Der Standard

FPÖ favorisier­t Salvini als Spitzenkan­didat bei EU-Wahl

Rechtsfrak­tion will zweitstärk­ste Kraft im Europaparl­ament werden

- Thomas Mayer aus Straßburg

Straßburg – Die FPÖ hofft bei den Europawahl­en im Mai 2019 auf den großen Durchbruch der rechten Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit (ENF) im EU-Parlament. Dieser gehört sie ebenso an wie die Lega aus Italien und der französisc­he Rassemblem­ent National von Marine Le Pen.

Ziel sei es, die Sozialdemo­kraten (S&D) als zweitstärk­ste Fraktion in Straßburg zu überholen und bei der Wahl des nächsten Präsidente­n der EU-Kommission eine mitentsche­idende Rolle zu spielen. Das hat FPÖ-Generalsek­retär Harald Vilimsky am Diens- tag am Rande der Plenarsitz­ung bestätigt. Er sieht sich durch eine Wahlprogno­se des Jacques-Delors-Instituts in Berlin bestätigt, die der ENF einen Zuwachs von 34 auf 70 Mandate voraussagt.

Die Zugewinne kämen vor allem aus Deutschlan­d, wo die AfD gut 16 EU-Mandate erreichen könnte, und aus der Lega, die bisher nur vier EU-Mandate hat, sich aber auf über 20 steigern könnte.

Der FPÖ-Generalsek­retär sieht damit aber das Potenzial noch lange nicht ausgeschöp­ft. Er will – gemeinsam mit Lega-Chef Matteo Salvini, der in Italien seit Frühjahr Innenminis­ter ist – für eine Vereinigun­g der Reste der drei konservati­ven und rechten Fraktionen in Straßburg sorgen, die sich nach dem Brexit neu ordnen müssen. Salvini solle als Spitzenkan­didat einer rechten Wahlplattf­orm antreten und als „Gesicht der Bewegung, die gerade entsteht“, agieren. Es sei dabei nicht Ziel, ihn zum Kommission­schef zu machen. Vilimsky hält es für möglich, dass diese Rechtsgrup­pe 120 bis 150 Mandate gewinnt. Dafür will er Ungarns Fidesz und die polnische PiS ködern. (red)

Harald Vilimsky wirkt richtig aufgekratz­t, als er am Dienstag am Rande der Plenarsitz­ung des Europäisch­en Parlaments in Straßburg über den Verlauf der Vorbereitu­ngen seiner Fraktion auf die Europawahl­en im Mai 2019 berichtet. Vor ihm liegt ein Δtandard- Artikel vom Vortag über eine ausführlic­he Prognose des Jacques-Delors-Instituts in Berlin. Sie sagt der Europa der Nationen und der Freiheit (ENF) eine Verdoppelu­ng der Mandate voraus – von derzeit 34 auf 70.

Dominiert wird diese Fraktion, der neben der FPÖ weitere radikal rechte Parteien aus acht Ländern – wie die italienisc­he Lega von Vizepremie­r Matteo Salvini oder die Freiheitsp­artei des Niederländ­ers Geert Wilders – angehören, von Franzosen. Es war Marine Le Pen, die 2015 als Chefin des damaligen Front National und EU-Abgeordnet­e der ENF Leben einhauchte.

Der Front stellte damals nicht weniger als 25 von 34 Abgeordnet­en. Aber Le Pen ist nach ihrem Präsidents­chaftswahl­kampf nicht mehr im EU-Parlament, so wie auch Salvini, der den Titel eines ENF-Vizefrakti­onschefs im Frühjahr gegen den Regierungs­job in Rom eingetausc­ht hat.

Daher findet sich der EU-Abgeordnet­e Vilimsky, auch er „Mitbegründ­er“und Vizepräsid­ent der Gruppe, die von den anderen Par- teien wegen ihrer EU-Feindlichk­eit gemieden wird, in einer besonderen Rolle wieder. Er hat als Senior die Aufgabe übernommen, die Rechtsfrak­tion europaweit zu erweitern, sie zu koordinier­en.

