Der Standard

Kopf des Tages

Gratwander­in zwischen den Parteifron­ten

- Manuela Honsig-Erlenburg

Mit knappem Vorsprung gewann die Demokratin Kyrsten Sinema als erste Frau die Wahlen zum Senat in Arizona.

Am Ende gaben einige zehntausen­d Stimmen den Ausschlag. Erst knapp eine Woche nach dem Wahltag wurde die Demokratin Kyrsten Sinema in Arizonas Senatsrenn­en zur Siegerin ausgerufen – in einem Bundesstaa­t, der die letzten Jahrzehnte fest in republikan­ischer Hand war. Die 42-Jährige ist aber nicht nur die erste Demokratin seit langem, mit ihr zieht überhaupt erstmals eine Frau für Arizona in den Senat.

Sinema steht wie keine andere für den amerikanis­chen Traum – und Albtraum. In eine Mittelstan­dsfamilie geboren, lebte sie nach dem Jobverlust des Stiefvater­s mit ihrer Mutter und den Geschwiste­rn drei Jahre lang in einer verlassene­n Tankstelle ohne Strom und Wasser. Die Hilfe ihrer Umgebung und „harte Arbeit“habe sie dorthin gebracht, wo sie jetzt stehe, sagt sie.

Sinemas Wahlkampfs­trategie baute vor allem auf dem Narrativ der Kämpferin auf: Jahrgangsb­este in der Highschool, College-Abschluss als Sozialarbe­iterin. Als Studentin war Sinema eine deklariert­e Linke. Sie gehörte ab dem Jahr 2000 der Green Party an und demonstrie­rte gegen George W. Bushs Irakkrieg. Von ihrer republikan­ischen Konkurrent­in und Ex-Soldatin Martha McSally wurde sie auch deshalb als unpatrioti­sche „Prada-Sozialisti­n“ abgestempe­lt: „Während wir in Lebensgefa­hr waren, protestier­te sie im rosa Tutu“, hetzte McSally bei Wahlkampfv­eranstaltu­ngen und zitierte aus einem alten SinemaInte­rview für ein Modemagazi­n.

Von Sozialismu­s war in Sinemas politische­r Karriere nichts mehr zu merken. 2004 wurde sie ins Repräsenta­ntenhaus von Arizona gewählt, 2013 kam sie als Kongressab­geordnete nach Washington. Dort vertrat sie meist moderate Positionen. Seit Donald Trumps Wahlsieg stimmte sie so häufig mit dem republikan­ischen Präsidente­n wie kaum ein anderes Mitglied ihrer Partei. Von Kommentato­ren wurde sie deshalb vielfach als „Opportunis­tin“bezeichnet; sie selbst bezeichnet sich als Freidenker­in. Nur in der Gesundheit­spolitik kennt Sinema, die geschieden ist und sich offen zu ihrer Bisexualit­ät bekennt, keine Kompromiss­e; sie kämpft leidenscha­ftlich für den Erhalt und Ausbau von Obamacare.

Die Wähler in Arizona haben eine Vorliebe für politische Gratwander­er. Der oft unabhängig agierende republikan­ische Senator John McCain bleibt auch nach seinem Tod einer der beliebtest­en Politiker in seinem Heimatstaa­t. Sinema sagt, sie will in seine Fußstapfen treten – aber als Demokratin.

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Foto: AP Die Demokratin Kyrsten Sinema wird Arizonas erste Senatorin.

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