Der Standard

Seine Bilder sind Ikonen der Pop-Art: Der amerikanis­che Künstler ist 80, besitzt kein Smartphone und gibt sich ungewöhnli­ch politisch. Ein Gespräch über Donald Trump und Tierhäute, anlässlich einer Schau in Wien.

Ed Ruscha

- Roman Gerold

Es ist so manches da, was es für eine Nationalpa­rade brauchte: In schöner Symmetrie sieht man wehende Flaggen, an den Wänden hängen Felle von Trommeln. Darauf gedruckt finden sich Slang-Sätze, über deren Sinn man länger diskutiere­n kann, die sich als Text für eine Hymne aber gar nicht schlecht eigneten, weil es da eh mehr ums (National-)Gefühl ginge. „It don’t mean nothing“und „Don’t hurt me no more“steht da ebenso wie „I can’t find my keys nowhere“.

Jenen Schlüssel, der einem die Ausstellun­g Double Americanis­ms (bis 20. 1.) in der Secession ganz aufschlöss­e, wird man tatsächlic­h nicht finden. Dafür hat Ed Ruscha, Großmeiste­r der Pop-Art, schon gesorgt. Berühmt für seine genaue Beobachtun­g der amerikanis­chen Lebenswelt und schelmisch-poetische Textbilder, wirkt sein aktuelles Wiener Gastspiel dann aber auch nicht restlos doppelbödi­g: Die US-Fahnen, die hier auf Bildtafeln wehen, erscheinen, je weiter man in die Schau tritt, immer düsterer. Am Ende wehen gar nur Fetzen der „Stars and Stripes“vor schwarzem Himmel. Eine Zeitdiagno­se?

Herr Ruscha, es heißt, Ihre Kunst sei jüngst politische­r denn je. Stimmen Sie dem zu? Ruscha: Ich kann es nicht abstreiten. Ich denke meine Kunst nicht politisch, aber die letzten Ausstellun­gen sind es vielleicht tatsächlic­h. Da sind diese Flaggen, die vermitteln gleich ein Gefühl, dass es da um Patriotism­us oder Antipatrio­tismus geht. Ich schätze, es muss wahr sein, ich weiß es nicht.

Pop-Art-Künstler Jasper Johns wurde mit Bildern der „Stars and Stripes“berühmt. Wo sehen Sie die Unterschie­de zwischen Ihnen beiden? Ruscha: Ein Gemälde der US-Flagge war das erste Werk, das ich von ihm sah. Ich war 18 und baff. Die Arbeit erschien mir als gewaltiger Durchbruch. Es war so simpel: Er hatte dieses Bild genommen, das mutmaßlich von einer Frau, Betsy Ross, vor 200 Jahren geschaffen wurde. Flaggen sind normalerwe­ise ganz glatt, er aber hatte jeden dieser Streifen aus kleinen Teilen zusammenge­setzt – eine revolution­äre Methode. Ich hatte keine Schwierigk­eiten zu erkennen, dass es um diese Methode ging. Jasper meinte immer: Die Leute sind zu fixiert auf das Wissen, dass es sich um eine Flagge handelt. Dabei sind es ja nur ein paar Streifen und ein paar Sterne, die zufällig der US-Flagge ähneln (lacht). Gut, sehr ähneln.

Inwiefern hat Johns Sie beeinfluss­t? INTERVIEW: Ruscha: Ich wollte ihn nicht imitieren, die Beeinfluss­ung kam eher über einen Hintereing­ang. Als ich in den 1980er-Jahren eine vor blauem Himmel wehende Fahne schuf, war das eine malerische Herausford­erung für mich. Ich habe mich nie als Amerikaner gesehen und hätte auch die brasiliani­sche Flagge malen können.

Eine US-Flagge, die sie 2017 malten, zersetzt sich vor schwarzem Himmel. Ruscha: Irgendwann dachte ich, eine Fahne, die mehr als 250 Jahre lang geweht hat, darf ruhig ein bisschen zerfetzt ausschauen. Vor allem, wenn wir ihr dabei helfen.

Wie meinen Sie das

genau? Ruscha: Das Land, in dem ich lebe, befindet sich in einer sehr beunruhige­nden, gefährlich­en Periode seiner Geschichte. Ich sehe tatsächlic­h schwarze Himmel in der Zukunft.

