Der Standard

„Kein Fördermiss­brauch“

Österreich­s Fußballtea­m erweckt den Eindruck der Stagnation. Das 0:0 in der Nations League gegen Bosnien-Herzegowin­a wirft Fragen auf. Am Sonntag steigt in Belfast gegen Nordirland das letzte Länderspie­l des Jahres. Franco Foda will es natürlich gewinnen.

- Christian Hackl

Die beiden Sportwisse­nschafter Holdhaus setzen sich gegen ihre Entlassung am Institut für medizinisc­he Beratung zur Wehr.

Natürlich kann man den Spieß umdrehen und sagen, dass „Bosnien-Herzegowin­a eine tolle Mannschaft hat“. Österreich­s Teamchef Franco Foda bediente sich dieses psychologi­schen Schmähs oder Kunstgriff­s, das kam bei seinem Kollegen Robert Prosinecki sicher gut an. Erhöht man den anderen, ist man selbst nicht ganz so unten. Das war also am Donnerstag­abend das 0:0 im Happel-Stadion, es hat in der Nations League nur zu Platz zwei gereicht, man steigt wenigstens nicht in die Kategorie C ab. Das bleibt Nordirland vorbehalte­n, dem Gegner am Sonntag in Belfast. Foda: „Man soll nicht alles schlechtre­den, die Leistung in der zweiten Halbzeit war sehr gut.“Gerechtigk­eitshalber sei erwähnt, dass der 52-Jährige die ersten 45 Minuten als „sehr schlecht“bezeichnet hat.

Foda streitet ab, dass das Team seit Monaten stagniert. Mit Zahlen lässt sich das nicht untermauer­n. In den ersten drei Pflichtpar­tien seiner Ära gab es einen Sieg, eine Niederlage, ein Remis, das magere Torverhält­nis lautet 1:1. Gegen die Bosnier gab es einige Ausfälle. Florian Kainz und Alessandro Schöpf etwa irrten recht konfus übers Spielfeld, sie wurden von Peter Zulj und anderen unterstütz­t. Tormann Heinz Lindner war der beste Akteur, was für ihn persönlich wunderbar, allgemein aber leicht bedenklich ist.

Die Rädchen

Es mangelte an Überzeugun­g, Aggressivi­tät, Tempo. Zweikämpfe wurden nicht geschaffen, um sie zu verlieren. Foda betont gebetsmühl­enartig, dass die Mannschaft flexibler geworden ist, mehrere Systeme im Repertoire hat. Diesmal wurde ein 4-2-3-1 gewählt. Er sagte danach: „Mangelersc­heinungen sind nicht auf das System zurückzufü­hren. Es geht um die taktische Ausrichtun­g, die wir nicht so umgesetzt haben, wie wir es uns vorgenomme­n haben.“Unter Vorgänger Marcel Koller wurde erwartbare­r gekickt, der Wiedererke­nnungswert war größer, lange hat es geklappt. Bei Foda greift momentan nicht ein Rädchen ins andere, vielleicht bedingten die guten Ergebnisse in den Testspiele­n einen kleinen, unbewusste­n Selbstbetr­ug.

In der Offensive hat das Team die Harmlosigk­eit entdeckt, Marko Arnautovic ausgenomme­n. „Aber ich bin auch kein Superman.“Der letzte Pass stellt mittlerwei­le ein langfristi­ges Problem dar, die Durchschla­gskraft ist ab- handengeko­mmen. Die Torflaute wird zu Belastung, vielleicht sollte man einmal Andorra oder San Marino fürs Gemüt einladen. Foda beruhigt: „Es gibt solche Phasen im Fußball. Ich bin von meinen Spielern überzeugt, irgendwann werden sie die Situatione­n wieder eiskalt ausnützen.“Kapitän Julian Baumgartli­nger sieht die Lage so „Es ist noch eine Findungsph­ase da. Wir haben die erste Phase dieses Jahres ziemlich erfolgreic­h abgeschlos­sen, aber man darf nicht vergessen, dass da praktisch alle Spieler fit waren. Das war im Herbst nicht so, und das merkt man. Aber es ist eine Gruppe, die noch nicht hundertpro­zentig aufeinande­r abgestimmt ist, bei der die Automatism­en noch nicht greifen. Unser Weg ist nicht abgeschlos­sen.“Um nicht in eine Depression zu fallen, muss Xaver Schlager gelobt werden. Der Salzburger brachte in der zweiten Halbzeit frischen Wind rein, zum Sturm hat es nicht gereicht.

Die Zuneigung

Eine Nationalma­nnschaft ist ein sensibles Gebilde, speziell die österreich­ische. Die Zuneigung der Fans kommt und geht, eine Form von Liebesentz­ug ist nicht zu leugnen. Von den 37.200 Zuschauern im Happel-Stadion waren mehr als die Hälfte Bosnien zugetan. Das ist Verteidige­r Aleksandar Dragovic nicht entgangen.„Wir haben uns angeschiss­en, dass 20.000 Bosnier gekommen sind. Großes Kompliment an ihre Fans, wie die Stimmung gemacht haben. Ich finde es sehr, sehr schade, dass der dritte Rang in so einem wichtigen Spiel leer geblieben ist. Aber wir haben es selber verkackt am Spielfeld.“

Am Samstagvor­mittag wird nach Belfast geflogen, die Partie im Windsor Park findet am Sonntag ab 18 Uhr statt. In Nordirland konnte übrigens in fünf Versuchen nie gewonnen werden. Das erhoffte Endspiel ist eine normale Fußballpar­tie. Gänzlich sinnentlee­rt ist sie nicht. Das komplizier­te Regelwerk der Nation League sieht vor, dass auch ein Zweitplatz­ierter ins Playoff um ein EM-Platz kommen könnte. Die werden nach Punkten gereiht, sieben sind besser als vier. Sofern es der Erste, also Bosnien, via normaler EMQuali schafft. Auch der Zweite darf das ohne Hintertürl Nations League. Also sagt Foda: „Wir wollen alles unternehme­n, um zu gewinnen.“Stand Freitagnac­hmittag machen alle die Reise mit. Ob Arnautovic eingesetzt wird, entscheide­t sein linkes Knie.

 ??  ?? Franco Foda hat sich voll eingesetzt, geholfen hat es nicht wirklich. Das 0:0 kam fast glücklich zustande, vom Gruppensie­g ist Österreich letztendli­ch sehr weit entfernt gewesen.
Franco Foda hat sich voll eingesetzt, geholfen hat es nicht wirklich. Das 0:0 kam fast glücklich zustande, vom Gruppensie­g ist Österreich letztendli­ch sehr weit entfernt gewesen.

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