FPÖ favorisiert Salvini als Spitzenkandidat bei EU-Wahl
Rechtsfraktion will zweitstärkste Kraft im Europaparlament werden
Straßburg – Die FPÖ hofft bei den Europawahlen im Mai 2019 auf den großen Durchbruch der rechten Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit (ENF) im EU-Parlament. Dieser gehört sie ebenso an wie die Lega aus Italien und der französische Rassemblement National von Marine Le Pen.
Ziel sei es, die Sozialdemokraten (S&D) als zweitstärkste Fraktion in Straßburg zu überholen und bei der Wahl des nächsten Präsidenten der EU-Kommission eine mitentscheidende Rolle zu spielen. Das hat FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky am Diens- tag am Rande der Plenarsitzung bestätigt. Er sieht sich durch eine Wahlprognose des Jacques-Delors-Instituts in Berlin bestätigt, die der ENF einen Zuwachs von 34 auf 70 Mandate voraussagt.
Die Zugewinne kämen vor allem aus Deutschland, wo die AfD gut 16 EU-Mandate erreichen könnte, und aus der Lega, die bisher nur vier EU-Mandate hat, sich aber auf über 20 steigern könnte.
Der FPÖ-Generalsekretär sieht damit aber das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft. Er will – gemeinsam mit Lega-Chef Matteo Salvini, der in Italien seit Frühjahr Innenminister ist – für eine Vereinigung der Reste der drei konservativen und rechten Fraktionen in Straßburg sorgen, die sich nach dem Brexit neu ordnen müssen. Salvini solle als Spitzenkandidat einer rechten Wahlplattform antreten und als „Gesicht der Bewegung, die gerade entsteht“, agieren. Es sei dabei nicht Ziel, ihn zum Kommissionschef zu machen. Vilimsky hält es für möglich, dass diese Rechtsgruppe 120 bis 150 Mandate gewinnt. Dafür will er Ungarns Fidesz und die polnische PiS ködern. (red)
Harald Vilimsky wirkt richtig aufgekratzt, als er am Dienstag am Rande der Plenarsitzung des Europäischen Parlaments in Straßburg über den Verlauf der Vorbereitungen seiner Fraktion auf die Europawahlen im Mai 2019 berichtet. Vor ihm liegt ein Δtandard- Artikel vom Vortag über eine ausführliche Prognose des Jacques-Delors-Instituts in Berlin. Sie sagt der Europa der Nationen und der Freiheit (ENF) eine Verdoppelung der Mandate voraus – von derzeit 34 auf 70.
Dominiert wird diese Fraktion, der neben der FPÖ weitere radikal rechte Parteien aus acht Ländern – wie die italienische Lega von Vizepremier Matteo Salvini oder die Freiheitspartei des Niederländers Geert Wilders – angehören, von Franzosen. Es war Marine Le Pen, die 2015 als Chefin des damaligen Front National und EU-Abgeordnete der ENF Leben einhauchte.
Der Front stellte damals nicht weniger als 25 von 34 Abgeordneten. Aber Le Pen ist nach ihrem Präsidentschaftswahlkampf nicht mehr im EU-Parlament, so wie auch Salvini, der den Titel eines ENF-Vizefraktionschefs im Frühjahr gegen den Regierungsjob in Rom eingetauscht hat.
Daher findet sich der EU-Abgeordnete Vilimsky, auch er „Mitbegründer“und Vizepräsident der Gruppe, die von den anderen Par- teien wegen ihrer EU-Feindlichkeit gemieden wird, in einer besonderen Rolle wieder. Er hat als Senior die Aufgabe übernommen, die Rechtsfraktion europaweit zu erweitern, sie zu koordinieren.
Das passt gut zu seinem Job als FPÖ-Generalsekretär und Wahlkampfleiter: „Mein Ziel ist nicht eine Verdoppelung auf 70 Mandate“, sagt er, „wir wollen auf 120 bis 150 Mandate gehen.“Derzeit kämen ENF-Abgeordnete aus acht EU-Ländern, in Zukunft sollten sie aus 15 Staaten kommen.
Eine große Rechtsfraktion
Dies wäre gut möglich, glaubt er, wenn es gelänge, alle derzeitigen drei Fraktionen rechts der Mitte zu einer einzigen großen zu verschmelzen. Zwei davon sind von Briten dominiert – die Konservativen (ECR) mit den Tories und die EU-Skeptikerfraktion (EFDD) um die Unabhängigkeitspartei von Nigel Farage, die mit dem Brexit im März 2019 aber ausscheiden.
Genau darin sieht Vilimsky die große Chance der Rechten: „Es ist unglaublich viel in Bewegung“, schwärmt er; in allen diesen Gruppen seien „Repräsentanten, die sich sehr ähnlich sind“. Eine Vereinigung aller EU-Kritiker und -Skeptiker „diskutieren wir“, bestätigt der FPÖ-Politiker.
Sein Ziel: „Wir wollen zweitstärkste Fraktion werden, wir wollen die Wahl des EU-Kommissionspräsidenten mitbestimmen“, sagt Vilimsky. Das wäre möglich, wenn eine vereinigte Rechtsfraktion die Sozialdemokraten (S&D) von Platz zwei verdränge. Die SP muss gemäß der genannten Studie einen Einbruch von 187 auf 137 Mandate befürchten.
Da auch die Christdemokraten (EVP) von ihren 219 Mandaten auf rund 180 Mandate reduziert werden dürften, hofft die ENF-Fraktion darauf, dass die beiden Volksparteien auch mit den Liberalen (Alde) unter den proeuropäischen Gruppen keine Mehrheit zur Wahl des nächsten Kommissionspräsidenten finden könnten.
Lockruf an Orbán und PiS
Vilimsky will dafür nicht nur die polnischen Nationalkonservativen der Regierungspartei PiS gewinnen, die gut 20 Mandate erringen könnten, sondern hofft auch, die ungarische Fidesz von Premier Viktor Orbán aus der EVP herausbrechen zu können. Fidesz hat derzeit 14 Mandate.
Wie das gelingen soll, wo doch die ENF von allen anderen Fraktionen im Europaparlament als Partner ausgeschlossen wird? „Das hat man vor einem Jahr von der FPÖ auch gesagt“, antwortet Vilimsky. Heute „sind wir in der Regierung“. Für die EU-Wahl will er den Umschwung durch eine Wahlplattform erreichen, mit Matteo Salvini an der Spitze: „Er soll nicht als Spitzenkandidat antreten, um Kommissionspräsident zu werden“, erklärt er, „aber wir wollen ihn zum Gesicht der entstehenden Bewegung machen.“
Schon bald wird der FPÖ-Generalsekretär nach Rom reisen, um all das zu besprechen. Mit im Gepäck: der Ministerratsvortrag von Außenministerin Karin Kneissl zum Ausstieg Österreichs aus dem UN-Migrationspakt. „Wir möchten die italienische Regierung dazu bringen, auch auszusteigen“, sagt Vilimsky und verweist darauf, dass „die FPÖ auch die Bundesregierung dazu gebracht hat, uns nicht zu beteiligen“. Sie habe das seit Sommer vorbereitet: „Am Ende gab es Konsens.“