Der Standard

KOPF DES TAGES

Eine Verbündete für die bedrängte Theresa May

- Sebastian Borger

Theresa May hat Amber Rudd bereits zweimal in schwere Bedrängnis gebracht. Als die britische Premiermin­isterin im vergangene­n Jahr völlig unnötige Unterhausw­ahlen vom Zaun brach, musste die damalige Innenminis­terin bis in die frühen Morgenstun­den um den Erhalt ihres Mandats bangen. Am Ende der langen Auszählung­sschlacht hielt Rudd ihren Wahlkreis an Englands Südküste mit gerade einmal 346 Stimmen Vorsprung.

Vor einem guten halben Jahr dann stolperte Rudd über die Spätfolgen von Mays eigener Amtszeit im Innenminis­terium. Seit 2010 haben die Konservati­ven dort nämlich die Politik einer „feindselig­en Umgebung“gegenüber illegalen Immigrante­n praktizier­t. Die Ausländerb­ehörde zwang hunderte unbescholt­ene Menschen mit Wurzeln in den britischen Exkolonien, aber Anspruch auf britische Staatsange­hörigkeit, zur Ausreise, weil sie wegen der typisch britischen Schlampere­i keine ordnungsge­mäßen Papiere vorweisen konnten. Im Zuge der Aufklärung dieses „Windrush-Skandals“musste Rudd zurücktret­en, weil sie unabsichtl­ich dem Innenaussc­huss eine falsche Auskunft erteilt hatte.

Eine Untersuchu­ng des Vorgangs durch eine Spitzenbea­mtin ergab: Rudd war von den zuständige­n Beamten falsch informiert worden. Das machte den Weg frei für die Rückkehr der 55-Jährigen ins Kabinett: Seit Freitag amtiert Rudd anstelle der zurückgetr­etenen EU-Feindin Esther McVey als Ressortche­fin für Arbeit und Soziales.

Das große Ministeriu­m gilt als mindestens so schwierig wie das Innenresso­rt, zumal gerade eine gewaltige Reform der Sozialhilf­e umgesetzt wird, die Zehntausen­de von Briten ins Elend zu stoßen droht.

Dennoch dürfte Rudd sich in den kommenden Wochen auf eine andere wichtige Aufgabe konzentrie­ren: nämlich der bedrängten Regierungs­chefin den Rücken zu stärken gegen die wütenden Angriffe der EU-Feinde in der eigenen Fraktion.

Gleich ihren ersten TV-Auftritt nutzte Rudd zu einem Appell an die Brexit-Ultras: Diese sollten doch „nochmal genau überlegen“, ob ein Misstrauen­svotum gegen May für Nation und Partei hilfreich wäre. Die studierte Historiker­in, frühere Investment­bankerin und Mutter zweier erwachsene­r Kinder befürworte­t den weichen Brexit, den der vorläufige Austrittsv­ertrag vorsieht – und würde im Fall, dass May stürzt, gewiss zur Handvoll ernsthafte­r Nachfolgek­andidatinn­en gehören.

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Foto: Imago / Maclaine Amber Rudd kehrt als Arbeitsmin­isterin ins britische Kabinett zurück.

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