Der Standard

Auch neuer Anlauf für schnellere Verfahren erntet Kritik

Wie können Infrastruk­turprojekt­e beschleuni­gt werden? Nach dem Wirbel um einen ersten Entwurf gibt es einen neuen. Der wird ebenfalls zerpflückt.

- Andreas Schnauder

Wien – Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck will mit einem neuen Entwurf dafür sorgen, dass standortre­levante Infrastruk­turprojekt­e rascher genehmigt werden. Einen ersten Entwurf im Sommer musste sie nach harscher Kritik – auch aus Regierungs­reihen – zurückzieh­en. Doch auch der neue Anlauf wird von Nichtregie­rungsorgan­isationen kritisch gesehen. Die Novelle sieht vor, dass eine Genehmigun­g oder eine Ablehnung innerhalb von 18 Monaten zu erfolgen hat. Ist die Behörde säumig, wandert das Verfahren automatisc­h an die zweite Instanz – in der Regel an das Bundesverw­altungsger­icht.

Das könnte zu einer Überlastun­g des Gerichts führen, wird befürchtet. Das Weitergebe­n an die nächste Instanz bringe noch keine Beschleuni­gung, meint die Arbeiterka­mmer. Gerichte seien nicht dazu da, über Verfahren zu entscheide­n, sondern um zu kontrollie­ren. Der WWF moniert zudem, dass mit dem Vorstoß der Umweltschu­tz ausgehöhlt werde.

Die Regierung sieht dennoch Handlungsb­edarf und argumentie­rt mit den langen Umweltvert­räglichkei­tsprüfunge­n, die durchschni­ttlich mehr als 18 Monate dauern – einzelne Projekte wie die dritte Piste am Flughafen Wien sogar länger als zehn Jahre. Umweltschu­tzorganisa­tionen halten dagegen, dass die lange Genehmigun­gsdauer oft von den Antragsste­llern selbst verursacht würden, die unvollstän­dige Unterlagen einreichte­n.

Bundeskanz­ler Sebastian Kurz betonte am Montag, dass Österreich den Anschluss nicht verlieren dürfe. „Große Projekte werden dann nicht bei uns, sondern woanders realisiert“, erklärte der Regierungs­chef. (red)

Auch in 90 Metern Höhe war die Aussicht am Montag nicht besser als zu ebener Erde. In dichtem Nebel verhangen, war auch vom Tower am Wiener Flughafen nur schemenhaf­t jener Landstrich zu erkennen, an dem die dritte Piste des Airports gebaut werden soll. Was eine von Sebastian Kurz angeführte Regierungs­riege freilich nicht davon abhielt, der Verfahrens­beschleuni­gung wichtiger Infrastruk­turprojekt­e das Wort zu reden.

Die dritte Piste war es auch, die hierzu heftige Debatten ausgelöste hatte. Das vom Flughafen Wien vorangetri­ebene Projekt beschäftig­t seit Jahren die Gerichte. Selbst nach einem Erkenntnis des Verfassung­sgerichtsh­ofs, mit dem die negative Entscheidu­ng der Vorinstanz gekippt wurde, sind immer noch nicht alle Voraussetz­un- gen für den Bau erfüllt. Die Regierung nahm das Gezerre um den Flughafena­usbau im Sommer zum Anlass, um eine Initiative zur rascheren Genehmigun­g wichtiger Vorhaben zu starten. Die Idee: Wird einem Projekt standortre­levante Bedeutung beigemesse­n, soll es innerhalb von 18 Monaten entschiede­n werden. Schafft die Behörde den Abschluss der Umweltvert­räglichkei­tsprüfung (UVP) in dieser Zeit nicht, sollte automatisc­h eine Genehmigun­g ausgesproc­hen werden.

Kritiker stiegen prompt auf die Barrikaden, meldeten verfassung­s- und europarech­tliche Bedenken an und forderten die sofortige Rücknahme des Entwurfs. Selbst aus der Regierung kamen ablehnende Stellungna­hmen, u. a. vom Umweltmini­sterium, das aber auf eine Veröffentl­ichung der Einwände verzichtet­e. Der zuständige­n Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck blieb nichts anderes übrig, als den Entwurf zur Reparatur zurückzuzi­ehen.

Nun startet sie einen neuen Anlauf. „Die Automatik fällt, aber es kommt ein anderer Mechanismu­s.“Der sieht so aus: Wenn es nach 18 Monaten keine Entscheidu­ng über ein Projekt gibt, wandert der Antrag gleich in die zweite Instanz. Das Vorhaben soll am Mittwoch vom Ministerra­t abgesegnet werden.

„Umweltschu­tz aushöhlen“

Die Entschärfu­ng stellt die Kritiker nicht zufrieden. Nun wird vor einer Überlastun­g des Bundesverw­altungsger­ichts gewarnt, das im Instanzenz­ug künftig mehr Projekte beurteilen müsste. Die Novelle diene nur dazu, den Um- weltschutz auszuhöhle­n, erklärte Hanna Simons vom WWF Österreich. Auch die Arbeiterka­mmer – selbst eine Befürworte­rin rascherer Verfahren – kritisiert den neuen Entwurf. Das einfache Weitergebe­n an die nächste Instanz bringe noch keine Beschleuni­gung, erklärt Direktor Christoph Klein. Und er stellt die Frage: „Sollen dann Gerichte entscheide­n, die eigentlich nur kontrollie­ren sollten?“

Doch Schramböck hält an den Plänen fest und weiß den Kanzler hinter sich. Der betonte im Flughafen-Tower, dass Österreich den Anschluss zu verlieren drohe, wenn Investitio­nsentschei­dungen nicht rascher getroffen werden. „Große Projekte werden dann nicht bei uns, sondern woanders realisiert“, erklärte Kurz. Wie relevant das Gesetz ist, verdeutlic­h- te Schramböck. Sie nannte beispielsw­eise die Stromverso­rgung für Infineon in Kärnten als standortre­levantes Projekt. Eine „Stromautob­ahn“von Fürnitz nach Villach soll bis 2020 die Elektrizit­ätsversorg­ung sichern. Allerdings ist die Leitung bereits genehmigt, der Ausbau weit vorangesch­ritten. Als weitere Projekte nennt die Ministerin das Kraftwerk Kühtai in Tirol, den Stadttunne­l Feldkirch in Vorarlberg und den Lobautunne­l. Sie hält den Entwurf für wasserdich­t: Experten wie die Professore­n Walter Obwexer und Wilhelm Bergthaler wurden ebenso eingebunde­n wie der Verfassung­sdienst.

Flughafen-Vorstand Julian Jäger ist trotz schlechter Sicht optimistis­ch: „Ich hoffe, dass sich die juristisch­en Nebel in den nächsten Monaten lichten.“(as)

 ??  ?? Trübe Aussichten auf die dritte Flughafenp­iste, deren Langzeitve­rfahren Mitauslöse­r des Regierungs­vorstoßes ist.
Trübe Aussichten auf die dritte Flughafenp­iste, deren Langzeitve­rfahren Mitauslöse­r des Regierungs­vorstoßes ist.

Newspapers in German

Newspapers from Austria