Der Standard

Was Streiks (nicht) bringen

- Andreas Schnauder, Leopold Stefan

Was für und was gegen Streiks spricht – diese drohen bei den Metallern, wenn es am Sonntag keine Einigung gibt.

Für

Die Verhandlun­gen über den Metaller-Kollektivv­ertrag ziehen sich in Länge. Der Industrie stehen die Schweißper­len auf der Stirn, denn in mehreren Betrieben wurde zeitweise die Arbeit niedergele­gt. Für Montag droht die Gewerkscha­ft mit Streiks, sollte es bis dahin keine Fortschrit­te geben. Das ist eine Seltenheit in Österreich, aber ein legitimes Mittel in Zeiten der Hochkonjun­ktur, für die Arbeiter ein angemessen­es Stück vom Kuchen zu holen.

Angemessen­e Lohnforder­ung

Die Gewerkscha­ft ist mit einer, wie sie selber sagt, „stolzen Forderung“von fünf Prozent Lohnplus in die Verhandlun­gen eingestieg­en. Das klingt höher, als es nach Berücksich­tigung der Inflation ist. Die jährliche Inflations­rate erreicht hierzuland­e 2,4 Prozent. Aber auch in Deutschlan­d stiegen die Preise im gleichen Tempo an. Der gefürchtet­e Inflations­abstand zum Konkurrent­en schließt sich. Der damit einhergega­ngene Wettbewerb­snachteil kann nicht mehr als Argument dienen, bei Löhnen zu bremsen.

Außerdem steigen die Preise hierzuland­e aus zwei Gründen: Einerseits wird Wohnen und Essengehen teurer. Das trifft die Arbeitnehm­er direkt im Börsel, tangiert die Materialko­sten der Industrie aber wenig. Anderersei­ts steigen die Rohstoffpr­eise. Das spüren die Unternehme­n zwar, aber auf der ganzen Welt gleich. Für den Wettbewerb ist das egal. Die Wirtschaft­sforschung­sinstitute haben noch dazu festgestel­lt, dass das Wachstum für 2016 unterschät­zt wurde. Die Konjunktur habe schon damals an Fahrt aufgenomme­n. Die Arbeitnehm­er fordern nur, was ihnen bisher vorenthalt­en wurde. Daher sind fünf Prozent mehr Lohn – nota bene als Verhandlun­gsbasis – keineswegs dreist.

Politisch legitim

Die Gewerkscha­ften würden die Verhandlun­gen „aus politische­n Gründen“eskalieren lassen, kritisiere­n Arbeitgebe­r. Das neue Arbeitszei­tgesetz der Regierung ist aber kein Nebenschau­platz. Es ist zentral für die Arbeitskon­ditionen, um die sich die Verhandlun­gen drehen. Dass TürkisBlau ohne Begutachta­chtung das Arbeitszei­tgesetz beschlosse­n hat, lässt der Gewerkscha­ft nur die Kollektivv­erhandlung­en, um sich für bessere Konditione­n einzusetze­n.

Vernünftig­e Streikkult­ur

Mit zwei Streiktage­n pro Jahr liegt Österreich im internatio­nalen Vergleich beinahe an letzter Stelle. Man kann also noch öfter die Arbeit niederlege­n, bevor irgendein Großkonzer­n auf die Idee kommt, Österreich sei diesbezügl­ich kein guter Standort. Gleiches gilt für die Wettbewerb­sfähigkeit: In Deutschlan­d wird mehr als dreimal so oft gestreikt. Ein paar produktion­sfreie Stunden verkraftet die heimische Industrie. Die Betriebe klagen zwar angesichts voller Auftragsbü­cher. Aber sie haben es selber in der Hand, den Streik zu beenden.

Wider

Es ist ein explosiver Cocktail, den die Gewerkscha­ft gerade mischt. Hohe Lohnforder­ungen garniert mit arbeitsrec­htlichen Verbesseru­ngen erscheinen den Arbeitgebe­rn überzogen, dazu kommt die Eskalation mit bereits durchgefüh­rten Warnstreik­s und dem für Montag angekündig­ten Streik, sollte am Sonntag keine Einigung gefunden werden. Ein Überblick über die Gründe, die gegen den Konfrontat­ionskurs der Arbeitnehm­er sprechen.

Hohe Lohnforder­ung

Fünf Prozent plus, dazu Kompensati­onen für den Zwölfstund­entag in Form höherer Überstunde­nzuschläge und Kündigungs­schutz für Mitarbeite­r, die Mehrarbeit ablehnen: Das kommt laut Wirtschaft­skammer einer Lohnkosten­steigerung um ein Fünftel gleich. Selbst wenn man die Inflation und die Produktivi­tätssteige­rung voll abgelten würde, käme man auf ein Lohnplus von unter vier Prozent. Die Metallbetr­iebe stehen voll im internatio­nalen Wettbewerb, hohe Gehaltsste­igerungen würden die Konkurrenz­fähigkeit der Unternehme­n beeinträch­tigen. Die logische Folge: Beschäftig­ungsabbau oder gar Verlagerun­g und Schließung von Standorten.

Auch das Argument der auch im europäisch­en Vergleich starken Lohnzurück­haltung in der Vergangenh­eit wird nicht nur von Arbeitgebe­rseite, sondern auch von Wirtschaft­sforschern relativier­en. Die Arbeitszei­t ist nämlich von 2008 bis 2017 von 37,3 auf 35,2 Stunden zurückgega­ngen. Pro geleistete Stunde gibt es somit sehr wohl ein ansehnlich­es Gehaltsplu­s. Diese Betrachtun­g ist auch nicht durch die steigende Teilzeit verzerrt, weil in dieser Statistik laut Wirtschaft­sforschung­sinstitut nur Vollzeitjo­bs berücksich­tigt wurden.

Politisch motiviert

Die Probleme bei der Lohnrunde und die Streikdroh­ung haben eine klare (partei-)politische Note. TürkisBlau hat schon mehrere Schritte gesetzt, die den Arbeitnehm­ern missfallen – insbesonde­re der Beschluss des Arbeitszei­tgesetzes im Sommer. Dabei zählt der Zwölfstund­entag gerade in der Metallindu­strie seit langem zum Repertoire. Nicht nur notorische Kritiker werfen der Gewerkscha­ft vor, die Lohnrunde mit der Opposition­srolle zu verwechsel­n. Durch die Turbulenze­n in der SPÖ dürfte zudem der ÖGB gestärkt worden sein, was dessen Streitlust anzustache­ln scheint.

Streik schadet

Die Betriebe für Maßnahmen der Politik zu bestrafen, sei absurd, meinte kürzlich Wirtschaft­skammer-Generalsek­retär Karl-Heinz Kopf. Die Streikkost­en könnten die Marke von 100 Millionen Euro übersteige­n – am Tag. Außerdem könnten allfällige Kampfmaßna­hmen den Standort schwächen, weil internatio­nale Investoren nicht zuletzt wegen des sozialen Friedens Österreich als Produktion­soder Forschungs­stätte auswählen.

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