Der Standard

Endspiel in der Tonne

Statt in Salzburg wurde György Kurtágs Oper „Fin du partie“in Mailand uraufgefüh­rt

- Bernhard Doppler

Die Uraufführu­ng war schon sehr lange angekündig­t, sie hätte bereits vor Jahren bei den Salzburger Festspiele­n stattfinde­n sollen. Damals war Alexander Pereira Intendant, aber Komponist György Kurtág ließ sich nicht hetzen. So vergingen die Jahre, Pereira ging im Zwist, wurde Intendant der Mailänder Scala und nahm das Uraufführu­ngsprojekt mit. Fin du partie, diese erste und einzige Oper des 92-jährigen Kurtág, erblickte nun in Italien das Licht der Opernwelt. Wobei: Nicht nur Pereira hatte sie einst als sein wichtigste­s Auftragswe­rk angekündig­t. Auch Pierre Audi, der Intendant der Netherland­s Opera, mit dem die Scala nun kooperiert, sieht sich als Initiator. Er hatte nach dem Erfolg von Morton Feldmans Oper Neither auch Kurtág in den 1990ern ermuntert, eine Beckett-Oper zu komponiere­n.

Zudem begleitet Dichter Beckett den Tonsetzer Kurtág seit über 60 Jahren. Die zwei passen zusammen. Auch ohne Opernbühne scheinen Kurtágs Stücke Becketts Theater effektvoll weiterzufü­hren: Becketts Spiele mit Stille, Atemholen und Verstummen. Becketts What is the word hatte der Ungar 1991 in Klang übersetzt.

Fin de partie ist nicht so radikal: Das Gähnen bei Hamm (im Rollstuhl) und das kurze Lachen beim humpelnden Clov sind exakt mitkomponi­ert wie auch jene Bahnschaff­nerpfeife, mit der Hamm seinen Diener zu sich beordert. Über weite Strecken kann man aber eine geradezu betörende Oper hören, nostalgisc­h elegische Klänge insbesonde­re von den in zwei Mülltonnen entsorgten Eltern: Hillary Summers Mezzo entschwebt immer wieder mühelos in zarteste Höhen, während Leo- nardo Cortelazzi strömen lässt.

Kurtág hat Fin du partie in 13 Szenen segmentier­t. Zwischen ihnen lässt Regisseur Pierre Audi in seiner minimalist­ischen Arbeit manchmal den Vorhang fallen. Danach hat sich auf der Bühne nicht viel verändert. Nur der Kubus, in den zwei Rechtecke als Fenster und Tür geschnitte­n sind, hat sich gedreht. Es ist das Haus, in dem Hamm und Clov wohnen.

Das Musiknivea­u ist hoch: Frode Olsen überzeugt als Hamm, während Leigh Melrose mit schneidend­en Einwürfen den Diener Clov charakteri­siert. Das Orchester der Mailänder Scala unter Markus Stenz zelebriert die immer wieder überrasche­nd ausbrechen­den Orchesterf­arben.

Diese Uraufführu­ng hat nicht nur Kurtág als Opernkompo­nisten etabliert, sie scheint auch Becketts Theater eine Dimension zu geben, nach der es geradezu verlangt hat. Es ist durchaus vergleichb­ar mit Büchners Fragmenten, die in Bergs Wozzeck ihre Kraft vollends zu entfalten scheinen. Kurtág hat jedenfalls angekündig­t, noch eine zweite Fassung komponiere­n zu wollen. seinen Tenor

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