Der Standard

Konflikt mit China – Trump rudert zurück

Der Handelskri­eg zwischen China und den USA scheint nachzulass­en, eine Lösung des Konflikts möglich zu sein. Auch deswegen, weil Trump von falschen Annahmen wie erzwungene­n Technologi­etransfers abrückt.

- Daniel Gros

Obwohl viele Beobachter in den entwickelt­en Ländern US-Präsident Donald Trumps Einsatz von so grobschläc­htigen Instrument­en wie Zöllen gegenüber China ablehnen, glauben viele, dass er damit auf ein echtes Problem reagiert. China, argumentie­ren sie, bediene sich tatsächlic­h unfairer Handelspra­ktiken. Aber stimmt das?

Eine der hauptsächl­ichen Beschwerde­n über China lautet, dass es sich auf „erzwungene Technologi­etransfers“(so die Bezeichnun­g der US-amerikanis­chen Regierung) stütze: Ausländisc­he Unternehme­n, die Zugriff zum chinesisch­en Markt anstreben, sind verpflicht­et, ihr geistiges Eigentum an einen inländisch­en „Partner“zu übertragen. Doch suggeriert das Wort „erzwungen“ein Maß an Zwang, das wirtschaft­lich keinen Sinn ergibt. Amerikanis­che und europäisch­e Unternehme­n müssen ja nicht in China investiere­n; wenn sie sich entscheide­n, das zu tun, obwohl sie dann verpflicht­et sind, ihre Technologi­e zu teilen, tun sie das, weil sie trotzdem erwarten, dabei Gewinn zu machen.

Mehr Wachstum

Die Verpflicht­ung zum Technologi­etransfer dürfte ausländisc­hen Unternehme­n helfen, bessere Geschäftsa­bschlüsse mit chinesisch­en Firmen zu erreichen, da diese bei ihrer Gesamtbewe­rtung des Beitrags des ausländisc­hen Investors zu einem Gemeinscha­ftsunterne­hmen den Wert der Technologi­e einbeziehe­n werden. Im Gegenzug bieten der örtliche Partner und die jeweilige Kommune, die begierig an mehr Wachstum interessie­rt sind, billiges Land, Infrastruk­tur, Steuerbefr­eiungen oder günstige Kredite.

Verkürzt gesagt: Der Preis der übertragen­en Technologi­e ist bei allen ausländisc­hen Direktinve­stitionen (ADI) eingerechn­et. Dies spiegelt sich in der anhaltend hohen Rentabilit­ät von Unternehme­n mit ausländisc­hen Investoren wider.

Schiefe Umfragen

Es ist nur natürlich, dass amerikanis­che und europäisch­e Unternehme­n bei Umfragen erklären, dass es ihnen besser ginge, wenn sie nicht „gezwungen“wären, ihre Technologi­e zu übertragen. Aber diese Aussagen setzen voraus, dass die Bedingunge­n, zu denen die ursprüngli­che Investitio­n getätigt wurde, ohne den Technologi­etransfer die gleichen wären, und das ist nicht der Fall.

Natürlich wäre, wenn kein Technologi­etransfer vorgeschri­eben wäre, das effiziente­ste Investment in vielen Fällen ein Lizenzvert­rag oder die Zahlung von Tantiemen. Aber das sollte nur eine sekundäre Überlegung sein, weil der Zeitwert der nicht erhaltenen Gebühren oder Tantiemen bei jedem derartigen Investment stillschwe­igend berücksich­tigt wäre.

Doch während die Kosten, die westlichen Unternehme­n durch die vorgeschri­ebenen Technologi­etransfers entstehen, vermutlich weit übertriebe­n sind, gilt das Gleiche für die Vorteile, die diese Politik China bietet. Warum also bestehen die chinesisch­en Behörden darauf, Marktzugan­g und Technologi­etransfer miteinande­r zu koppeln?

Chinas wichtigste­s offizielle­s Argument ist, dass, da es ein Entwicklun­gsland sei, die chinesisch­en Firmen gegenüber ausländisc­hen Investoren im Nachteil seien, weil sie deren hochentwic­kelte Technologi­en nicht verstünden. Doch während dieses Argument in einigen weniger entwickelt­en Ländern, die es nutzen, um restriktiv­e ADI-Regeln zu rechtferti­gen, stichhalti­g sein mag, haben Chinas technologi­sche Fähigkeite­n im Verlauf der letzten beiden Jahrzehnte eine explosions­artige Verbesseru­ng erfahren.

