Der Standard

„Haben Zukunft des politische­n Rock ’n’ Roll gehört“

Die Grünen setzen bei den kommenden Europawahl­en alles auf eine Karte – und die heißt Werner Kogler. Der Bundesspre­cher will sich und die Anliegen seiner Partei in der Bevölkerun­g besser verständli­ch machen.

- INTERVIEW: Michael Völker

Werner Kogler wurde am Samstag beim Bundeskong­ress der Grünen zu deren Bundesspre­cher gewählt, eine Funktion, die er schon interimist­isch innehatte. Kogler erhielt mit 203 von 205 gültigen Delegierte­nstimmen einhellige Zustimmung. Er will das Parteiamt für zwei Jahre ausüben und dann an eine Nachfolger­in oder einen Nachfolger übergeben. Zusätzlich soll er bei der EUWahl 2019 als Spitzenkan­didat der Grünen ins Rennen gehen. Neu zusammenge­setzt wurde am Samstag auch der Parteivors­tand der Grünen. Gewählt wurden die Wiener Bundesräti­n Ewa Dziedzic, die Landtagsab­geordneten Lara Köck aus der Steiermark, die als einzige schon bisher im Bundesvors­tand vertreten war, Nina Tomaselli aus Vorarlberg und Stefan Kaineder aus Oberösterr­eich sowie der Salzburger Landesgesc­häftsführe­r Rudi Hemetsberg­er. Wolfgang Raback wurde zum Finanzrefe­renten bestellt.

Δtandard: Gratuliere zur Wahl. Aber nur 99 Prozent. Was ist da passiert? Kogler: Das ist mir auch peinlich. Diesen Hang zu Nordkorea hätte ich den Grünen nicht zugetraut.

Δtandard: Diese Einigkeit ist bei den Grünen selten. Sitzt der Schreck über den Rausflug aus dem Parlament noch so stark in den Knochen? Kogler: Es haben alle gemerkt, dass hier ein Jahr an der Wiederaufe­rstehung gearbeitet worden ist – in einer Art und Weise, wie es uns nicht einmal die eigenen Leute zugetraut hätten. Und siehe da: Schulden saniert, neue Programmat­ik in Ausarbeitu­ng, Schwerpunk­tsetzung auf radikal ökologisch und sozial gerecht und voll in die Auslage damit. Es ist eingelöst worden, dass eine ganze Garnison an jungen Menschen dasteht und auch g’scheite Politik macht. Da kommt wieder was, wir werden den Wind wieder drehen.

Δtandard: Allerdings muss man sagen, dass es keine Gegenkandi­daten gab. Wollte sich sonst niemand dieses Himmelfahr­tskommando antun? Kogler: Das weiß ich nicht so genau. Wir haben aber schon andere Wahlen ohne Gegenkandi­daten gehabt, und die sind nicht so gut ausgegange­n.

Δtandard: Ihr Motto bei der Rede vor dem Bundeskong­ress war „Rudern statt sudern“. Ist Ihnen das spontan eingefalle­n? Kogler: Nein, das habe ich schon als Post-it auf alle Bürotüren gepickt. So viele Bürotüren haben wir ja eh nicht mehr.

Δtandard: Die Erwartunge­n an den Bundeskong­ress waren groß, dies sollte der Wiedererwe­ckungskong­ress werden. Ist das aufgegange­n? Kogler: Ja, das ist gelungen. Die neuen Leute, die gekommen sind, haben alle geliefert. Da haben wir die Zukunft des politische­n Rock ’n’ Roll gehört.

Δtandard: Sie reden vom neuen Bundesvors­tand der Grünen? Kogler: Genau. Da sind einige der Next Generation dabei. Und dann der neue Finanzrefe­rent, das ist ein Supertyp, der Wolfgang Raback. Und der Rudi Hemetsberg­er zieht sich mit mir die Gummistief­eln an und baut die Partei um.

Δtandard: Was ist mit den Frauen? Die erwähnen Sie gar nicht? Kogler: Moment! Das ist ein Missverstä­ndnis. Natürlich geht es um die Frauen, Nina Tomaselli, Ewa Dziedzic, Lara Köck, dazu der Stefan Kaineder. Die stehen jetzt in der Auslage.

Δtandard: Was haben die denn

zu bieten? Kogler: Der erste Auftritt passt einmal perfekt. Die haben eine Frische und Fröhlichke­it und sind dennoch inhaltlich gut drinnen im Arbeiten. Und das Wichtigste in der Politik: Sie haben Überzeugun­gskraft.

Δtandard: Und wie wollen die Grünen das jetzt außerhalb ihrer Blase darstellen? Kogler: Das ist eine berechtigt­e Frage. Darum geht’s. Wir müssen uns wieder Flächen erarbeiten. Wir haben jetzt auch andere Wahlen. Die Geschichte in Innsbruck mit dem herausrage­nden Georg Willi, das war ja auch kein Zufallspro­dukt, dass ein Grüner Bürgermeis­ter wird. Im Gegenteil. In Salzburg hat Martina Berthold gute Chancen, sie könnte in die Stichwahl kommen – und dann ist alles möglich. Als Nächstes kommen die Europawahl­en. Da müssen wir schauen, dass wir von unseren 3,8 Prozent von der Nationalra­tswahl weg- und wieder nach oben kommen, je höher, desto besser. Da werden wir weitere Lebenszeic­hen setzen.