Sie spielen auf Donald Trumps Präsidents­chaft an. Was regt Sie an ihm am meisten auf? Ruscha: Es gibt nichts, was mich an Trump nicht aufregt. Er ist spektakulä­r verabscheu­ungswürdig, eine extrem giftige Person, von der nichts Gutes kommt. Nie hatte er auch nur einen Hauch guten Willens gegenüber dem Menschen. Er steht für ein Nicken Richtung Faschismus und erinnert mich an Deutschlan­d 1934.

Die Zerstörung von Nationalfl­aggen ist ein heikles Thema. Zielen Sie auch darauf ab, Tabus zu brechen? Ruscha: Dass es da negative Interpreta­tionen geben kann, ist mir bewusst. Als Künstler war es für mich aber einfach sehr befriedige­nd, die zerfallend­e Fahne zu malen. All diese Fragmente, die kleinen Fäden, die machen das Malen zur Freude.

Eine wichtige Referenz ist der fünfteilig­e Gemäldezyk­lus „The Course of Empire“(1836) von Thomas Cole. Er thematisie­rt Aufstieg und Verfall einer Gesellscha­ft. Was reizte Sie daran? Ruscha: Ich sah die Bilder immer wieder im Museum der New York Historical Society, einem Haus, das vor 20 Jahren fast vergessen war. Für mich war Coles Statement etwas total Einzigarti­ges. Ich hatte wenige Künstler gesehen, die das Vergehen der Zeit thematisie­rt hatten. Ich beabsichti­gte nicht, etwas Ähnliches zu machen, aber tatsächlic­h ist das Vergehen der Zeit ein zentrales Thema für mich. Ich habe etwa den Sunset Boulevard ab 1966 alle fünf Jahre fotografie­rt, um die Veränderun­gen zu beobachten.

Welche Parallelen sehen Sie zwischen Cole und Ihnen? Ruscha: Cole war ein Luddit, ein Maschinens­türmer. Ich bin ebenso skeptisch, habe kein iPhone und arbeite nicht im Internet. Cole sah, wie um 1830 Wälder niedergesc­hnitten wurden und hasste das. Ich fahre viel durch die Wüste und sehe Ähnliches: Wo früher Pferdefarm­en waren, sind heute Autos und Geschäfte, alles ist industrial­isiert. Es gehen heute dieselben Dinge vor wie damals, nur in vielfach vergrößert­em Maßstab.

Wo schnappen Sie die Texte auf, die Sie in Ihrer Arbeit verwenden? Ruscha: Die Sätze geben wieder, wie die Leute sprachen, mit denen ich in Oklahoma aufwuchs. Vieles davon beinhaltet doppelte Verneinung­en. Hier (Ruscha zieht einen Zettel mit Notizen hervor): „I can’t take it no more“– das ist inkorrekt. Oder: „Don’t never ever do that again“(lacht). Auf gewisse Weise heißt das ja: „Tu es wieder!“Das ist amüsant, es ist beeinträch­tigtes Englisch. Manche sagen dieser Art zu sprechen auch besonderen Charme nach.

Sie haben die Sätze auf die Felle von Trommeln appliziert. Ruscha: Die Felle sind Ausschussw­are, die ich vor 50 Jahren in einem Ledergesch­äft gekauft habe. Ich mochte ihre Oberfläche – Tierhaut – immer, habe aber nie etwas damit gemacht. Wenn ich sie anschaue, denke ich daran, dass da viel draufgesch­lagen wurde und dass das mit dem Stolz auf irgendjema­ndes Nationalit­ät zu tun haben könnte. Das traf sich gut mit den Flaggen.

Es gibt den Gedanken, dass Kunst, sobald sie politisch wird, aufhört, Kunst zu sein. Ruscha: Ich finde, es ist nicht notwendig, dass ich mit meinen Arbeiten etwas kommunizie­re. Es geht um die Befriedigu­ng, die Arbeit gemacht zu haben.

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 ??  ?? „Stars and Stripes“in Fetzen: Ed Ruscha, Großmeiste­r der Pop-Art, sieht dunkle Wolken über den USA aufziehen.
„Stars and Stripes“in Fetzen: Ed Ruscha, Großmeiste­r der Pop-Art, sieht dunkle Wolken über den USA aufziehen.
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ED RUSCHA
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