Mit seinen Charakteren prägte Stan Lee die Popkultur des 20. Jahrhunderts. Am Montag ist der Schöpfer von Comichelden wie Spider-Man, Hulk oder Black Panther im Alter von 95 Jahren gestorben.
Stan Lee den Schöpfer von Comicfiguren zu nennen, wäre nicht falsch, aber dennoch ein Affront. Denn der Mann, der Marvel Comics personifizierte, erschuf ein ganzes Universum. Und nicht bloß Figuren, sondern Charaktere. Rund 350 soll Lee mit seinem Stab entworfen und zum Leben erweckte haben.
Darunter befinden sich ewige Helden wie Spider-Man, der grüne Grobklotz Hulk, die Fantastischen Vier (um Gottes willen nicht mit den deutschen Rappern verwechseln!), Iron Man, der Mann mit dem Hammer, Thor, die X-Men, Silver Surfer, Black Panther, Doctor Strange ...
Mit diesen meist exzentrisch bis spärlich bekleideten Gestalten revolutionierte er in den 1960ern die Comickultur. Es war eine Zäsur, die bis heute anhält, wenn man die prosperierende Übertragung seiner Helden und Geschichten auf die Leinwand oder in die Welt der Videogames bedenkt. Finanziell kann man von einem Imperium sprechen – man bedenke die Umsätze mit dem jeweiligen Merchandise. Und allein der heuer erschienene Blockbuster Black Panther soll bisher weltweit 1,3 Milliarden Dollar eingespielt haben. Es ist einer der erfolgreichsten Filme des Jahres. Der Mann, der diese Figuren und Geschichte ersonnen hat, ist nun gestorben: Stan Lee starb am Montag in Los Angeles.
Er prägte die Popkultur ebenso, wie Elvis Presley es mit Rock ’n’ Roll getan hatte. Stan Lee war selbst ein Popstar: markantes Kinn, Pilotenbrille, Oberlippenbart. So absolvierte er in diversen Marvel-Filmen-Adaptionen immer wieder Cameo-Auftritte. Der Schöpfer im Kreise seiner Geschöpfe, das Publikum liebte ihn dafür bis zuletzt.
Lee wurde als Stanley Martin Lieber am 28. Dezember 1922 in New York City geboren. Seine Eltern waren aus Rumänien ausgewanderte Juden. Schon als Zehnjähriger soll Stanley Shakespeare gelesen haben, Autoren wie Arthur Conan Doyle, Edgar Rice Burroughs oder Mark Twain beflügelten seine Fantasie ebenso wie die Filmhelden seiner Zeit. Mit 17 hatte er die Schule hinter sich gebracht und wollte Schriftsteller werden. Nichts weniger als den großen amerikanischen Roman wollte er schreiben, das war sein Traum. Stattdessen füllte er die Tintenfässer der Zeichner bei Timely Comic. Dort erschien 1939 Marvel Comics #1.
Die goldene Ära der Comics
Es war die goldene Zeit der Comicgeschichten, die in vielen Tageszeitungen als Fortsetzungsgeschichten erschienen und wie am Fließband produziert wurden. Im Verlag lernte er das Handwerk, half aus und entwarf bald seine ersten Geschichten. Mit knapp 19 wurde er bereits Herausgeber. Das war 1941, der Zweite Weltkrieg tobte, und Lee musste einrücken – doch er hatte Glück und landete bei der Training Film Division, in der er sein Talent einsetzen konnte.
In den 1950ern kamen Comics im repressiven gesellschaftlichen Klima des Kalten Kriegs und der daraus resultierenden Kommunistenparanoia der McCarthy-Ära unter Beschuss. Moralwächter unterstellten ihnen, die Gottesfurcht, die guten Sitten und all den anderen Quatsch zu unter- laufen. Zugleich machte das aufkommende Massenmedium Fernsehen den gezeichneten Geschichten Konkurrenz.
Das Comicgeschäft reagierte darauf, in dem es vermehrt auf Fantasiehelden setzte, Superhelden erlebten in den 1950ern ein Revival. In dieser Umbruchzeit schlug Lees Stunde: Mit dem kongenialen Jack Kirby schuf er 1961 das Superheldenteam Fantastic Four. Der immense Erfolg brachte eine Produktion in Gang, die der Welt einer Riege unsterblicher Superhelden schenkte. Wobei Lee ihnen eine menschliche Note verlieh. Das bot ein höheres Identifikationspotenzial für das Publikum. Seine Helden hatten Alltagssorgen, Ängste und Probleme.
Helden mit Problemen
Spider-Man war ein ganz normaler amerikanischer Junge, der erst durch den Biss einer radioaktiven Spinne zu Superkräften kam. Ab 1962 kämpfte der Spinnenmann gegen das Böse.
Oder Thor. Der vom nordischen Donnergott abgeleitete Held musste erst als gehbehinderter Arzt arbeiten, ehe er in einem Stock seinen Hammer entdeckte und fortan ein Doppelleben führte: Er war Thor und Dr. Blake. Ähnliche Dr.Jekyll-und-Mr.-Hyde-Identitäten besaßen viele Marvel-Helden.
Ihre Verve bezogen diese Geschichten aus dem Arbeitsstil Lees. Er umriss den Zeichnern die Story, diese arbeiteten sie aus, er schrieb dann den Text in die Blasen: „Zack! Bang! Arrrgh!“einerseits, andererseits überraschte eine Figur wie Thor mit einer hochgestochenen Sprache. Auch das konnte Lee.
Bei all der Produktivität gab es bald Streit um diverse Urheberschaften. Spider-Man-Mitschöpfer Steve Ditko verließ Marvel im Zorn, weil Lee ihn nicht entsprechend seiner Bedeutung für die Figur entlohnte, Kirby verließ Marvel 1969 aus demselben Grund. Erst 20 Jahre nach seinem Tod haben Kirbys Erben mit Lee eine Vereinbarung gefunden, nach der Kirby entsprechend genannt und mit Tantiemenzahlungen bedacht wird. Beide gelten den Fans ihrer Figuren als Helden, nun ist der letzte von ihnen gegangen.
Stan Lee wurde 95 Jahre alt.