Auch neuer Anlauf für schnellere Verfahren erntet Kritik
Wie können Infrastrukturprojekte beschleunigt werden? Nach dem Wirbel um einen ersten Entwurf gibt es einen neuen. Der wird ebenfalls zerpflückt.
Wien – Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck will mit einem neuen Entwurf dafür sorgen, dass standortrelevante Infrastrukturprojekte rascher genehmigt werden. Einen ersten Entwurf im Sommer musste sie nach harscher Kritik – auch aus Regierungsreihen – zurückziehen. Doch auch der neue Anlauf wird von Nichtregierungsorganisationen kritisch gesehen. Die Novelle sieht vor, dass eine Genehmigung oder eine Ablehnung innerhalb von 18 Monaten zu erfolgen hat. Ist die Behörde säumig, wandert das Verfahren automatisch an die zweite Instanz – in der Regel an das Bundesverwaltungsgericht.
Das könnte zu einer Überlastung des Gerichts führen, wird befürchtet. Das Weitergeben an die nächste Instanz bringe noch keine Beschleunigung, meint die Arbeiterkammer. Gerichte seien nicht dazu da, über Verfahren zu entscheiden, sondern um zu kontrollieren. Der WWF moniert zudem, dass mit dem Vorstoß der Umweltschutz ausgehöhlt werde.
Die Regierung sieht dennoch Handlungsbedarf und argumentiert mit den langen Umweltverträglichkeitsprüfungen, die durchschnittlich mehr als 18 Monate dauern – einzelne Projekte wie die dritte Piste am Flughafen Wien sogar länger als zehn Jahre. Umweltschutzorganisationen halten dagegen, dass die lange Genehmigungsdauer oft von den Antragsstellern selbst verursacht würden, die unvollständige Unterlagen einreichten.
Bundeskanzler Sebastian Kurz betonte am Montag, dass Österreich den Anschluss nicht verlieren dürfe. „Große Projekte werden dann nicht bei uns, sondern woanders realisiert“, erklärte der Regierungschef. (red)
Auch in 90 Metern Höhe war die Aussicht am Montag nicht besser als zu ebener Erde. In dichtem Nebel verhangen, war auch vom Tower am Wiener Flughafen nur schemenhaft jener Landstrich zu erkennen, an dem die dritte Piste des Airports gebaut werden soll. Was eine von Sebastian Kurz angeführte Regierungsriege freilich nicht davon abhielt, der Verfahrensbeschleunigung wichtiger Infrastrukturprojekte das Wort zu reden.
Die dritte Piste war es auch, die hierzu heftige Debatten ausgelöste hatte. Das vom Flughafen Wien vorangetriebene Projekt beschäftigt seit Jahren die Gerichte. Selbst nach einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, mit dem die negative Entscheidung der Vorinstanz gekippt wurde, sind immer noch nicht alle Voraussetzun- gen für den Bau erfüllt. Die Regierung nahm das Gezerre um den Flughafenausbau im Sommer zum Anlass, um eine Initiative zur rascheren Genehmigung wichtiger Vorhaben zu starten. Die Idee: Wird einem Projekt standortrelevante Bedeutung beigemessen, soll es innerhalb von 18 Monaten entschieden werden. Schafft die Behörde den Abschluss der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) in dieser Zeit nicht, sollte automatisch eine Genehmigung ausgesprochen werden.
Kritiker stiegen prompt auf die Barrikaden, meldeten verfassungs- und europarechtliche Bedenken an und forderten die sofortige Rücknahme des Entwurfs. Selbst aus der Regierung kamen ablehnende Stellungnahmen, u. a. vom Umweltministerium, das aber auf eine Veröffentlichung der Einwände verzichtete. Der zuständigen Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck blieb nichts anderes übrig, als den Entwurf zur Reparatur zurückzuziehen.
Nun startet sie einen neuen Anlauf. „Die Automatik fällt, aber es kommt ein anderer Mechanismus.“Der sieht so aus: Wenn es nach 18 Monaten keine Entscheidung über ein Projekt gibt, wandert der Antrag gleich in die zweite Instanz. Das Vorhaben soll am Mittwoch vom Ministerrat abgesegnet werden.
„Umweltschutz aushöhlen“
Die Entschärfung stellt die Kritiker nicht zufrieden. Nun wird vor einer Überlastung des Bundesverwaltungsgerichts gewarnt, das im Instanzenzug künftig mehr Projekte beurteilen müsste. Die Novelle diene nur dazu, den Um- weltschutz auszuhöhlen, erklärte Hanna Simons vom WWF Österreich. Auch die Arbeiterkammer – selbst eine Befürworterin rascherer Verfahren – kritisiert den neuen Entwurf. Das einfache Weitergeben an die nächste Instanz bringe noch keine Beschleunigung, erklärt Direktor Christoph Klein. Und er stellt die Frage: „Sollen dann Gerichte entscheiden, die eigentlich nur kontrollieren sollten?“
Doch Schramböck hält an den Plänen fest und weiß den Kanzler hinter sich. Der betonte im Flughafen-Tower, dass Österreich den Anschluss zu verlieren drohe, wenn Investitionsentscheidungen nicht rascher getroffen werden. „Große Projekte werden dann nicht bei uns, sondern woanders realisiert“, erklärte Kurz. Wie relevant das Gesetz ist, verdeutlich- te Schramböck. Sie nannte beispielsweise die Stromversorgung für Infineon in Kärnten als standortrelevantes Projekt. Eine „Stromautobahn“von Fürnitz nach Villach soll bis 2020 die Elektrizitätsversorgung sichern. Allerdings ist die Leitung bereits genehmigt, der Ausbau weit vorangeschritten. Als weitere Projekte nennt die Ministerin das Kraftwerk Kühtai in Tirol, den Stadttunnel Feldkirch in Vorarlberg und den Lobautunnel. Sie hält den Entwurf für wasserdicht: Experten wie die Professoren Walter Obwexer und Wilhelm Bergthaler wurden ebenso eingebunden wie der Verfassungsdienst.
Flughafen-Vorstand Julian Jäger ist trotz schlechter Sicht optimistisch: „Ich hoffe, dass sich die juristischen Nebel in den nächsten Monaten lichten.“(as)