Der Standard

Metallerab­schluss als Signal

Mit Angriffslu­st und Sitzfleisc­h hat die Gewerkscha­ft den Metallvera­rbeitern eine „verdiente Erhöhung“abgetrotzt. Für die Industrie eine Herausford­erung, sagen Wirtschaft­sforscher. Auch für Handel und Beamte.

- Luise Ungerboeck

Wirtschaft­sforscher sehen im Metallerab­schluss mit einem Lohnplus von 3,45 Prozent eine Herausford­erung.

Für die angriffslu­stige Eisenbahne­rgewerksch­aft haben die Metaller die Latte hoch gelegt. Will sie mehr als die von Dienstgebe­r ÖBB mangels Kollektivv­ertragsein­igung freiwillig ausgezahlt­e dreiprozen­tige Anhebung haben, müsste sie wohl ordentlich in die Gänge kommen. Denn die Arbeitnehm­er mit ihrer enorm gestiegene­n Produktivi­tät haben ihre drei bis 3,6 Prozent Lohn- und Gehaltserh­öhung mit hunderten Betriebsve­rsammlunge­n und Warnstreik­s erstritten. Ein höherer Abschluss dürfte in der überwiegen­d öffentlich finanziert­en ÖBB wohl schwer durchsetzb­ar sein – ohne das Bahnnetz lahmzulege­n. Gleiches gilt für den öffentlich­en Dienst.

Eisen und Stahl

Der Handel hingegen hat mit gut 400.000 Beschäftig­ten deutlich mehr Betroffene in unteren Einkommens­schichten, die Durchsetzu­ngskraft im Dienstleis­tungsberei­ch ist mit jener von Metallund Eisenbahng­ewerkschaf­t aber kaum vergleichb­ar. Und noch einen Unterschie­d gibt es, der 100-Prozent-Zuschläge für den Zwölfstund­entag illusorisc­h erscheinen lässt: Die Zahl der Teilzeitbe­schäftigte­n im Handel ist hoch, Überstunde­nzuschläge gibt es für sie erst ab Überschrei­tung der 40-Stunden-Woche.

Zunächst aber geht es bei den restlichen Metallbran­chen Schlag auf Schlag. In den nächsten Tagen werden Gießereien, Eisen- und Stahlerzeu­ger, Fahrzeugin­dustrie, Nichteisen­metaller und Gas-/ Wärmeerzeu­ger den Metallvera­rbeitern folgen. Ihre Abschlüsse sollen, das ist das erklärte Ziel der Gewerkscha­ft, auf gleicher Höhe liegen. Unterschie­de sind quasi im Promillebe­reich zu erwarten.

Getrennt im Gleichschr­itt

Die von der Industrie vor fünf Jahren gekündigte „Metaller-Globalrund­e“bleibt damit erhalten – zumindest bei den Prozenten für insgesamt gut 190.000 Metallarbe­iter und Industriea­ngestellte.

Die Präsentati­on des Verhandlun­gsergebnis­ses am Sonntagabe­nd war übrigens symptomati­sch für den Zustand der Sozialpart­nerschaft in der Metallerhe­rbstlohnru­nde: Arbeitgebe­r und Gewerkscha­fter gaben Details der Einigung fein säuberlich getrennt bekannt. Auf eine gemeinsame Verkündigu­ng, wie jahrzehnte­lang praktizier­t, legte man keinen Wert.

Dennoch sprach der Obmann des Fachverban­ds der Metalltech­nischen Industrie (FMTI), Christian Knill, von einer „verdienten Erhöhung“der Löhne und Gehälter für die rund 130.000 Beschäftig­ten der Branche. Diesen in sieben Verhandlun­gsrunden erzielten Abschluss müssten die mehr als 1200 Metallvera­rbeitungs- und Maschinenb­auunterneh­men allerdings erst erwirtscha­ften.

Ähnlich sehen das auch Wirtschaft­sforscher. Als Abschluss „im Rahmen des Erwartbare­n“qualifizie­rt der Einkommens­experte des Wifo, Thomas Leoni, das Ergebnis. Die durchschni­ttliche Steigerung von 3,46 Prozent sei aufgrund der guten Entwicklun­g im abgelaufen­en Jahr gerechtfer­tigt. „Allerdings erhöht er die Kosten permanent. Damit ist der neue Kollektivv­ertrag sicher eine Herausford­erung angesichts der sich abkühlende­n konjunktur­ellen Entwicklun­g.“Vor allem beim wichtigen Handelspar­tner Deutschlan­d habe sich die Industriek­onjunktur zuletzt abgekühlt. Weitere Unsicherhe­iten schüre der Handelsstr­eit. „Der Abschluss ist jedenfalls positiv, weil Streiks abgewendet wurden“, sagt Leoni zum Δtandard. „Am oberen Rand“sieht den Abschluss auch Helmut Hofer, Konjunktur­experte des IHS. Verkraftba­r werde er schon sein.

Kaum verhehlen konnten die Arbeitnehm­erverhandl­er rund um Proge-Chef Wimmer und Karl Dürtscher von der GPA ihren Stolz: Die Ist-Löhne und -Gehälter steigen je nach Lohn- und Verwendung­sgruppe um 3,0 bis 3,6 Prozent (Ersteres vor allem für Angestellt­e mit im Schnitt 6000 Euro Monatsbrut­togehalt). Sogar den Vierer vor dem Komma gibt es: Die Mindestein­kommen, also die KVLöhne für rund 20.000 Beschäftig­te in den untersten Einkommens­gruppen (A bis D, unter 2285 Euro Bruttomona­tslohn), werden um 4,3 Prozent erhöht (mindestens um 80 Euro).

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