Der Standard

Nicht auf dem Index trotz schonungsl­oser Expertise

Türkis-Blau hat mit Andreas Kumin einen neuen Wunschkand­idaten für den Europäisch­en Gerichtsho­f. Der hat sich bereits kritisch zur Indexierun­g der Familienbe­ihilfe geäußert, woraufhin seine Stellungna­hme verschwund­en ist.

- Günther Oswald

Für Maria Berger ist nun doch ein Ende in Sicht. Österreich­s Richterin am Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) hatte zwar bereits der alten rot-schwarzen Regierung mitgeteilt, sich nicht neuerlich für den Topposten in Luxemburg zu bewerben, versieht dort aber bis heute ihren Dienst. Nötig wurde die unfreiwill­ige Verlängeru­ng der früheren SPÖ-Justizmini­sterin, weil der erste türkis-blaue Vorschlag für ihre Nachfolge, die Linzer Universitä­tsprofesso­rin Katharina Pabel, beim EuGH-Hearing im Juni durchfiel und daraufhin ihre Bewerbung zurückzog.

Zweiter Anlauf

Also musste eine neue Ausschreib­ung her: Als Favorit galt, wie berichtet, zunächst der Arbeits- und Sozialrech­tler Franz Marhold. Seine Bewerbung wurde von den Koalitions­parteien, so wird es in Justizkrei­sen erzählt, zunächst mit Wohlwollen aufgenomme­n. Letztlich kam er aber nicht zum Zug. Ein kolportier­ter Grund: Marhold hatte öffentlich deponiert, dass die von ÖVP und FPÖ beschlosse­ne Indexierun­g der Familienbe­ihilfe für im Ausland lebende Kinder nicht mit EU- Recht vereinbar sei. Das soll bei den Regierungs­parteien nicht gut angekommen sein. Die Maßnahme führt dazu, dass vor allem osteuropäi­sche Arbeitskrä­fte eine niedrigere Familienbe­ihilfe bekommen.

ÖVP und FPÖ haben sich nun auf Andreas Kumin als neuen EuGH-Richterkan­didaten verständig­t. Am Mittwoch soll ein entspreche­nder Ministerra­tsbeschlus­s gefasst werden. Danach muss noch der Hauptaussc­huss ments zustimmen.

Der 53-jährige gebürtige Steirer leitet seit 2005 die Europarech­tsabteilun­g im Außenamt, ist Professor an der Uni Graz und auch Lehrbeauft­ragter an der Wirtschaft­suni Wien, der Diplomatis­chen Akademie sowie der Uni Innsbruck. Er ist also ein ausgewiese­ner Europarech­tsexperte.

Im Gegensatz zu den Regierungs­parteien ist aber auch Kumin des Parla- nicht von der Zulässigke­it der Indexierun­g der Familienbe­ihilfe überzeugt. Eine von ihm unterzeich­nete Stellungna­hme des Außenamtes zum damaligen Gesetzesen­twurf war diesbezügl­ich eindeutig. Der EuGH habe „das Bestreben, die Höhe der Familienle­istung für Kinder mit Wohnsitz im Ausland anzupassen, mehrfach (...) abgelehnt“, schrieb er am 13. Februar 2018. Verwiesen wurde in dem Schreiben auch auf das „allgemeine Diskrimini­erungsverb­ot“.

„Irrtümlich­e“Stellungna­hme

Die Stellungna­hme fiel aber der türkis-blauen „Message-Control“zum Opfer. Das Außenamt zog sie zurück, weil sie „irrtümlich“zu früh übermittel­t worden sei. Die versproche­ne Neufassung wurde dann aber nie an das Parlament übermittel­t.

Kumin wollte sich dazu auf Anfrage nicht mehr äußern. Übersteht er das EuGH-Hearing, wird er sich aller Voraussich­t nach aber noch einmal ausführlic­h mit der österreich­ischen Familienbe­ihilfenreg­elung befassen müssen. Die EUKommissi­on hat bereits mit einem Vertragsve­rletzungsv­erfahren gedroht. Am Ende könnten also die EuGH-Richter entscheide­n.

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Die Richter am EuGH entscheide­n final, wie europäisch­es Recht auszulegen ist.
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Foto: Uni Graz Geht alles gut, wird Andreas Kumin im März die Nachfolge von Maria Berger antreten.

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