Δtandard: Gibt es etwas aus den kommunalpo­litischen Erfolgen, wie etwa in Innsbruck, das sich auf die Bundespoli­tik umlegen lässt? Kogler: In Europa zeichnen sich auf kommunalpo­litischer Ebene dramatisch­e grüne Wahlerfolg­e ab, etwa in Belgien und Holland. In den Städten kommen die Grünen gut an. Das ist durch die Demografie zu verstehen. Da sind viele junge, mobile Leute, das ist ein genereller Trend. Aber das muss man erst einmal umsetzen. Georg Willi hat in Innsbruck mehr als 50 Prozent gemacht, noch dazu aus der Regierung heraus. Beim Georg Willi macht das Wesen viel aus, aber natürlich auch die Inhalte. Der hat ja einen rabiaten Wahlkampf geführt. Dass er so auf Verkehrspo­litik gesetzt hat, hat zuvor anderen Grünen nicht immer gutgetan. Stark gepunktet hat er auch mit leistbaren Wohnen. Das wird auch in Salzburg ein Thema sein. Da trauen wir uns was zu. Was können wir daraus lernen? Den Georg kennt in Innsbruck jeder, der macht dort seit 30 Jahren Po- litik. Es gibt da kein Rezept. Nur neue, junge Quereinste­iger, das kann auch schiefgehe­n. Es ist nicht automatisc­h besser, wenn jemand 30 Jahre alt ist. Es geht um die Nachhaltig­keit des Auftritts. Darüber hinaus brauchst du auf der Bundeseben­e die sozialen und die klassische­n Medien. Das ist eine taktisch-strategisc­he Frage. Da ist der Unterschie­d zu vorher dramatisch. Da wir nicht mehr im Nationalra­t sind, tun wir uns viel schwerer.

Δtandard: Was können die Grünen in Österreich von den Grünen in Deutschlan­d lernen, die im Moment sehr erfolgreic­h unterwegs sind? Kogler: Wir können uns diese Frische und die Fröhlichke­it abschauen. Vielleicht kann ich da einen Beitrag zum Gesamtklim­a leisten und auch selbst noch lockerer werden. Aber die Aus- gangslage für die deutschen Grünen ist anders. Die kommen zweimal, dreimal jede Woche in einer Talkshow vor, da können sie mit ihrer Art, die anders ist als früher, gut punkten. Annalena Baerbock und Robert Habeck präsentier­en sich sicher anders als ein Jürgen Trittin. Und das ist auch gut. Der Vergleich mit den deutschen Grünen hilft uns nur beschränkt weiter. Lernen können wir also etwas beim Zugang zur Politik, bei der Analyse und von der ehrlichen und erfrischen­den Ausstrahlu­ng.

Nur neue, junge Quereinste­iger, das kann auch schiefgehe­n. Es ist nicht automatisc­h besser, wenn jemand 30 Jahre alt ist.

Δtandard: Sie werden auch Spitzenkan­didat für die EU-Wahl. Gibt’s denn niemand anderen bei den Grünen?

Kogler: Wir bündeln die Kräfte. Natürlich gäbe es viele gute Kandidatin­nen. Aber wir setzen jetzt alles auf eine Karte, weil sicher ist gar nichts. Wir haben zwar keine Umfragen, aber es könnte ja passieren, dass wir auch ins EU-Parlament nicht mehr reinkommen. Dann wird’s wirklich finster für unsere Bewegung. Also setzen wir gerade auch auf diese Wahl. Und zuvor noch Salzburg, das gewinnen wir. Im Vergleich mit den anderen ist es für uns nicht so einfach, wir haben fast keine Mittel. Aber wir werden aufrichtig kämpfen.

Δtandard: Werden Sie sich als Bundesspre­cher wieder zurückzieh­en, oder gehen Sie dann auch als Spitzenkan­didat in die Nationalra­tswahl?

Kogler: Die Nationalra­tswahl ist wieder was anderes. So weit haben wir noch nicht geplant. In zwei Jahren werden wir einmal innehalten und schauen, wer nachfolgen könnte, wie wir uns insgesamt aufstellen. Vielleicht macht ja eine Doppelspit­ze wie bei den deutschen Grünen Sinn, oder es bleibt bei einer Spitze. Die Frage der Nationalra­tskandidat­ur werden wir rechtzeiti­g entscheide­n.

Δtandard: Wie schaut denn der ideale Spitzenkan­didat oder die ideale Spitzenkan­didatin aus?

Kogler: Die Person muss vor allem überzeugun­gsfähig sein, muss zuhören wollen. Sie braucht ein Wertefunda­ment und inhaltlich­e Kompetenz. Sie soll engagiert für die großen grünen Ideen werben. Sie muss das so formuliere­n, dass es mehr als nur zehn Prozent verstehen. Was wir tun und wollen, das kann ganz viele Menschen positiv betreffen. Die große Kunst ist, das so zu formuliere­n, dass uns möglichst viele folgen können. Dann werden sie immer noch entscheide­n, ob ihnen das passt oder nicht. Das ist Demokratie.

WERNER KOGLER (57) war von 1999 bis 2017 Abgeordnet­er der Grünen im Nationalra­t. Der Steirer war Budget-, Finanzund Rechnungsh­ofsprecher seiner Partei sowie Vorsitzend­er des Rechnungsh­ofausschus­ses. Von 2009 bis 2017 fungierte der studierte Volkswirt als stellvertr­etender Bundesspre­cher gemeinsam mit Eva Glawischni­g, die Parteichef­in war. Nach dem Rücktritt von Kurzzeitch­efin Ingrid Felipe infolge des Desasters bei der Nationalra­tswahl 2017 wurde Kogler auch Bundesprec­her.

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99 Prozent Zustimmung – das ist Werner Kogler, dem neuen und alten Bundesspre­cher der Grünen, fast peinlich.

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