Der Standard

„Blinder“, für den Hitler Held ist

Freispruch in Wiederbetä­tigungspro­zess für 21-Jährigen

- Michael Möseneder

Wien – Wenn die Eltern noch in der serbischen Teilrepubl­ik Jugoslawie­ns geboren sind, ist es nicht unbedingt naheliegen­d, Adolf Hitler für einen Helden zu halten. Igor S., heute 21 Jahre alt, hat das im März auf einer Facebook-Seite von Österreich gemacht und muss sich nun vor einem Geschworen­engericht unter Vorsitz von Andreas Hautz wegen NS-Wiederbetä­tigung verantwort­en.

Anlass für sein Posting war der Link zu einem Artikel, wonach 26 Prozent der Bevölkerun­g sich einen „starken Mann“wünschen würden. Gelesen habe er den Artikel nicht, gibt S. zu, sondern lediglich die Kommentare dazu. Und die hätten ihn aufgeregt. „An alle Hitler-Hasser“begann er seinen Beitrag, verwies auf Verbrechen des Stalinismu­s, bezeichnet­e „Rothschild und Rockefelle­r“als Kriegstrei­ber, um schließlic­h zu verkünden: „Adolf Hitler ist ein Held, der Ostpreußen zurückgewi­nnen und den Krieg verhindern wollte. Das ist geschichtl­ich bewiesen, ihr Ungebildet­en!“

Hautz interessie­rt, wie es mit S.s eigener Bildung aussieht. Der in Österreich geborene und aufgewachs­ene Unbescholt­ene hat Hauptschul­e und Sonderschu­le besucht. Geschichte interessie­re ihn, er sehe sich gern Dokumentat­ionen an. Und dort habe er diese Dinge gehört und gesehen. „Der Churchill hat Friedensve­rträge ab- gelehnt, und es hat den Hess-Flug gegeben!“, erklärt er. „Da haben die Deutschen den Krieg aber schon begonnen gehabt“, wirft Beisitzer Norbert Gerstberge­r ein. „Ja eh“, konzediert der angeklagte Leiharbeit­er.

„Sind Sie eher der Meinung, dass jüdische Großkapita­listen die Welt regieren?“, will der Vorsitzend­e wissen. „Na ja, in manchen Dokus über Verschwöru­ngstheorie­n ist das erzählt worden“, erfährt Hautz. Die Thesen verbreitet­e S. auch anderswo: „Auf der Facebook-Seite des Herrn Vizekanzle­rs ist ein Posting von Ihnen gefunden worden, wo Sie schreiben, dass alles von Obama und Herrn Rothschild finanziert wird. Was denn?“– „Angeblich der Krieg in Syrien.“Aber am meisten ärgere ihn, dass nie über die Verbrechen des Kommunismu­s berichtet werde. „Sie scheinen eine einseitige Wahrnehmun­g zu haben“, hält ihm Gerstberge­r vor. „Ja, weil ich manchmal blind an was glaube und nicht nachdenke“, gibt der Angeklagte zu.

Selbst die Staatsanwä­ltin weist in ihrem Schlussplä­doyer aber darauf hin, dass bei S. weder analoge noch digitale NS-Devotional­ien gefunden wurden. Die Geschworen­en glauben dem Angeklagte­n, dass er subjektiv keine Wiederbetä­tigung begehen wollte, und sprechen ihn mit 5:3 Stimmen rechtskräf­tig frei. Eine Verwaltung­sstrafe könne ihm dennoch drohen, erklärt Hautz S. noch.

Newspapers in German

Newspapers from Austria