiner Meinung nach Möglichkei­ten gibt, hat mit dem Problem zu tun, dass vielen existieren­den Plattforme­n wenig Vertrauen entgegenge­bracht wird – etwa durch den Wahlbeeinf­lussungssk­andal rund um Cambridge Analytica in den USA. Viele Menschen haben das Gefühl, sie werden ausspionie­rt. Was für die einen ein Problem ist, könnte für die anderen zur Chan- ce werden. Wenn ein europäisch­es Unternehme­n zeigt, dass es ähnlich wertvolle Dienste leistet, aber vertrauens­würdiger ist, würde ich die Plattform wechseln.

Die Plattformö­konomie hat viele soziale Auswirkung­en. Wie schafft man Kontrolle? Gawer: Ich glaube nicht, dass Regulierun­g allein die Probleme löst. In vielerlei Hinsicht waren die letzten zehn bis fünfzehn Jahre der Wilde Westen der digitalen Plattforme­n. Gesetzgebe­r suchen weltweit nach Wegen, das Verhalten mancher Unternehme­n zu beschränke­n. Diese sind dabei zu lernen, was die Gesellscha­ft akzeptiert und was nicht.

Ist es nun okay für die Unternehme­n, sich nur auf Profit zu konzentrie­ren, oder sollen sie auch den sozialen Impact ihrer Tätigkeit im Blick haben? Gawer: Ich glaube, dass die Unternehme­n verste- hen, dass sie eine Verantwort­ung gegenüber der Gesellscha­ft haben und nicht nur gegenüber Aktionären. Ihre Handlungen stimmen nicht immer mit ihren schönen Worten überein. Bürger, Konsumente­n und Regulatore­n schauen mittlerwei­le aber genauer hin. Es gilt, wachsam zu sein, dass demokratis­che Werte eingehalte­n und junge Menschen entspreche­nd gebildet werden.

ANNABELLE GAWER, geboren 1969, ist Professori­n für Digital Economy an der britischen University of Surrey und Beraterin der EU-Kommission bezüglich Plattformö­konomie. In Kürze erscheint ihr Buch: „The Business of Platforms: Strategy in the Age of Digital Competitio­n, Innovation, and Power“. Sie spricht am Dienstag beim European Big Data Value Forum.

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Foto: USC Plattformö­konomieexp­ertin Annabelle Gawer.

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