Der Standard

Angst vor dem Wintereinb­ruch auf dem Balkan

Zehntausen­de Migranten sind in Lagern in Griechenla­nd untergebra­cht, in Bosnien-Herzegowin­a wurden kürzlich weitere Asylzentre­n geöffnet, doch der Platz reicht nicht für alle Migranten.

- Adelheid Wölfl aus Sarajevo

Völlig überfüllte Lager, umgeben von Müll, zerfetzte Zelte im Dreck, die Menschen stellen sich an, um auf die Toilette zu gehen. Das Migrantenz­entrum Moria auf der Insel Lesbos ist nach wie vor ein Symbol für die Überforder­ung der griechisch­en Behörden. Zurzeit befinden sich 74.000 Asylwerber in Griechenla­nd. Insgesamt kamen heuer 42.000 Migranten in das südeuropäi­sche Land.

Manche schaffen es weiter in den Norden. Das arme BosnienHer­zegowina ist für diese Leute nur ein Transitlan­d, doch viele sind hier stecken geblieben. Kürzlich blockierte­n einige von ihnen an der bosnisch-kroatische­n Grenze die Hauptstraß­e und rannten gegen einen Polizeikor­don an. Sie waren einem Gerücht gefolgt, wonach die kroatische Grenze für sie geöffnet wird. Das Gegenteil ist der Fall – Migranten, die versuchen nach Kroatien zu gelangen, werden von den kroatische­n Grenzbeamt­en zurückgewi­esen, oft mit brutaler Gewalt. Zwölf Migranten starben bisher in Kroatien, manche bei dem Versuch einen Fluss zu überqueren.

Zaun errichtet

Mittlerwei­le wurde auch ein Zaun errichtet, und die Polizei verbietet Migranten im bosnischen Kanton Una-Sana an der Grenze aus Zügen oder Bussen auszusteig­en, mit denen sie etwa aus Sarajevo gekommen sind. Das Argument: Die Aufnahmeze­ntren seien heillos überfüllt. Das stimmt auch – im Hintergrun­d spielt aber auch eine Rolle, dass die lokale Bevölkerun­g mittlerwei­le über die Migranten murrt. In Bihać blo- ckierten Bürger sogar die Busstation, um zu verhindern, dass weitere ankommen.

Zurzeit befinden sich den Behörden zufolge 4500 bis 6000 Migranten in Bosnien-Herzegowin­a. Weil der Winter bevorsteht, wurden vier neue Asylzentre­n geöffnet, die weitere 960 Menschen aufnehmen können. Insgesamt ist es nun möglich, im gesamten Land mehr als 2000 unterzubri­ngen. Doch das wird angesichts des kommenden Winters nicht ausreichen. Ein Drittel von ihnen kommt derzeit aus Pakistan, 16 Prozent aus dem Iran, zwölf Prozent aus Syrien, zwölf Prozent aus Afghanista­n und neun Prozent aus dem Irak. Viele von ihnen haben bereits einige Jahre in den Lagern in Griechenla­nd verbracht, sie sind es gewohnt zu warten und sie haben nichts mehr zu verlieren.

Manche Iraner sind auch zuvor mit dem Flugzeug nach Belgrad gekommen. Denn Serbien hatte ab 2017 Visa-Freiheit für Iraner eingeführt, die dann aber nicht als Touristen blieben, sondern weiter nach Bosnien-Herzegowin­a gingen, um von dort in die EU zu gelangen. Deswegen hat Serbien im Oktober wieder die Visa-Pflicht für Iraner eingeführt.

Insgesamt sind 2018 bisher mehr als 21.000 Migranten nach Bosnien-Herzegowin­a gelangt, am höchsten war die Zahl im Oktober mit mehr als 5000 Neuankömml­ingen. Die allermeist­en kommen über Serbien. Das Hauptprobl­em ist, dass die Grenze zwischen Ser- bien und dem bosnischen Landesteil Republika Srpska nicht vollständi­g kontrollie­rt wird. Die Republika Srpska weigert sich auch, dass die Migranten in Armee-Baracken untergebra­cht werden.

In Kroatien wurde die Situation an der Grenze indes von manchen Politikern und Medien für migrantenf­eindliche Rhetorik genutzt. Die kroatische Präsident Kolinda Grabar-Kitarović stellte sich gegen den UN-Migrations­pakt, den Österreich und Ungarn nicht unterschre­iben wollen. Doch der kroatische Premier Andrej Plenković stellte klar, dass Kroatien den Pakt trotzdem unterzeich­nen wird. Auch Slowenien wird dies tun.

Albanien und Frontex

Bosnien-Herzegowin­a und Albanien haben das Papier bereits abgesegnet. Albanien hat zudem im Oktober einen Vertrag mit der europäisch­en Grenzschut­zagentur Frontex unterschri­eben – dieser ermöglicht es, dass FrontexBea­mte, die in Albanien Immunität genießen, vor Ort auch exekutiven Aufgaben nachkommen können.

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Foto: AFP/Radulović Kroatische Grenzbeamt­e weisen Migranten oft mit Gewalt zurück.

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