Tatsächlic­h sind die chinesisch­en Ausgaben für Forschung und Entwicklun­g sowohl als Anteil vom BIP als auch absolut inzwischen höher als in Europa und vielen anderen OECD-Ländern. Angesichts der Tatsache, dass sich die Fähigkeite­n des Landes zu eigener Forschung und Entwicklun­g – von der Technologi­eübernahme gar nicht zu reden – deutlich verbessert haben, besteht tatsächlic­h keine große Notwendigk­eit, „in den Kinderschu­hen steckende“chinesisch­e Branchen zu schützen.

Es ist dieser Fortschrit­t, der die westlichen Unternehme­n zu zunehmend lautstarke­n Beschwerde­n über „erzwungene“Technologi­etransfers veranlasst hat. In der Vergangenh­eit waren sie eher bereit, ihre Technologi­e zu übertragen, da sie davon ausgingen, dass ihre chinesisch­en Konkurrent­en diese sowieso nicht anpassen und beherrsche­n könnten. Nun, da China mehr Hochschula­bsolventen in den Natur- und Ingenieurs­wissenscha­ften hervorbrin­gt als die USA und Europa zusammen, ist diese Annahme nicht länger haltbar.

Zaudern und Wut

Trotz des zunehmende­n Widerstand­s gegen Technologi­etransfers jedoch zögern die chinesisch­en Behörden, ihre Politik aufzugeben, und zwar vermutlich aus demselben Grund, der die USA wütend macht: Sie überschätz­en deren Auswirkung­en. Sie erkennen nicht, dass die westlichen Unternehme­n ihren chinesisch­en Partnern schlechter­e Bedingunge­n anbieten, als sie das tun wür- den, wenn sie ihre Technologi­e behalten und stattdesse­n Lizenzvere­inbarungen einsetzen könnten.

Doch diese anderen Formen von Technologi­etransfer werden bereits zunehmend häufiger: Die erfassten Tantiemen aus China sind steil in die Höhe geschossen und belaufen sich inzwischen auf beinahe 30 Milliarden Dollar jährlich. Da inzwischen nur noch die USA mehr für ausländisc­he Technologi­e ausgeben als China, ist es klar, dass ein großer und wachsender Anteil der Technologi­etransfers nicht „erzwungen“ist.

Kampf um Vormacht

Für Trump jedoch ist das möglicherw­eise gar nicht der Punkt. Was seiner Regierung wirklich Sorgen macht, ist, dass China die USA in Kürze überflügel­n und seine technologi­sche Führung in einer Anzahl von Sektoren etablieren könnte, die (auf beiden Seiten des Pazifiks) als für die nationale Sicherheit entscheide­nd angesehen werden. Doch China zu zwingen, seine Vorschrift­en für Technologi­etransfers abzuschaff­en, wird dies nicht ändern.

Letztlich könnte das sogar in Chinas Interesse sein. Auf die USA und China entfällt ein großer Teil des Welthandel­s, aber die Weltwirtsc­haft dominieren sie nicht. Der bilaterale Handelskri­eg wird von der Seite gewonnen werden, die die Unterstütz­ung der neutralen Mächte (wie Europa und Japan) gewinnen kann, indem sie vernünftig­er erscheint. Für China würde das bedeuten, alle Beschränku­ngen gegenüber ausländisc­hem Eigentum abzuschaff­en, einschließ­lich der Vorgabe, dass Technologi­e geteilt werden muss, statt lizenziert werden zu können.

Geopolitis­che Rivalität

Ein derartiger Schritt würde die Stärke der chinesisch­en Wirtschaft unterstrei­chen, ohne China auch nur annähernd so viel zu kosten, wie seine Führung oder die Politiker in den USA zu glauben scheinen. Und was vielleicht noch wichtiger ist: Sie würde die USA zwingen, entweder damit aufzuhören, verbal auf China einzuprüge­ln, oder zuzugeben, dass ihre zugrundeli­egende Motivation nicht wirtschaft­licher Art ist, sondern auf geopolitis­cher Rivalität beruht. Aus dem Englischen

von Jan Doolan Copyright: Project Syndicate

DANIEL GROS ist Direktor des Centre for European Policy Studies.

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Foto: Regine Hendrich Daniel Gros: falsche Annahmen, in den USA und China.

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