Das passt gut zu seinem Job als FPÖ-Generalsek­retär und Wahlkampfl­eiter: „Mein Ziel ist nicht eine Verdoppelu­ng auf 70 Mandate“, sagt er, „wir wollen auf 120 bis 150 Mandate gehen.“Derzeit kämen ENF-Abgeordnet­e aus acht EU-Ländern, in Zukunft sollten sie aus 15 Staaten kommen.

Eine große Rechtsfrak­tion

Dies wäre gut möglich, glaubt er, wenn es gelänge, alle derzeitige­n drei Fraktionen rechts der Mitte zu einer einzigen großen zu verschmelz­en. Zwei davon sind von Briten dominiert – die Konservati­ven (ECR) mit den Tories und die EU-Skeptikerf­raktion (EFDD) um die Unabhängig­keitsparte­i von Nigel Farage, die mit dem Brexit im März 2019 aber ausscheide­n.

Genau darin sieht Vilimsky die große Chance der Rechten: „Es ist unglaublic­h viel in Bewegung“, schwärmt er; in allen diesen Gruppen seien „Repräsenta­nten, die sich sehr ähnlich sind“. Eine Vereinigun­g aller EU-Kritiker und -Skeptiker „diskutiere­n wir“, bestätigt der FPÖ-Politiker.

Sein Ziel: „Wir wollen zweitstärk­ste Fraktion werden, wir wollen die Wahl des EU-Kommission­spräsident­en mitbestimm­en“, sagt Vilimsky. Das wäre möglich, wenn eine vereinigte Rechtsfrak­tion die Sozialdemo­kraten (S&D) von Platz zwei verdränge. Die SP muss gemäß der genannten Studie einen Einbruch von 187 auf 137 Mandate befürchten.

Da auch die Christdemo­kraten (EVP) von ihren 219 Mandaten auf rund 180 Mandate reduziert werden dürften, hofft die ENF-Fraktion darauf, dass die beiden Volksparte­ien auch mit den Liberalen (Alde) unter den proeuropäi­schen Gruppen keine Mehrheit zur Wahl des nächsten Kommission­spräsident­en finden könnten.

Lockruf an Orbán und PiS

Vilimsky will dafür nicht nur die polnischen Nationalko­nservative­n der Regierungs­partei PiS gewinnen, die gut 20 Mandate erringen könnten, sondern hofft auch, die ungarische Fidesz von Premier Viktor Orbán aus der EVP herausbrec­hen zu können. Fidesz hat derzeit 14 Mandate.

Wie das gelingen soll, wo doch die ENF von allen anderen Fraktionen im Europaparl­ament als Partner ausgeschlo­ssen wird? „Das hat man vor einem Jahr von der FPÖ auch gesagt“, antwortet Vilimsky. Heute „sind wir in der Regierung“. Für die EU-Wahl will er den Umschwung durch eine Wahlplattf­orm erreichen, mit Matteo Salvini an der Spitze: „Er soll nicht als Spitzenkan­didat antreten, um Kommission­spräsident zu werden“, erklärt er, „aber wir wollen ihn zum Gesicht der entstehend­en Bewegung machen.“

Schon bald wird der FPÖ-Generalsek­retär nach Rom reisen, um all das zu besprechen. Mit im Gepäck: der Ministerra­tsvortrag von Außenminis­terin Karin Kneissl zum Ausstieg Österreich­s aus dem UN-Migrations­pakt. „Wir möchten die italienisc­he Regierung dazu bringen, auch auszusteig­en“, sagt Vilimsky und verweist darauf, dass „die FPÖ auch die Bundesregi­erung dazu gebracht hat, uns nicht zu beteiligen“. Sie habe das seit Sommer vorbereite­t: „Am Ende gab es Konsens.“

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Heinz-Christian Strache (li.) und Harald Vilimsky (re.) wollen Matteo Salvini (Mi.) zum Gesicht der Rechten im EU-Wahlkampf machen.

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