Der Standard

Briten könnten bis 2022 in EU bleiben

Die EU-27 sind sich einig, dass der ausgehande­lte Brexit-Vertrag nicht mehr aufgeschnü­rt wird. Sie bieten den Briten aber an, dass die Übergangsp­eriode sogar bis 2022 gehen könnte – so lange gälte für sie EU-Recht.

- Thomas Mayer aus Brüssel

Während in London nach wie vor die Unsicherhe­it zunimmt, ob Premiermin­isterin Theresa May den Widerstand gegen den von ihr ausgehande­lten EU-Austrittsv­ertrag überhaupt heil übersteht beziehungs­weise ob die Brexit-Vereinbaru­ng im Dezember vom Unterhaus mit Mehrheit gebilligt wird, sind die übrigen 27 EU-Mitgliedst­aaten nicht zu eventuelle­n Nachverhan­dlungen bereit. „Ich gehe davon aus, dass der Scheidungs­vertrag, so wie er jetzt auf dem Tisch liegt, auch beschlosse­n wird“, sagte der österreich­ische Europamini­ster Gernot Blümel am Montag in Brüssel.

Gemeinsam mit dem EU-Chefverhan­dler Michel Barnier stellte er sich als derzeitige­r Ratsvorsit­zender nach dem EU-Ministerra­t der Presse, um die gemeinsame Linie der EU-27 zum Brexit zu referieren: Der Vertrag sei „ein fairer Kompromiss“. Auch wenn es in Details kritische Anmerkunge­n gebe, etwa von Spanien zur künftigen Regelung in dem geteilten Gibraltar, solle das Abkommen zum EU-Austritt nicht mehr aufgeschnü­rt werden.

Flexibel zeigen wollen sich die EU-27 aber bei ihrer politische­n Absichtser­klärung zu einer „Übergangsp­eriode“im Anschluss an den formellen EU-Austrittst­ermin am 29. März 2019 und jenem Tag, an dem die geltenden EU-Regelungen dann tatsächlic­h auslaufen. Wie berichtet, sind Brexit-Vertrag und dieses Übergangsa­bkommen eng miteinande­r verknüpft: Man hatte sich schon vor einem Jahr darauf verständig­t, dass für London nach dem 29. März bis Ende 2020, also 21 Monate lang, weiter EU-Regeln gelten.

Damit sollen allzu abrupte Einschnitt­e für die Wirtschaft wie für die Bürger auf beiden Seiten des Ärmelkanal­s verhindert werden. Großbritan­nien müsste weiter ins EU-Budget einzahlen, hätte aber keine Stimmrecht­e mehr in der Union, was die Hardliner im Königreich als Versagen vorwerfen.

Wie Barnier erklärte, könnte die Übergangsz­eit auf britischen Wunsch Mitte 2020 beendet werden. Allerdings glaubt niemand, dass in nur so kurzer Zeit das eigentlich­e Ziel dieses „sanften“Übergangs – die Vereinbaru­ng eines umfangreic­hen Freihandel­sund Investitio­nsabkommen­s mit dem zum Drittland gewordenen Vereinigte­n Königreich­s – erreicht werden kann. May sprach bei einem Auftritt vor Wirtschaft­streibende­n am Montag davon, dass diese Übergangsz­eit „auf jeden Fall vor den nächsten Wahlen“auslaufen müsse.

Zeit für Freihandel­svertrag

Das wäre regulär im Jahr 2022, und dieser Termin entspricht exakt dem, was Blümel und Barnier im Namen der EU den Briten anboten: eine Ausdehnung der Frist auf den 31. Dezember 2022. Großbritan­nien hätte so lange alle Verpflicht­ungen einzuhalte­n, als wäre es noch EU-Mitglied. Aber der Handel, der Binnenmark­tzu- gang bliebe mit allem, was dazugehört, voll aufrecht. Das würde bedeuten, dass mit der britischen Regierung auch noch über den langfristi­gen EU-Budgetrahm­en für die Finanzperi­ode 2020 bis 2027 gesprochen werden müsste.

Laut Barnier wäre das im BrexitVert­rag „fair und ausgewogen“geregelt. Es sei für die Briten unerlässli­ch, in den nächsten Jahren erst noch Verwaltung­sstrukture­n aufzubauen, die es als EU-Mitglied abgeschaff­t hatte. Beim EUGipfel der Staats- und Regierungs­chefs soll das unter anderem mit May fixiert werden.

Die zuständige­n Minister der EU-27 waren darum bemüht, möglichst große Einigkeit zu zeigen. Jean Asselborn aus Luxemburg, der Belgier Didier Reynders, der deutsche Wirtschaft­sminister Peter Altmaier, sie alle betonten, wie wichtig es jetzt sei, einen ungeordnet­en Brexit zu verhindern und keine neuen Verhandlun­gen zu starten. May reist diese Woche nach Brüssel zu EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz fliegt am Mittwoch als EURatsvors­itzender zu Gesprächen mit May nach London.

 ??  ?? EU-Brexit-Unterhändl­er Michel Barnier verteidigt­e den Kompromiss als gerecht und ausgewogen, Nachverhan­dlungen erteilte er eine Absage.
EU-Brexit-Unterhändl­er Michel Barnier verteidigt­e den Kompromiss als gerecht und ausgewogen, Nachverhan­dlungen erteilte er eine Absage.

Newspapers in German

Newspapers from Austria