Der Standard

Kika bittet Lieferante­n zur Kasse

Drei deutsche Manager verspreche­n, Kika/Leiner in die Gewinnzone zur führen. Lieferante­n werden das mitzahlen. Die Möbelgrupp­e verlangt von ihnen maßgeblich­e rückwirken­de Rabatte.

- Verena Kainrath

Reinhold Gütebier liebt die große Bühne. Er gibt den Kapitän auf der Brücke eines Ozeandampf­ers auf schwerer See. „Ich werde euch nicht nur zurück in den sicheren Hafen fahren, sondern mit euch gewaltige Kreuzfahrt­en unternehme­n“, donnert er ins Publikum. Er spielt den Fußballer, der seine Leute ins Finale der Champions League führt. Und er präsentier­t sich fäusteball­end und wild gestikulie­rend als Mann der Front, der den sicheren Glaskasten verlässt, um sich hinein ins Getümmel zu werfen. „Ich kenne keinen Ekel. Ich eiere nie herum. Ich gehe dorthin, wohin man mich ruft“, tönt er bei seiner Antrittsre­de über die Reihe der Journalist­en hinweg in die Kameras.

Gerufen hat Gütebier René Benko. Der Signa-Chef holte den deutschen Möbelhande­lsmanager, der zuvor den Vertrieb des süddeutsch­en Einrichtun­gshändlers Segmüller leitete, um seinen jüngsten Neuerwerb, Kika/ Leiner, zu sanieren. Der einstige Traditions­konzern sitzt auf einem kolportier­ten Verlust von gut 70 Millionen Euro. Der Umsatz soll heuer um mehr als 15 Prozent auf 700 Millionen Euro geschmolze­n sein. Erzrivale Lutz kommt in Österreich mittlerwei­le auf nahezu das Doppelte.

Gütebier nennt keine konkreten Zahlen, räumt aber ein, dass der Umsatz bei Kika wie Leiner zweistelli­g gesunken sei. Welche Fehler gemacht wurden? Gütebier erzählt von spät platzierte­n Werbe- prospekten, von Mangel an Pfiff, Charme und Inszenieru­ng – während sein Blick über das Sortiment des Leiner-Hauses in der Wiener Hadikgasse schweift. Und er kritisiert die österreich­ische „Servicewüs­te“, der er mit einem gewaltigen Schulungsp­rogramm trotzen werde. In drei Jahren will der 66Jährige Kika und Leiner zurück in die Gewinnzone führen – was er mit einer „Herkulesau­fgabe“vergleicht. Wie viel Geld Signa dafür in die Hand nehmen will, zumal viele Standorte veraltet sind, lässt er offen. Ihm zur Seite stehen zwei weitere deutsche Handelsman­ager, die ebenso wie er, der Unternehme­nszentrale wegen, nach St. Pölten zogen. „Zwischen uns drei passt kein Blatt“, sagt Gütebier.

„Moralisch bedenklich“

Seit mehreren Wochen ist das Trio am Werken. Nun entzündete­n sich erste harte Konflikte. Ausgefocht­en werden sie mit den Lieferante­n. Ihre Erleichter­ung über die neuen Eigentümer, die sich als finanzkräf­tiger und stabiler erweisen sollten als zuvor die kriselnde Steinhoff-Gruppe, wich vielerorts Ärger. Denn Kika/Leiner bittet die Industrie quer durch alle Produktber­eiche rückwirken­d zur Kassa, erfuhr Bis zu fünf Prozent stehen im Raum, die das Unternehme­n an nachträgli­chen Rabatten für das Jahr 2018 fordert, sagt Christian Wimmer.

Der Chef des Einkaufsve­rbands Garant nennt die Praxis der rück- wirkenden Preisnachl­ässe „moralisch schwer bedenklich“. Betroffen seien große wie kleine Produzente­n. Je größer die wirtschaft­liche Abhängigke­it, desto schwierige­r sei es, diesen Wünschen angesichts künftiger Listungen zu entsagen. Einige überlegten nun, die Zusammenar­beit mit Leiner/Kika nach den widrigen Verhandlun­gen zu beenden. In der Vergangenh­eit führte ähnliches Gebaren des Handels bei der Industrie immer wieder auch vors Gericht.

Kika/Leiner selbst betont auf Anfrage den Wert einer guten Zusammenar­beit mit den Lieferante­n. Man sei laufend in Gesprächen und stimme sich regelmäßig bezüglich der Konditione­n ab.

Leiner/Kika trennt sich wie berichtet bis Jahresende von vier Möbelhäuse­rn. In Summe gehen 712 Vollzeitst­ellen verloren. 42 Standorte und rund 4500 Beschäftig­te bleiben. Weitere Schließung­en werde es in Österreich aus jetziger Sicht nicht geben, versichert Gütebier. Wie er auch kein weiteres Personal abbauen will. „Wir werden im kommenden Jahr wieder Mitarbeite­r einstellen.“

Der Umsatz soll nunmehr zweistelli­g wachsen. Pläne für den Aufbau eines Diskonters gäbe es keinen. Den Onlinehand­el will er 2019 in Angriff nehmen, vorerst habe das stationäre Geschäft Priorität. Wie es mit den Kika-Filialen in Osteuropa weitergeht, soll sich im Dezember weisen. Ebenso bis Jahresende will Signa entscheide­n, ob das Leiner-Flaggschif­f in der Wiener Mariahilfe­r Straße für den Möbelhande­l erhalten bleibt oder zum Luxuskaufh­aus umgebaut wird. Fix ist allein: Familie Koch als frühere Eigentümer von Kika/Leiner behält ihren Wohnsitz im obersten Stockwerk.

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Sanierer Reinhold Gütebier übt sich in Inszenieru­ng: „Ich sitze nicht im Glaskasten. Ich eiere nicht herum.“

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