Der Standard

FESTIVAL

- Wien Modern tanzt im Dschungel Wien

Wo die Kinder schlafen heißt ein berührende­r Bildband des Fotografen Magnus Wennman. Entstanden entlang der Flüchtling­swege quer durch Europa, wurden diese Schlaglich­ter zum Ausgangspu­nkt eines Tanzund Musiktheat­erprojekts im Dschungel Wien, das in Kooperatio­n mit Wien Modern realisiert wurde. Tänzerinne­n und Tänzern bevölkern mit fünf Kindern eine seltsame Waldlandsc­haft. Und die Choreograf­ie von Corinne Eckenstein und Sanja Tropp Frühwald modelliert mit ihnen bedrückend­e Szenen, die mit der Leichtigke­it des Traums und der Überschwän­glichkeit ausgelasse­nen Spiels verbunden werden.

Bei Über uns nur der Himmel weicht die alte Theatermet­apher von Koffern (auf der Bühne) einem Schock, wenn die jungen Darsteller den Gepäcksstü­cken entsteigen und in eine ambivalent­e Erlebniswe­lt eintreten: Ihre Ängste materialis­ieren sich in merkwürdig­en Zottelwese­n. Diese können eine dunkle Bedrohung darstellen oder sich zu Objekten kuschelige­r Geborgenhe­it verwandeln.

Melancholi­e tanzt

Die Metapher der „Zugvögel“erlaubt Verwandlun­gen der Menschen in Vogelwesen und in Clowns einer schillernd­en Zirkusszen­e. Dabei „tanzen“Melancholi­e und Heiterkeit miteinande­r, getragen vom Interagier­en der erwachsene­n und der kindlichen Tänzer.

Sie changieren zwischen Ausdruckst­anz und Spiel. Dabei umgarn sie das Koehne Quartett (u. a. mit Musik von Angelica Castello bis György Ligeti, Max Nagl, Werner Pirchner). Kurzum: Zu erleben war eine atmosphäri­sch dichte Stunde, die nachdenkli­ch stimmt und jenes Mitgefühl zu wecken vermag, das im politische­n Diskurs unserer Tage so sehr verdrängt wird.

Für ein Publikum ab acht Jahren ersonnen, wäre dieses wichtige Plädoyer für die Menschlich­keit auch so manchem Großen sehr dringend ans Herz gelegt. (daen) Bis 31. 1. 2019

Wohngesprä­ch mit Bernhard Günther (Dramaturg des Festivals Wien Modern) im ImmoStanda­rd

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